Bauen

Die neue Abschiebehafteinrichtung in Hof. (Foto: Heinl Fotografie, Rednitzhembach)

11.02.2022

Beschleunigter Bauprozess

Funktionalausschreibung – Neubau der Abschiebehafteinrichtung in Hof

Das Modell der Funktionalausschreibung und des Totalunternehmers ist momentan in aller Munde. Für viele ergeben sich dabei jedoch zunächst Fragen und auch Unsicherheiten. Denn mit dem konventionellen Bauen verbindet man üblicherweise die Vorteile der Qualitätssicherung und der gestalterischen Einflussnahme. Das Staatliche Bauamt Bayreuth hat beim Bau der Abschiebehafteinrichtung Hof sehr gute Erfahrungen mit der Funktionalausschreibung und Vergabe an einen Totalunternehmer gemacht.

Die Herausforderung bei der Errichtung eines Neubaus für die Abschiebehaft der Justizvollzugsanstalt Hof bestand darin, im sehr eng getakteten Zeitplan zu bleiben und die vorgegebene Qualität, insbesondere die Sicherheitsaspekte, zu wahren. Ministerpräsident Markus Söder (CSU) hatte in seiner Regierungserklärung im April 2018 angekündigt, dass aufgrund des dringenden Bedarfs eine Einrichtung für Abschiebungshaft (AHE) in Hof entstehen sollte. Das Staatliche Bauamt Bayreuth erhielt im Mai 2018 den Auftrag, Unterlagen für den Haushaltsausschuss des Bayerischen Landtags zu erstellen.

Diese Unterlagen wurden mit einem Planungskonzept in Eigenleistung in allen Fachbereichen im Bauamt erarbeitet und bereits im Juni 2018 vom Landtag freigegeben. Mit dieser Freigabe erfolgte auch die Zustimmung zur Ausschreibung der Bauleistungen an einen Totalunternehmer mit der dafür vorher notwendigen Erstellung einer funktionalen Leistungsbeschreibung mit Leistungsprogramm durch einen Generalplaner. Das Büro Dömges, Regensburg, wurde im Juli 2018 als Generalplaner mit der Erstellung der Orientierungsplanung und funktionalen Leistungsbeschreibung beauftragt.

In umfangreichen, interdisziplinären Workshops entwickelten die JVA Hof, das Büro Dömges und das Staatliche Bauamt Bayreuth den konkreten baulichen Bedarf für die AHE, der in der funktionalen Leistungsbeschreibung mündete. Um eine Realisierung im gewünschten Kosten- und Terminrahmen zu erreichen, wurde den Bietern der Totalunternehmerleistung eine Anpassung der Orientierungsplanung ermöglicht, um entsprechende konstruktive Freiräume zu eröffnen.

Den Angebotszuschlag erhielt der Totalunternehmer Markgraf, nachdem der Ausschuss für Staatshaushalt und Finanzfragen des Landtags im Juli 2019 die vom Bauamt im Juni 2019 aufgestellte Projektvorlage genehmigt hatte. Dazu fertigte das Bauamt auch einen Prüfbericht zum Abgleich des Angebots, das Pläne und weiterführende Unterlagen enthielt, mit der Orientierungsplanung und der funktionalen Leistungsbeschreibung an. Die Prüfung erfolgte insbesondere hinsichtlich baufachlicher Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit.

Die Regierung von Oberfranken erteilte am 16. August 2019 den Zustimmungsbescheid nach Art. 73 BayBO. Die Auftragsvergabe an den Totalunternehmer fand am selben Tag statt und der Bau begann am 19. August 2019.

Fünfgeschossige T-Form

Es wurde ein Gebäudekomplex mit rund 14 230 Quadratmetern Brutto-Grundfläche und 43 170 Kubikmetern Brutto-Rauminhalt errichtet. Der Neubau der AHE setzt sich aus sechs Gebäudeteilen zusammen, bestehend aus den Unterkunftsgebäuden, einem Verwaltungstrakt mit Besucher*innen-, Aufnahme- und Entlassungsgebäude, Gesundheitsfürsorge und Kammerabteilung, einem Küchengebäude mit Multifunktionsbereich, einer Technik-Versorgungszentrale und einer Torwache mit der Fahrzeugschleuse.<

Die Haftgebäude bilden eine fünfgeschossige T-Form, die über einen Erschließungstrakt an die Magistrale der Häuser mit den Funktionsbereichen in einer Kammstruktur angebunden ist. Die Haftabteilungen wurden dabei als L-Winkel angelegt. Die Bodenbeläge, aber auch zum Teil die Wände, wechseln etagenweise ihre Farben, um eine schnelle Orientierung zu ermöglichen.

Die AHE Hof verfügt insgesamt über 150 Haftplätze. Es wurden dabei auch zehn besonders gesicherte Hafträume mit Vorräumen sowie drei Arrest- und drei Videoüberwachungsräume realisiert. Des Weiteren verfügt die AHE über Einrichtungen für die Freizeitgestaltung. Zentrale Dienstzimmer auf jeder Ebene ermöglichen einen gleichzeitigen Blick in die einzelnen Flure der T-förmig angeordneten Riegel der Haftgebäude. Die Haftabteilungen sind durch eine Gitterwand mit Gittertüren vom Dienstzimmer getrennt. Vier Treppenhäuser führen im Erdgeschoss ins Freie, zu den drei Spazierhöfen mit Aufsichtskabinen, in den Sporthof, Schubhof, sowie in den Be- und Entladehof beziehungsweise gesicherten Außenraum. Die gesamte Anlage wird durch einen mit Kameras überwachten Sicherheitszaun mit integriertem Sichtschutz umschlossen.

Vor der Torwache befindet sich ein Pkw-Parkplatz mit 53 Stellplätzen, drei Elektro-Ladesäulen und insgesamt sechs Ladestellen. Die Torwache ist das einzige Gebäude der AHE, das eine direkte Verbindung nach außen aufweist. Die rund um die Uhr besetzte Torwache ist das zentrale Anlaufelement für das Spezialeinsatzkommando, aber auch für die Brand- und Gefahrenmeldung. Sie wurde mit einem doppelten Videosystem notfallgesichert. Die AHE erhielt eine eigene Versorgungszentrale für die elektro- und heizungstechnische Erschließung durch ein Block-heizkraftwerk und einen Spitzenlastkessel mit Brennwerttechnik (Gas) sowie eine Netzersatzanlage.

Die Zusammenarbeit mit dem Totalunternehmer gestaltete sich sehr konstruktiv und war von Lösungsorientierung und Kompromissbereitschaft geprägt. So wurden zum Beispiel Bemusterungen durchgeführt, bei denen der Totalunternehmer Verbesserungsvorschläge formulierte. Das proaktive Konfliktmanagement sah eine Unterstützung in Form einer Projektsteuerung, einer Technischen Projektsteuerung und einer juristischen Begleitung vor. Trotz coronabedingter Verzögerungen wurde die AHE, abgesehen von kleinen Restarbeiten an den Außenanlagen, am 30. April 2021 baulich fertiggestellt. Hieran schloss sich die Probebetriebsphase an. Die AHE in Hof wurde am 25. Oktober 2021 von Bauministerin Kerstin Schreyer (CSU) an Justizminister Georg Eisenreich (CSU) übergeben.

Die erwarteten Vorteile der Vergabe an einen Totalunternehmer mittels funktionaler Leistungsbeschreibung haben sich bestätigt. Es gab nur einen Auftragnehmer für die Bauleistung und somit nur einen Ansprechpartner für die Staatsbauverwaltung, die Schnittstellen sind somit entfallen. Darüber hinaus bestand die Freiheit einer Optimierung durch den Totalunternehmer, dies ermöglichte unter anderem ein schnelleres Bauen im Vergleich zur konventionellen Realisierung.

Defizite in der Qualität gegenüber dem konventionellen Bauen haben sich hingegen in diesem konkreten Fall nicht gezeigt. Hinsichtlich der Gestaltung fanden enge Abstimmungen mit dem Totalunternehmer statt. Ob eine konventionelle Umsetzung kostengünstiger gewesen wäre, ist im Hinblick auf die üblichen Schnittstellenprobleme und die oft damit einhergehenden Verzögerungen fraglich.

Wie Bauministerin Schreyer in der Pressemitteilung vom 5. Mai 2021 feststellte, war „der Zeitplan straff, aber es hat sich bewährt, dass die verschiedenen Leistungen nicht einzeln ausgeschrieben, sondern an einen Totalunternehmer vergeben wurden. Das hat den Bau enorm beschleunigt“. (Marie-Luise Krammer)

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