Das Amtsgericht Günzburg war bisher zusammen mit dem Finanzamt im ehemaligen Schloss der Markgrafschaft Burgau am Schlossplatz untergebracht. Da die Unterbringung der beiden Behörden im Schlossgebäude aufgrund der räumlichen Enge nicht mehr tragbar war, im Volksmund wurde das Gebäude „Fuchsbau“ genannt, erwarb der Freistaat Bayern im Jahr 2003 ein Grundstück für die Unterbringung des Amtsgerichts. Die günstige Lage des Grundstücks in unmittelbarer Nähe zum

bisherigen Gerichtsgebäude war ausschlaggebend für die Entscheidung, den dringend erforderlichen Neubau an dieser Stelle zu realisieren.
Der Entwurf des Neubaus des Amtsgerichts in Günzburg ging aus einem vom Freistaat im Sommer 2012 europaweit ausgelobten Realisierungswettbewerb hervor. Die Bewertung der Wettbewerbsbeiträge und die Prämierung der ausgewählten Arbeiten erfolgte insbesondere unter den Gesichtspunkten Architektur, Städtebau, Funktionalität, Wirtschaftlichkeit und Energieeffizienz. Im Rahmen des Wettbewerbs hat das Preisgericht den Beitrag von Lehmann Architekten, Offenburg, zur Realisierung ausgewählt, der schon im Entwurfsansatz gute Voraussetzungen für einen niedrigen Energieverbrauch mitbrachte.
An der Nahtstelle zwischen der höhergelegenen Altstadt mit dem anmutenden Schloss sowie dem westlich angrenzenden Wohn- und Landschaftsraum der Günzaue wurde ein Gebäude erstellt, das sich durch die Baukörperstaffelung hervorragend in die topographisch anspruchsvolle Situation einfügt.
Die Komposition des Baukörpers wird gebildet durch ein dreigeschossiges Eingangsgebäude und einen langgestreckten dreigeschossigen Baukörper entlang der Günzaue. Durch die niedrige Bebauung entlang des Grünzugs und die Gliederung der Fassade durch einen Innenhof entsteht eine angenehm proportionierte Fassade.
Diese Gliederung des Gebäudes resultiert nicht nur aus dem vorhandenen Geländeverlauf, sondern auch aus der aus Sicherheitsgründen funktional notwendigen Trennung der Räume mit unterschiedlichen Sicherheitsanforderungen.
Schon das äußere Erscheinungsbild lässt erahnen, was sich hinter der Fassade verbirgt. Im sogenannten Kopfbau, der wie ein Turm nach oben ragt, ist der öffentliche Bereich mit den Sitzungssälen untergebracht. Der nichtöffentliche Büro- und Verwaltungsbereich befindet sich im langgestreckten Baukörper, der Günzaue zugewandt. Die Tiefgarage wirkt wie ein geschlossener Sockelbereich, wurde aber durch die ausreichende Anzahl an Lüftungsöffnungen als „natürlich belüftet“ realisiert.
Klarer Baukörper
Das neue Amtsgericht ist das erste Passivhaus der bayrischen Justiz. Es besteht aus fünf Geschossen, durch den Geländeversprung tritt der Baukörper jedoch nur als dreigeschossige Bebauung in Erscheinung. Der klare Baukörper, auf der Grundlage eines Modulrasters von 1,25 Metern, weist die gewünschte energetische Kompaktheit eines flexiblen Büro- und Verwaltungsgebäudes auf. Die massive Bauweise unterstützt das Ziel eines klimastabilen Gebäudes. Durch die große Verglasungsfläche wirkt das Gebäude transparent und freundlich. Die Fassade wurde mit

vorgehängten, regionalen Dolomitsteintafeln verkleidet. Das Erscheinungsbild ist klar strukturiert sowie wertig und sorgt für ein repräsentatives Erscheinungsbild des Gebäudes, das dem besonderen Stellenwert eines öffentlichen Justizgebäudes Rechnung trägt.
Der Sonnen- und Blendschutz an der West-. Ost- und Südseite des Gebäudes wird einheitlich über außenliegende Markisen gewährleistet. Auf dem Flachdach ist eine Photovoltaikanlage mit einer Jahresproduktion von etwa 21 000 kWh installiert. Die ressourcenschonende Kälte- und Wärmeerzeugung wurde mit zwei gasmotorisch angetriebenen Wärmepumpen realisiert. Die Heizung und Kühlung des Gebäudes finden über eine oberflächennahe Deckenaktivierung statt.
Vom repräsentativen Vorplatz gelangt der Besucher über den Haupteingang in das Foyer mit Sicherheitsschleuse. Jeglicher Besucherverkehr wird über die Pforte beziehungsweise den Windfang in das Gebäude geführt. Unter Berücksichtigung der geltenden Norm wurden alle Bereiche des Gebäudes, mit Hauptaugenmerk auf den öffentlichen Teil, barrierefrei gestaltet. Die öffentlichen Verhandlungsräume in den Obergeschossen können über die offene Treppe sowie den Aufzug erreicht werden. Das Oberlicht gewährleistet in Verbindung mit dem Luftraum eine weitgehend natürliche Belichtung und unterstützt angemessen den repräsentativen Charakter des Gerichtsgebäudes.
Einen weiteren Blickfang bildet die Kunst am Bau. Die Arbeit „Alles was Recht ist“ der Augsburger Arbeitsgemeinschaft LAB BINEAR und Felix Weinold überzeugt durch ihren künstlerischen Ansatz. Auf einer runden Scheibe ist eine große Anzahl Libellen, wie sie üblicherweise in Wasserwaagen zum Einsatz kommen, angebracht. Durch die langsame Drehung ergibt sich ein ständig wechselndes Bild. Die Arbeit setzt sich damit auf subtile Weise mit der Themenstellung der Rechtsprechung auseinander und regt zum Nachdenken über den Begriff der Gerechtigkeit an. Durch die grünen Libellen und die Drehung der Scheibe entsteht ein intensiver Kontrast des Kunstwerks zur ruhigen Massivität und Materialität der Architektur des Gebäudes.
Für die Materialwahl der Oberflächen im Innenbereich wurden hinsichtlich der Nachhaltigkeit größtenteils natürliche Materialien wie Holz und Naturstein gewählt. Sowohl in den öffentlichen Abschnitten als auch im Verwaltungstrakt konnten Bereiche mit unterschiedlichen teils repräsentativen Aufenthaltsqualitäten geschaffen werden. Das Amtsgericht Günzburg erhält mit diesem 16,2 Millionen Euro teuren Neubau ein modernes Gebäude, das allen Ansprüchen einer guten Arbeitsatmosphäre genügt. (
Bernd Wenninger)
(Das neue Amtsgericht in Günzburg und die offene Treppe - Fotos: Matthias Sienz, Kempten)
Kommentare (0)
Es sind noch keine Kommentare vorhanden!