Bauen

Der Innenhof der Volksmusikakademie mit dem neuen Bettentrakt. (Foto: Josef Aigner)

14.06.2019

Ein Haus für Musik und Tanz

Die neue Volksmusikakademie in Bayern hat ihren Betrieb aufgenommen

Die Volksmusikakademie in Bayern mit Sitz in der Kreisstadt Freyung (Landkreis Freyung-Grafenau, Bezirk Niederbayern) im Bayerischen Wald ist eine zentrale musikalische Fortbildungs- und Begegnungsstätte mit dem Schwerpunkt „traditionelle Volksmusik“. Nach dreijähriger Bauzeit wurde Mitte Mai 2019 die Eröffnung dieses für die Stadt Freyung größte Bauprojekt seit fast 30 Jahren gefeiert. Gut 13 Millionen Euro hat die Volksmusikakademie gekostet, rund sieben Millionen kamen vom Freistaat Bayern über die Städtebauförderung, 150 000 Euro für die Ausstattung aus der Leaderförderung, das mögliche Defizit im laufenden Betrieb bezuschusst der Bezirk Niederbayern mit bis zu 400 000 Euro jährlich inklusive dem künstlerischen Leiter. Mit diesem Bauvolumen war es 2018 das größte Städtebauförderprojekt in Niederbayern, von dessen langfristiger Wirkung die gesamte Region nachhaltig profitieren dürfte.

Der Begriff Akademie bezieht sich auf das ganzjährige Seminar- und Kursangebot rund um den breit gefächerten Themenkomplex Volksmusik, das vor Ort konzeptioniert und angeboten wird. Die vielfältigen Veranstaltungen richten sich gleichermaßen an Laien- sowie Profimusiker, Solisten und Ensembles, Einsteiger oder Fortgeschrittene, vom Kindes- bis zum Seniorenalter.

Neuer Bettentrakt

Daneben können die vorhandenen Räumlichkeiten unter anderem aber auch von Instrumental-, Gesang- und Tanzgruppen, Chören oder Orchestern sowie Schulklassen für Fortbildungs- oder Probentage gebucht werden. Auf Wunsch wird den Gästen durch die Akademieleitung ein maßgeschneidertes Programm angeboten, das von Singen, Tanzen oder Musizieren mit renommierten Referenten bis hin zu Ausflügen in die Umgebung des Bayerischen Waldes reicht.

Verwaltungsleiterin Monika Seibold und der musikalische Leiter Roland Pongratz schaffen zusammen mit ihrem Team und einem beratenden Kuratorium den organisatorischen Rahmen dafür, dass sich die Volksmusikakademie in Bayern neben den Musikakademien in Alteglofsheim, Marktoberdorf und Hammelburg zu einem wichtigen Kristallisationspunkt im bayerischen Musikleben entwickelt. Mit ihrer Ausrichtung auf die überlieferte Volksmusik hat die Volksmusikakademie ein Alleinstellungsmerkmal im gesamten Bundesgebiet.

Insgesamt bietet die Volksmusikakademie 13 klang- und schalloptimierte Proberäume, deren Größe und Ausstattung perfekt auf die Anforderungen von Musikanten, Sängern und Tänzern zugeschnitten sind. Im Erdgeschoss des ehemaligen historischen Rösser-stadls, der im Zuge der Umbaumaßnahmen von 2017 bis 2019 komplett saniert wurde, lädt ein auf Granitsäulen gestützter Gewölbesaal zu gemütlichen Stunden ein.

Daneben wurde auf dem rund 5600 Quadratmeter großen Areal im Herzen der Stadt Freyung ein Bettentrakt neu gebaut, in dem zwölf Zimmer mit insgesamt 48 Betten für Übernachtungsgäste bereitstehen – barrierefrei, wie die gesamte Volksmusikakademie in Bayern. Weitere Gäste können in den städtischen Hotels und Pensionen in fußläufiger Entfernung untergebracht werden.

Seit 1875 diente der Rösserstadl – heute das Herzstück der Akademie – als Lagergebäude und Pferdestall der benachbarten Brauerei Lang. Im Rahmen des Ausbaus Freyungs zur Garnisonsstadt kaufte der Freistaat 1959 das Gebäude, die Bundeswehr nutzte es in der Folge als Materiallager. Die ursprünglichen Pläne für eine neue Standortverwaltung in den Räumlichkeiten wurden verworfen, sodass die Stadt Freyung 1998 schließlich das gesamte Areal erwarb. Seither verharrte es in einem Dornröschenschlaf und wurde nur kurzzeitig etwa als Jugendtreff genutzt.

Wegen seiner Fachwerk-Architektur samt Bruchsteinfassade und dem 30 Meter langen Gewölbesaal im Erdgeschoss schätzten Städteplaner schon früh die baulichen Qualitäten des Hauses. Daneben trug auch die Lage im Zentrum der Kreisstadt Freyung dazu bei, dass Bürgermeister Olaf Heinrich das Areal mit einer überregional bedeutenden Einrichtung wieder zum Leben erwecken wollte.

2014 nahm die Idee einer Volksmusikakademie Gestalt an. Für die Architekten, Planungsbüros und zahlreichen Handwerksbetriebe stellte das Projekt allerdings eine große Herausforderung dar, denn es galt, den historischen Kern zu bewahren und dennoch den modernen Anforderungen hinsichtlich Energetik – und wegen der Nutzung – speziell auch der Aktustik und des Schallschutzes gerecht zu werden. Das Innenleben des Hauses verwandelte sich in ein „Haus-in-Haus-Gebäude“ – außen historisch, innen hightech.

Schwarze Innenwände

Besonders fällt wegen seiner in schwarz gehaltenen Innenwände der größte Probenraum, der Schwarze Bua (wie alle anderen Räume nach überlieferten Zwiefachen-Melodien benannt) ins Auge, der in seiner Akustik der des Mozarteums in Salzburg gleicht und so auch Ton- und Filmaufnahmen in bester Qualität ermöglicht.
Die Reaktivierung von Gebäuden in innerstädtischen Lagen ist nicht nur städtebaulich sinnvoll; sie bietet allen Beteiligten die Möglichkeit, neben einer neuen Nutzung auch gestalterisch etwas Neues zu schaffen, was sonst in Zentrumsnähe schnell an mangelnden Flächen scheitert. Die Volksmusikakademie in Freyung ist ein gutes Beispiel dafür, wie ein Gebäude, dessen ursprünglich geplante Nutzung schon ein Jahrhundert zurückliegt, einer neuen Nutzung – hier als Veranstaltungslocation – zugeführt werden kann.

Was mit einer Nutzungsänderung von Gebäuden immer mit einhergeht ist die notwendige bauordnungsrechtliche Zustimmung. Und in diesem Zusammenhang spielt der Brandschutz natürlich eine wichtige Rolle. Architekten und Planern ist es dabei meist sehr wichtig, keine Einschränkung bei der Nutzung hinnehmen zu müssen. Beispielsweise wurde in Freyung eine Rezeption inklusive Backoffice geplant, welche baulich direkt an das Treppenhaus angeschlossen sind. Diese Öffnung in einer TH-Wand, die als eine Art Empfangstresen dient, wird im modernen Brandschutz mit einem Feuerschutzvorhang ausgerüstet, um die Anforderungen der Bauaufsicht zu erfüllen. Ebenso wird der Hauptzugang zu diesem Backofficebereich über das notwendige TH mit einem Brandschutzvorhang gesichert.

Für den Rettungsweg wird dieser im Brandfall per Notfallsteuerung automatisch hoch- und nach Ablauf einer Evakuierungszeit wieder abgerollt. Damit kann auf eine sehr viel teurere Abtrennung mit adäquater Feuerwiderstandsdauer verzichtet werden. Eine entsprechend ausgelegte Entrauchung des Treppenraums ergänzt die brandschutztechnische Bewährung des Erdgeschosses. Wenn wie in diesem Fall Architekten, Brandschutzplaner und ausführende Firma von Anfang an Hand in Hand an einer sinnvollen Lösung arbeiten, schränkt der vorbeugende Brandschutz weder Nutzung noch Ästhetik eines Gebäudes ein – auch dann nicht, wenn es sich wie hier um eine Umnutzung eines historischen Gebäudes handelt.

Über einen zweigeschossigen Verbindungssteg ist der neu gebaute Bettentrakt, der „kleine Bruder“, mit dem Haupthaus verbunden und fügt sich perfekt in das Gesamtbild ein. Überall wurden für die Innenausstattung regionale Baustoffe verwendet. Das helle Holz der Weißtanne bildet einen Kontrast zu den Granitböden und Wollfilzelementen an den Wänden. Die Verbindung von Tradition und Moderne ist in der Volksmusikakademie in Bayern mehr als gelungen. Und die Kombination von Altem und Neuem soll auch der Inhalt der Volksmusikakademie sein.

Da im Haus nur für Übernachtungsgäste Frühstück angeboten wird, alle weiteren Hauptmahlzeiten aber entweder per Catering von den Freyunger Wirten geliefert werden oder aber die Gruppe gleich in einem der örtlichen Wirtshäuser einkehrt, wird von der Volksmusikakademie die gesamte Region profitieren. Zugleich lockt die Lage im Dreiländereck auch Gäste aus Tschechien und Österreich an – zumal ja Musik bekanntlich keine Grenzen kennt. (BSZ)

(Der "Schwarze Bua" und ein Probenraum sowie der Feuerschutzvorhang - Fotos: Pedagrafie/Manuela Lang/Simonprotec Systems)

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