Bauen

Die Blauen Häuser sind ein gutes Beispiel für neues Bauen in Davos. (Foto: Wiegand)

03.01.2014

Das Mekka der Flachdächer

Architekturrundgang durch Davos

Der Blick auf Davos verblüfft: Flachdach neben Flachdach. Sind das Bausünden der 1970er Jahre? Keineswegs. „In Davos wurde das alpine Flachdach erfunden und ist zum Markenzeichen geworden. Wegen des Schneereichtums sind hier Flachdächer Vorschrift, niemand soll durch Dachlawinen zu Schaden kommen,“ erklärt Experte Peter Levy. Vor allem Architekt Rudolf Gaberel (1882 bis 1963) setzte sich für das unterlüftete Flachdach als ideale Dachform für das Hochgebirgsklima ein. Regen- und Schmelzwasser werden in einem zentralen Kanal in der Hausmitte abgeleitet. Gaberel propagierte außerdem das „Neue Bauen“ in kubischen, ornamentlosen Formen. Die Folge waren moderne Sanatorien mit großen Fenstern, die zugunsten der Lungenkranken Licht und Sonne ins Haus ließen.
Die Sanatoriumsgestaltung gilt gar als Vorläufer der Bauhausarchitektur. Andererseits zeigt das schon 1900 errichtete Luxussanatorium Schatzalp, eine der ersten Beton-Stahl-Konstruktionen der Schweiz, eine fröhliche Verbindung von Jugendstil und Flachdach. Seit 1954 fungiert es als Edel-Berghotel.
Andere folgten Gaberels Ideen, wie zum Beispiel die „Blauen Häuser“ von Architekt Karl Overhoff aus den Jahren 1932/1933. Klar gegliedert und schnörkellos sind auch die Bauten auf dem 2662 Meter hohen Weissfluhjoch im Skigebiet Davos Parsenn. So das 1942 errichtete graue Eidgenössische Institut für Schnee und Lawinenforschung (heute SLF-Institut) und das Bergrestaurant gleich daneben. Ausnahmen machen jedoch die Kirchen. Spitzenreiter ist wortwörtlich der 72 Meter hohe Turm von St. Johann in Davos Platz, der über die Flachdächer emporragt.
Ihre jahrhundertealten Formen bewahren auch die Bauernhäuser in der früheren Walsersiedlung von Klosters Dorf. Die haben abgeschrägte Dächer, denn Schnee hat Gewicht. An einem der altersdunklen Holzhäuser steht: „Hab Ehrfurcht vor dem Alten und Mut, das Neue zu wagen.“ Das hat sich Davos ohnehin auf die Fahnen geschrieben, nicht nur auf die vieler Nationen auf dem mehrfach vergrößerten Kongresszentrum. Den ersten Bau schuf 1969 der Architekt Ernst Gisel, die letzte Erweiterung konzipierte der Baseler Architekt Heinrich Degelo, insbesondere wegen des Weltwirtschaftsforums, zu dem jeden Januar rund 2000 illustre Teilnehmer anreisen. 37,8 Millionen Franken ließ sich Davos, die höchstgelegene Kongressstadt Europas, die im November 2010 beendete Erweiterung kosten.
Vier Kuben fürs Museum
Mut zeigte man auch bei der Auftragsvergabe für das Kirchner Museums Davos. Das damals kaum bekannte Zürcher Architektenduo Annette Gigon & Mike Guyer – seither weithin tätig – erhielt 1989 den Zuschlag. Im September 1992 war das lichte Gebäude fertig. Ausgehend von den Klima- und Lichtverhältnissen sowie der Davoser Flachdacharchitektur entwarfen die beiden vier Kuben (die Ausstellungssäle), verbunden durch eine verzweigte Wandelhalle mit Aussicht. Breite Fensterfronten bieten einen Blick in die Bergwelt. Aus Glas, Beton, Stahl und Holz schufen sie dieses aufs Wesentliche reduzierte Gebäude und damit die passende Hommage für den deutschen Expressionisten Ernst Ludwig Kirchner, der von 1918 bis 1938 dort lebte und malte. Seine bunten Davos-Bilder von 1925 erinnern an das damalige Städtchen.
In der Nähe fällt ein Bau mit geschwungenem Dach auf, die Vaillant Arena, seit 1979 Heimstatt des bekannten Eishockeyclubs HC Davos. Beim Innenausbau setzte der Davoser Architekt Urs Krähenbühl entgegen dem damaligen Glas- und Stahltrend auf den heimischen Werkstoff Holz. Diese Halle kann sich echt sehen lassen.
So bietet das zunächst nüchtern wirkende Davos bei genauerem Hinsehen viel wegweisende Architektur und verfügt mit dem Kirchner Museum über ein zeitgenössisches Juwel, das zum Vorbild moderner Museumsbauten geworden ist. (Ursula Wiegand)

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