Bauen

Der Neubau des LEZ. (Foto: Stiftung Ludwig-Erhard-Haus)

13.06.2018

Bescheidene Architektur

Ergänzender Neubau für das Ludwig Erhard Zentrum in Fürth

Ludwig Erhard (1897 bis 1977) ist einer der Gründerväter der Bundesrepublik Deutschland und prägte als Bundeswirtschaftsminister und zweiter Bundeskanzler die Geschichte der jungen Republik. Als Begründer des „deutschen Wirtschaftswunders“ und der Sozialen Marktwirtschaft bestimmt sein Wirken bis heute das Wirtschaftssystem in Deutschland. Die Auseinandersetzung mit seiner Lebensleistung und seinem geistigen Erbe hat jetzt in Deutschland einen Ort – das Ludwig Erhard Zentrum (LEZ) in seiner Geburtsstadt Fürth.

Mit dem LEZ entstand in Erhards Geburtshaus und einem Neubau direkt gegenüber ein deutschlandweit einzigartiges Ausstellungs-, Dokumentations-, Begegnungs- und Forschungszentrum für Ludwig Erhard und sein Konzept der Sozialen Marktwirtschaft. Das LEZ versteht sich als interaktiver Lernort und offener Raum des Dialogs über Zeitgeschichte, Wirtschaft und Politik und plant mit internationalen Kooperationen eine Vielzahl an Veranstaltungen und Begegnungen. Das 18-Millionen-Euro-Projekt wurde verwirklicht durch den Bund, den Freistaat Bayern, die Stadt Fürth und die private Stiftung Ludwig-Erhard-Haus.

Das Ensemble präsentiert eine 1200 Quadratmeter große Dauerausstellung, die im Geburtshaus in den ehemaligen Wohnungen der Eltern und Großeltern Erhards beginnt, im Neubau weitergeführt wird und in einem interaktiven digitalen Zukunftsraum endet. Die Ausstellung informiert über das Leben Erhards, eingewoben in die zeitgeschichtlichen und wirtschaftlichen Entwicklungslinien und Zäsuren. Zum Teil noch völlig unbekannte Dokumente und Exponate entfalten vor dem Auge des Besuchers die persönliche Biographie Erhards, seine Prägungen und sein Wirken vom Kaiserreich im ausgehenden 19. Jahrhundert über die Zeit im Nationalsozialismus bis in die jüngere Geschichte. Ein wichtiger Ausgangspunkt ist dabei seine Geburtsstadt Fürth, die im Altbau eine beträchtliche Rolle spielt, während im Neubau die Zeit nach 1945 und Erhards Weg als Politiker, Wirtschaftsminister und Bundeskanzler im Mittelpunkt der Darstellung stehen.

Mit zahlreichen Exponaten, musealen Inszenierungen und mit über 50 Medienstationen präsentiert das LEZ Wirtschaftsgeschichte in lebendiger und unterhaltsamer Weise, wobei die gesamte Ausstellung für die Besucher auch in Englisch angeboten wird.

In der Dauerausstellung fungieren insgesamt acht „Made-in-Germany-Kisten“ als wirtschaftliche Exkurs-Ebene. Sie stehen exemplarisch für die ökonomische Situation eines bestimmten historischen Zeitabschnitts; dabei nehmen sie Bezug auf das wirtschaftliche Leben der Bevölkerung. Die Kisten liefern wichtiges Grundwissen, auf dessen Basis sich auch Kinder und Jugendliche die einzelnen Ausstellungsstationen erschließen können. Besucher werden ermutigt, die teilweise sehr spezifischen Ausstellungsthemen in einen größeren wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und politischen Kontext einzuordnen und somit eine historische Entwicklungslinie der Sozialen Marktwirtschaft nachzuzeichnen.
Als letzten Teil der Dauerausstellung im Neubau bildet der Zukunftsraum eine innovative Art der musealen Vermittlung. Eine raumgreifende Multimediawand verbindet Inhalte und Thesen in einem interaktiv immersiven Spielformat und lädt die Besucher ein, Positionen zur Zukunft der sozialen Marktwirtschaft zu formulieren.

Im LEZ gibt es außerdem eine große Fläche für Wechselausstellungen, einen „Lernsupermarkt“, der Vor- und Grundschulkindern spielerisch und praxisnah ökonomische Kompetenzen vermittelt und ein Forschungsinstitut mit einem Ludwig-Erhard-Stiftungslehrstuhl für Soziale Marktwirtschaft. Das LEZ will eine breite Öffentlichkeit mit der grundsätzlichen und aktuellen Bedeutung der Wirtschafts- und Sozialpolitik Erhards vertraut machen und die konkreten politischen und gesellschaftlichen Konsequenzen erörtern, die mit der Sozialen Marktwirtschaft verbunden sind. Im Vordergrund steht die Frage, ob und wie Erhards Thesen und Lösungsansätze in die heutige Gesellschaft übertragbar sind und zukünftigen Generationen bei der Orientierung behilflich sein können.

Die Ausstellungen, Veranstaltungen und das museumspädagogische Programm des LEZ sollen einen Beitrag dazu leisten, dass besonders junge Menschen die wirtschaftlichen Zusammenhänge ihrer Lebensumwelt verstehen, ökonomische Aktivitäten kompetent und eigenverantwortlich gestalten können und motiviert werden, selbst unternehmerisch tätig zu werden.

„Ludwigs kleine Welt. Der Lernsupermarkt für Kinder“ ist ein an das LEZ angeschlossener inszenierter Spielraum für Vor- und Grundschulkinder. Hier dreht sich alles ums Kaufen und Verkaufen. Wie in einem realen Supermarkt gibt es eine Bäcker- und Metzgertheke, einen Obst- und Gemüsestand, eine Getränkepfandstation, ein Kühlregal und eine Kasse. Die kleinen Besucher schlüpfen in verschiedene Rollen und üben so grundlegende ökonomische Kompetenzen spielerisch und praxisnah. Die Einkäufer erhalten ein Budget, schreiben Einkaufslisten, stellen ihren Warenkorb zusammen, vergleichen Mengen und Preise. Die Verkäufer kalkulieren Preise, zählen, rechnen, wiegen und kassieren. Darüber hinaus bietet der Lernsupermarkt vielfältige lehrplanrelevante Anknüpfungspunkte wie nachhaltiger Konsum, gesunde Ernährung oder die Beeinflussung von Kaufentscheidungen.

Bauvolumen aufgenommen

Der Lernsupermarkt ist Teil des museumspädagogischen Angebots des LEZ. Er übersetzt abstrakte wirtschaftliche Prozesse in die kindliche Lebenswelt und lädt Kinder zum selbstständigen Erkunden, Entdecken und Ausprobieren ein. Verschiedene Themenangebote vermitteln nicht nur in den Lehrplänen verankerte Kompetenzen, sondern leisten einen Beitrag zur ökonomischen Bildung der Kleinsten. Nicht zuletzt fördern die im Lernsupermarkt stattfindenden Rollenspiele die sprachliche Ausdrucksfähigkeit.

Mit der Realisierung des Neubaus für das Ludwig Erhard Zentrum beauftragt wurde nach einem Architektenwettbewerb das Münchner Büro Reinhard Bauer Architekten. Im Preisgerichtsprotokoll zu dem Entwurf heißt es unter anderem:

„Diese Arbeit nimmt die ursprünglich dort vorhandenen Bauvolumen (Kuben) auf, die gestapelt eine neue und eigene Wirkung erzielen. Geschickt reagieren die Kuben auf den Straßenverlauf und das gegenüberliegende Geburtshaus von Ludwig Erhard. Selbstbewusst und ohne große Aufregung fügt sich das Kuben-Ensemble in die Umgebung ein und schafft einen gelungenen Übergang zu den Höhen des Rathauses und zur hinteren Bebauung.

Im Erdgeschoss werden die Anforderungen mit gut proportionierten Räumen, die einen großzügigen Empfangsbereich ermöglichen, erfüllt. Der U-Bahnausgang ist harmlos integriert. Die Obergeschosse vermitteln einen aufgeräumten Eindruck, sind gut geschnitten für eine flexible Nutzung. Die Vertikalerschließung ist so angeordnet, dass die Orientierung im gesamten Gebäude gut funktioniert. Unter dem mittleren Kubus stellt eine großzügige Verglasung den direkten Bezug zum Geburtshaus her. Mit einfachen, unspektakulären Mitteln gelingt es diesem Entwurf, eine eigenständige, selbstbewusste und dennoch bescheidene Architektur zu schaffen. Gerade neben dem wuchtigen Rathaus gilt es, sich zu behaupten.“

Der Neubau hat eine Bruttogrundfläche von 2474 Quadratmetern und eine Nettogrundfläche von 2001 Quadratmetern. Die Kubatur beträgt 11 016 Kubikmeter. Die Gesamtbaukosten für den Neubau belaufen sich auf 14,5 Millionen Euro. (BSZ)

(Der Innenhof von Erhards Geburtshaus; im LEZ-Neubau: Blick aus dem Bonner Kanzlerbungalow; das Museumscafé Luise - Fotos: Stiftung Ludwig-Erhard-Haus)

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