Wenige Tage, bevor in Schloss Meseberg die Regierungskoalition stolz den Bürokratieabbaubooster verkündete, knickt die Bundesregierung vor der EU-Kommission und dem anhängigen Vertragsverletzungsverfahren ein. Verpackt in das e-forms Verordnungspaket strich das Bundeswirtschaftsministerium den §3 Absatz 7 Satz 2 VgV: „Bei Planungsleistungen gilt dies nur für Lose über gleichartige Leistungen“.
Mit fatalen Folgen: Konnten bislang Planungsaufträge an Ingenieure und Architekten bis 215 000 Euro pro Leistungsbild bei getrennter Vergabe nach nationalem Vergaberecht erteilt werden, ist nach dem Streichen von Satz 2 ein Zusammenzählen aller Dienstleistungen, die in „funktionalem Zusammenhang“ stehen, notwendig. Also: Architektur, Tragwerksplanung, Haustechnik, Vermessung usw. Im Ergebnis führt dies dazu, dass nahezu sämtliche Planungsleistungen für Bauprojekte ab etwa einer Million Euro Baukosten europaweit auszuschreiben sind.
Ein Aufwand, der für dann zu vergebende Leistungen mit Honorarvolumina im fünfstelligen Bereich weder auf Auftraggeber- noch auf Auftragnehmerseite zu leisten ist – ein echter Bürokratiebooster.
Ein weiterer Sargnagel
für die kleinen Büros
Diese Dienstleistungen, die das Brot- und Buttergeschäft für unsere kleinteilige, regional strukturierte Planungswirtschaft sind, konnten die öffentlichen Auftraggeber bislang national nach den jeweiligen Vergabevorschriften vergeben. Die neue Regelung ist damit ein weiterer Sargnagel für die kleinen Büros, die bislang schon Probleme hatten, im europaweiten Vergabeverfahren den Aufwand zu stemmen und in Konkurrenz mit großen Einheiten zu bestehen. Die kleinteilige und regionale Struktur der Ingenieur- und Architekturbüros steht vor dem Aus.
Aufgrund des Aufschreis aller Beteiligten auf Auftraggeber- und Auftragnehmerseite sollten zur Veröffentlichung der Verordnung im Bundesgesetzblatt – und damit ihrem Inkrafttreten – klarstellende Hinweise aus dem Bundeswirtschaftsministerium folgen, wie die negativen Folgen abgemildert werden können. So jedenfalls steht es im Entschließungsantrag, den der Bundesrat im Frühjahr beschloss.
Doch weit gefehlt: Die sogenannten klarstellenden Hinweise sind noch unklarer formuliert als die eigentliche Begründung im Verordnungsentwurf, untauglich als Begründung für eine rechtssichere Vergabe und damit das Papier, auf dem sie gedruckt sind, nicht wert.
Dabei wurde in der Verordnungsbegründung schon ein möglicher Königsweg aufgezeigt, die Betrachtung der Bauaufgabe als Gesamtprojekt. Wenn schon das Zusammenzählen aller Leistungen, die mit einem Bauprojekt in funktionalem Zusammenhang stehen, erforderlich wird, warum dann nicht konsequenter Weise auch die Bauleistung selbst mit hinzuzählen. Zweifellos besteht ja zwischen den Planungen für ein Bauprojekt und dem, was nach diesen Plänen gebaut wird, ein funktionaler Zusammenhang.
Dann wird aber die Bauleistung die Hauptleistung und damit zur Schwellenwertbetrachtung maßgeblich. Eine europaweite Ausschreibung ist dann erst ab einem Projektvolumen von rund 5,3 Millionen Euro notwendig. Die Schwellenwertbetrachtung schließt dabei keineswegs eine losweise Vergabe von Bau- und Planungsleistungen aus. Das war bislang auch bei den Bauleistungen schon so geregelt. Wenn also nun ein Bauprojekt unterhalb des Schwellenwertes liegt, könnten die Bau- und Planungsleistungen sowie einzelne Leistungsbilder losweise national vergeben werden. Für die Vergaben gilt dann das nationale Vergaberegime.
Das darf auch Brüssel nicht stören. Die Binnenmarktrelevanz der kleinen Planungs- und Bauleistungen ist nicht gegeben. Das zeigt der vernachlässigbare Anteil von Bewerbern aus anderen EU-Ländern.
Alles, was es braucht, ist ein entschlossenes Vorgehen des Bundeswirtschaftsministeriums und klare, rechtssichere und vor allem eindeutige Anwendungshinweise für die öffentlichen Auftraggeber anstatt im vorauseilendem Gehorsam nach Brüssel zu schielen. Es gilt, den kleinteiligen und – wie sich bisher überwiegend herausgestellt hat – resilienten Strukturen auf Auftraggeber- und Auftragnehmerseite eine Basis zu erhalten. Entsprechend hat die Bundesingenieurkammer dem Bundeswirtschaftsministerium ein Schreiben geschickt, welches statt klarstellender Hinweise eine praxisgerechte Lösung aufzeigt.
Und den Bedenkenträgern aus der juristischen Fraktion sei ihr eigener Schwellenwert von 750 000 Euro mit ins Gedächtnis gerufen.
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