Bauen

Die neue Klinik. (Foto: Bezirkskliniken Schwaben)

11.04.2014

Die Außenhaut sichert

Die neue Klinik für Forensische Psychiatrie und Psychotherapie in Günzburg

Die Zeiten von hohen Zäunen und Nato-Draht sind vorbei. Im Laufe des Aprils 2014 geht die neue Forensische Klinik auf dem Gelände des Bezirkskrankenhauses (BKH) Günzburg in Betrieb. Das 96-Betten-Haus kostete 23 Millionen Euro. Der Freistaat ist nicht nur Auftraggeber, sondern mit fast 100 Prozent auch der Geldgeber. Das neue Gebäude für den Maßregelvollzug soll die Sicherheitslage verbessern und den Druck innerhalb der Einrichtung abbauen. Dadurch sei eine Therapie besser möglich, ist sich die Ärztliche Direktorin Manuela Dudeck sicher.
Für Patienten der Klinik für Forensische Psychiatrie und Psychotherapie stand bisher das Haus 44 zur Verfügung. Das Gebäude stammt aus dem Jahr 1915 und wurde für den Maßregelvollzug provisorisch umgebaut. Als sich die Zahl der Patienten rasch verdoppelte und ab 2000 die Zahl der Entweichungen und regelrechten Ausbrüche deutlich zunahm, bestand Handlungsbedarf: „Der bauliche Standard und die organisatorische Ausrichtung des BKH waren den neuen Herausforderungen nach den Änderungen des Bayerischen Justizvollstreckungsplans nicht mehr gewachsen“, blickt Thomas Düll, Vorstandsvorsitzender der Bezirkskliniken Schwaben, zurück.

Roter Kopfbau


Am Rande des BKH-Geländes in Sichtweite des Reisensburger Schlosses entstand schließlich ein Neubau. Düll ist der festen Überzeugung, „dass das architektonische und forensisch spezifische Gesamtkonzept unserer neuen Klinik noch für Furore sorgen wird“. Für die Bezirkskliniken als Bauherrn ist der Neubau eines der größten Bauvorhaben am Standort Günzburg seit Jahrzehnten.
Die neue Forensik besteht aus einem Kopfbau (rot), in dem sich der Eingangsbereich und die Sicherheitszentrale befinden. Daran schließen sich die Stationen, Arzt-, Aufenthalts- und Therapieräume an (schwarz). Das Gebäude ist 120 Meter lang und am Kopfbau 60 Meter breit. Die Bruttogeschossfläche beträgt 8000 Quadratmeter, der umbaute Raum 34 000 Kubikmeter. Das Gebäude steht auf Bohrpfählen und 994 Rüttelstopfsäulen, die etwa fünf Meter weit ins Erdreich ragen. Im Abstand von 1,50 Metern liegen sie im Boden – wie ein Nagelbrett unter dem Gebäude. Es gibt 225 Fenster und Außentüren sowie 397 Innentüren. Man kann nach außen Richtung des Günzburger Stadtteils Reisensburg blicken, auf das BKH-Gelände oder in die beiden Innenhöfe schauen.
Nichts ist vergittert. „Die Sicherung erfolgt durch die Außenhaut“, beschreibt Architekt Martin Feldengut von der Bezirksbau- und Service-GmbH das Konzept. Die Fenster seien ein- und ausbruchssicher. Der Neubau hat keinen Stacheldraht, dafür eine Unmenge an Sicherheitstechnik.
Es gibt vier baugleiche Stationen mit je 24 Betten, unterteilt in drei Gruppen mal acht Betten. „Zum einen entsteht so eher eine Wohngruppenatmosphäre. Zum anderen kann eine kleinere Gruppe besser isoliert werden, was nicht zuletzt aus Brandschutzgründen gut ist“, erklärt der Architekt. Überall gibt es Zweibettzimmer. Die einzelnen Stationsstützpunkte sind intern miteinander verbunden, falls das Personal schnell von einem zum anderen Ort im Haus laufen muss. Jede Gruppe hat eine Küche und einen Aufenthaltsbereich, ein Fernsehzimmer und einen Raucherbalkon. Dort hängt ein Zigarettenanzünder, der aus Sicherheitsgründen ohne offene Flamme funktioniert – wie im Auto. „Man steht hier quasi im Freien, kann aber trotzdem nicht raus“, so Feldengut.
Ärzte und Therapeuten haben eigene Räume. Im Untergeschoss befindet sich die Ergo- und Arbeitstherapie. Es gibt eine Turnhalle mit Gymnastikraum sowie zwei Innenhöfe, wovon einer ein Sporthof ist, auf dem zwei Basketballkörbe stehen. Er ist umgrenzt von bis zu 8,50 Meter hohen Mauern, zusätzlich gesichert mit einem speziellen Übersteigschutz. Der gesamte Neubau ist atriumartig aufgebaut. Angeliefert wird über eine besonders gesicherte Fahrzeugschleuse. Dort kommen auch die Patienten an. Im ganzen Haus gibt es nur drei Ein- und Ausgänge.
Plexiglasscheiben, bunte Farben und ein Garten, der auf allen vier Seiten von Gebäuden umgeben ist und somit einem Atrium gleicht, lassen keine Gefängnisatmosphäre aufkommen. „All das soll dafür sorgen, dass die Spannung aus den Räumen herausgenommen wird“, sagt Dudeck.
Für den Neubau mussten fünf klinikeigene Gewächshäuser weichen. Sie wurden für 1,5 Millionen Euro durch zwei neue, größere ersetzt. Die neue Gärtnerei wird nun als Therapiebetrieb des BKH geführt. Die Rohbaufirma Lutzenberger aus Pfaffenhausen (Kreis Unterallgäu) hat in sieben Monaten 6000 Kubikmeter Beton verbaut. Allein für den Dachstuhl wurden insgesamt 65 Kubikmeter Holz benötigt. Die Länge der Sparren und Pfetten ergibt 3400 Meter.
Im Juni 2011 war Grundsteinlegung, im November wurde Hebauf gefeiert und zwei Jahre später die Einweihung. Der Umzug geschieht nicht auf einmal, sondern sukzessive. „Die Patienten werden entsprechend ihrer Lockerungsstufe vom Haus 44 in das neue Haus 58 gebracht“, so Dudeck.
(Georg Schalk) (Die Küche; Blick in ein Zimmer und der Raucherraum - Fotos: Bezirkskliniken Schwaben)

Kommentare (1)

  1. Ant am 25.05.2019
    Protzbau für hoffnungslose Fälle armes Deutschland . Sicher geht es auch billiger?
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