Bauen

Werner Weigl. (Foto: Privat)

22.06.2022

"Das Ungleichgewicht ist offensichtlich"

Kammer-Kolumne: Werner Weigl, 2. Vizepräsident der Bayerischen Ingenieurekammer-Bau, über Auftraggeber, die bei Bauprojekten oftmals alleine am Tisch sitzen

Eine illustre Phalanx unterschiedlichster Akteure, zum Beispiel aus Rechtsberatung, Bauindustrie, aber auch aus der planenden Branche und der Politik, will, angeführt von „Kapellmännern“, öffentlichen und privaten Auftraggebern vorspielen, dass modernes, günstiges und vor allem termin- und kostengerechtes Bauen nur noch mit neuen Modellen der „Zusammenarbeit“ zu erreichen sei. Die Ansätze reichen von Generalplaner- und Totalunternehmermodellen bis hin zur Integrierten Projektabwicklung. Man suggeriert, die derzeitigen Modelle zur Abwicklung von Baumaßnahmen ließen den Einsatz beispielsweise von BIM oder die Innovationskraft aller Akteure nicht zu oder schöpften deren Potenziale nicht aus.

Allein ein Blick auf die Realität beweist etwas anderes: Der überwiegende Teil von Bauprojekten unterschiedlichster Größenordnung und Komplexität wird trotz Zeit- und Kostendruck auch mit klassischen Methoden und Modellen im Termin- und Kostenrahmen realisiert. Der Einsatz modernster Planungsinstrumente, zukunftsweisender Technologien und innovativer Lösungen mit modernen Baustoffen, modularer Konzepte und Nachhaltigkeit inklusive. Trotz Trennung von Planen und Bauen, trotz Planungsteams aus einzelverantwortlichen Fachingenieuren und Architekten, trotz losweiser Vergabe.

Auf Auftraggeberseite ist sicher die Vorstellung, mit nur einem Ansprechpartner ohne Koordinationsaufwand Kosten und Termine garantiert zu bekommen, verlockend. Aber ohne eine exakte Definition des Leistungssolls ist jede Kosten- oder Termingarantie das Papier, auf dem sie steht, nicht wert. Zum anderen wird kein vernünftig kalkulierender Auftragnehmer Koordinationsaufwand und Risiken, die in seine Sphäre verlagert werden, nicht auch entsprechend einpreisen. Zweistellige Generalunternehmerzuschläge sind Ausdruck dessen.
Auf der anderen Seite: Komplexe Vertragsmuster eröffnen neue Geschäftsfelder für die juristische Zunft und halten Konkurrenz vom Leib. Unternehmen ohne entsprechende Strukturen in Marketing, Vertrags- und Rechtsabteilungen können nicht mit Erfolg am Markt teilnehmen. Eine Einengung des Marktes ist die Folge, klein- und mittelständische Marktteilnehmer drohen auf der Strecke zu bleiben.
Dabei wird der Mittelstand auf planender und ausführender Seite bereits bei „klassischen Modellen“ von den immer komplexer werdenden Vergabeverfahren gebeutelt. Falls – wie zu erwarten – künftig auch noch alle Planungsleistungen rund um ein Projekt bei der Ermittlung des Auftragswerts zusammengezählt und europaweiten Vergabeverfahren unterzogen werden müssen, werden gerade die „kleinen“ Planungs- und Bauaufgaben für die große Masse der kleinen Büros und Handwerksbetrieben fast unerreichbar.

Die KMUs geraten also immer mehr in die Zange. Dabei schaffen gerade die kleinteiligen Strukturen einen Mehrwert. Sie bilden den überwiegenden Teil des Nachwuchses aus, stellen hochqualifizierte Arbeitsplätze in allen Regionen sicher. Inhabergeführt haben sie nicht den schnellen Erfolg im Blick, sondern eine langfristige, krisensichere Unternehmensentwicklung. Regional verankert stellen sie sich der Verantwortung in den Regionen und leisten so einen herausragenden Beitrag zur Regional- und Landesentwicklung.

Doch zurück zum Ausgangspunkt: Die Verlagerung von Kompetenzen und Verantwortlichkeiten in der Projektabwicklung erfordern auf Auftraggeberseite immer neuen Beratungsbedarf von der Definition des Leistungssolls, der Vertragsgestaltung, über die Projektbegleitung bis hin zur Qualitätssicherung.

Im „klassischen Modell“ der Trennung von Planung und Ausführung mit Fachplaner und Architekt als freiberuflichen Treuhändern auf seiner Seite hat der Auftraggeber dies qua Modell inkludiert. Alle arbeiten in seinem Auftrag. Alle sind dem Auftraggeber direkt verantwortlich. Alle vertreten dessen Interessen.

Zu bedenken ist außerdem: Bereits bei der Vergabe der Planung an einen Generalplaner sind die Fachingenieure nicht mehr Sachwalter des Auftraggebers, sondern Subunternehmer des Generalplaners. Spätestens bei der Vergabe an einen Totalunternehmer sitzt der Auftraggeber alleine auf „seiner Seite“ des Tisches. Planer und Fachingenieure vertreten die Interessen des sie beauftragenden Totalunternehmers. Das Ungleichgewicht ist offensichtlich.

Damit will ich neuen Ansätzen und Modellen nicht generell ihre Sinnhaftigkeit absprechen. In besonderen Fällen haben diese durchaus ihre Berechtigung. Aber eben nur dort.

 

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