Bauen

Die Hauptgrotte mit See in blauer „Capri-Beleuchtung“ und mit Regenbogen sowie Wasserfall. (Foto: Bayerische Schlösserverwaltung, Maria Scherf, Veronika Freudling)

30.05.2025

"Ein Bauwerk, das seinesgleichen sucht“: Die Sanierung der Venusgrotte des Schloss Linderhof ist abgeschlossen

So gelang die Instandsetzung eines der wichtigsten bayerischen Tourismus-Hotspots

"Ein Bauwerk, das seinesgleichen sucht“, so berichtete der Wiener Local-Anzeiger der Presse am 19. Dezember 1878 über die Venusgrotte im Schlosspark Linderhof. Das einzigartige Bauwerk in Form einer künstlichen Tropfsteinhöhle erregte schon kurz nach seiner Fertigstellung besondere Aufmerksamkeit – eine Faszination, die bis heute anhält.

Der bayerische Monarch Ludwig II. hatte die Grotte ab 1875 durch Hofbaudirektor Georg Dollmann und den Landschaftsplastiker August Dirigl errichten lassen. Inspiration bot dem königlichen Bauherrn einerseits der erste Akt der Oper Tannhäuser von Richard Wagner, andererseits das Motiv der blauen Grotte von Capri. Im 19. Jahrhundert war sie das wohl größte Bauwerk ihrer Art, ein Höhepunkt der Illusionsarchitektur und ausgefeilter Inszenierungskünste. Hierfür ließ sich die Grotte in verschiedenen Farben künstlich beleuchten, wofür eines der ersten Elektrizitätskraftwerke der Welt geschaffen wurde. Als einzigartiges Zeugnis ihrer Zeit kann die Venusgrotte als Vorläufer einer Illusionskunst betrachtet werden, die sich im 20. Jahrhundert mit modernen Medienwelten wie Kino und 3D-Animationen bis heute fortsetzt – analoge Virtual Reality gewissermaßen.

Die Konstruktion der etwa 90 Meter langen und bis zu 14 Meter hohen Venusgrotte war dabei innovativ: 1,70 Meter dicke Kalkbruchsteinwände, einzelne Säulen aus Bruchstein oder Gusseisen und ein weit gespanntes Gewölbe aus Ziegelmauerwerk bilden die massive, tragende Außenschale der Hauptgrotte. Sie wurde außen mit flüssigem Teer abgedichtet und anschließend mit Erde überfüllt, im Inneren hängte man eine filigrane Innenschale ein.

Damit sie Tropfsteinen und Felsformationen glich, bespannte man ein Eisengeflecht mit Sackleinen, versah es mit Putz und modellierte diesen meisterhaft in vielfältige, naturgetreue Formen. Abschließend fasste man die Oberflächen farbig und versah sie partiell mit Muskovit – ein glitzerndes Mineral –, wodurch zusammen mit der wechselnden farbigen Beleuchtung glänzende Effekte erzielt wurden.

Schon kurz nach der Fertigstellung traten gravierende Feuchtigkeitsschäden auf: Hangwasser, durchlässige Abdichtungen des Gründachs und Feuchtigkeit von See und Wasserfall führten zur Korrosion der filigranen Strukturen. Zudem war im Laufe der Zeit das ursprüngliche, authentische Erscheinungsbild verändert worden, von der ehemals modernen Technik war nichts mehr zu spüren. Bodenbeläge und Teilbereiche der Grottenschalenoberfläche waren verfälscht, die Lichtführung entsprach nicht mehr dem historischen Konzept. Von der originalen Ausstattung waren nur noch Reste vorhanden.

Eine umfassende Gesamtinstandsetzung war daher dringend erforderlich. Die Planungen mit intensiver Archiv- und Bauforschung begannen im Jahr 2007, im August 2015 konnten die ersten Maßnahmen im Außenbereich starten. Ab 2017 wurde die Grotte für den Besichtigungsbetrieb geschlossen und die Bauarbeiten auf den Innenraum erweitert. Ziel war es, das einzigartige Baudenkmal und die Integrität des Raumkunstwerks Venusgrotte dauerhaft zu erhalten und für die Besucherinnen und Besucher wieder möglichst authentisch und uneingeschränkt erlebbar zu machen.

Von elementarer Bedeutung waren Maßnahmen zur Verringerung der Feuchtigkeit: Eine unterirdische Sperrmauer mit Drainagen schützt nun vor Hangwasser, ergänzt durch eine moderne raumlufttechnische Anlage zur Regulierung der Luftfeuchtigkeit. Der ursprünglichen Idee entsprechend wurde das provisorische Dach durch eine Begrünung ersetzt.

Die statische Ertüchtigung des Tragwerks erforderte ebenfalls umfassende Eingriffe, insbesondere bei der Hängung der Innenschale und bei zwei historischen Gusseisenstützen, die als Tropfstein-Formationen getarnt sind. Eine der Stützen steht im See – ihre statische Ertüchtigung war ein ingenieurtechnisches Meisterstück, das spezielle Hochleistungsmörtel und maßgefertigte Verstärkungsschalen erforderte. Die vom Landschaftsplastiker Dirigl entwickelte filigrane Konstruktion der Innenschale aus Eisengeflecht und Romanzement ist absolut einzigartig – es gibt also kein Vergleichsbeispiel, das als Vorbild für die Restaurierung hätte dienen können. Es musste eine neue, spezielle Reparaturtechnik entwickelt werden, die aufwendige Forschungsarbeiten erforderte. Nur mithilfe einer intensiven interdisziplinären Zusammenarbeit zwischen Restauratoren, Architekten und Ingenieuren konnte auch die statische Ertüchtigung dieser speziellen, einzigartigen Konstruktionsweise erreicht werden.

Die schönste Herausforderung war aber die mehrfarbige elektrische Beleuchtung der „Illusionsmaschine Venusgrotte“ – wohl die erste weltweit. Um einen Eindruck von der ursprünglichen Beleuchtung zu bekommen, war zunächst der Nachbau einer historischen Lichtbogenlampe nötig, mit wassergekühlten Vorsatzscheiben aus farbigem Glas. Die Anzahl der ursprünglich vorhandenen Lichtbogenlampen und deren Standorte konnten genau ermittelt werden, ebenso die verwendeten Lichtfarben. Der in der Venusgrotte vorhandene Regenbogenapparat war leider verloren gegangen.

Im Technischen Kabinett der Leipziger Oper hatte sich noch ein letztes baugleiches Exemplar erhalten. Durch einen Nachbau erhalten Besucherinnen und Besucher nun einen authentischen Eindruck des Regenbogens, so wie ihn König Ludwig II. sah. Auch bei der blauen Capri-Beleuchtung war das Ziel, diese so zu präsentieren, wie der Monarch sie einst erlebte, auch wenn er offenbar nie ganz zufrieden damit war. Das Seewasser der Venusgrotte ließ sich mit den damaligen Mitteln nie so blau beleuchten wie in Capri. Ziel des neuen Lichtkonzepts war eine Annäherung an die ursprüngliche „Lichtillumination“ der Königszeit, jedoch mit heutiger Technik, angepasst für den Besichtigungsbetrieb.

Im Vergleich zu vorher bekommen die Besucher nach der Restaurierung nun einen authentischen Raumeindruck wie zu Ludwigs Zeiten, ohne Schäden an der Tropfsteinoberfläche und ungestört von Schutzgerüsten und Schutznetzen. Die neue Beleuchtung erhellt den Grottenraum wieder, wie ursprünglich, in verschiedenen Rot- und Blautönen. Die wiederhergestellte Muskovitfassung gibt der Raumschale ihren glitzernden und schimmernden Eindruck zurück. Farbige Beleuchtungsbecken im Ein- und Ausgangstunnel, die rekonstruierten leuchtenden Lotusblüten und der über dem Gemälde aufgehende Regenbogen ergänzen den Lichteindruck.

Originale Wellenmaschine

Eine leichte Wellenbewegung auf dem See, erzeugt von der wieder aktivierten originalen Wellenmaschine, verstärkt bei der blauen Beleuchtung den magischen Capri-Grotteneffekt. Neben dem Muschelkahn mit rekonstruierten Sitzen für König und Ruderer fallen besonders die beiden wiederhergestellten „Königssitze“ ins Auge: Der Muschelthron mit einer riesigen vergoldeten Muschel als Rückenlehne und der Kristallthron – nun wieder mit allen Kristallen und dem fast 4 Meter hohen Korallenbaum – boten einst Ludwig II. ideale Blickpunkte in die Venusgrotte. Astwerkgeländer und Rosensträucher wurden ergänzt und neue Blumengirlanden gemäß historischen Vorlagen aufgehängt. Das 46 Quadratmeter große Tannhäuser-Gemälde hat nach der Restaurierung seine ursprüngliche Farbigkeit wiedergewonnen.

Nach fast zehn Jahren Bauzeit konnte die Venusgrotte im April 2025 feierlich wiedereröffnet werden. Vorausgegangen war eine Restaurierung nach höchsten denkmalfachlichen Standards, mit einer Mischung aus handwerklicher Restaurierung, modernsten Techniken, künstlerischen Fertigkeiten aber auch viel „Kopfarbeit“, also intensiver, sorgfältiger Planung. Möglich wurde dies nur durch die Zusammenarbeit zahlreicher Spezialistinnen und Spezialisten – ihnen allen gebührt großer Dank für die Rettung dieses einzigartigen Raumerlebnisses, das auch heute noch „seinesgleichen sucht“. (Martin Bosch)

 

 

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