Bauen

So sieht der Übeltäter aus. (Foto: Leemann/EMPA)

07.01.2016

"Ein Impfstoff - das wird dauern"

Der Geologe Andreas Leemann über die Ursachen von Betonkrebs

Andreas Leemann hat die Ursachen der weltweit auf- tretenden Schäden durch Alkali-Kieselsäure-Reaktion (AKR) an Betonbauwerken untersucht. Dabei stellte er fest, dass nicht etwa das bei der AKR entstehende Gel Auslöser der Risse im Beton ist, sondern ein Kristall, das den Tonmineralien sehr ähnelt. BSZ: Herr Leemann, was ist das Neue an Ihren Erkenntnissen zur AKR gegenüber den bisherigen Forschungsergebnissen?
Leemann: Wir haben uns gefragt, was das genau für ein Produkt ist, das aufgrund der Alkali-Kieselsäure-Reaktion entsteht und zu Schäden im Beton führt. In der Literatur ist bisher meistens nur von einem Gel, also einer amorphen Substanz, die Rede. Nach unseren Beobachtungen ist das Gel jedoch nur am Rand der Gesteinskörnung anzutreffen. Dort aber, wo der Druck generiert wird, der schlussendlich zu den Rissen im Beton führt, nämlich im Gesteinskorn, fanden wir ein anderes Produkt. Unser Ziel war es, diese Substanz zu charakterisieren, was uns durch die mehrtägige Analyse des Materials mit einem Synchrotron (Ring-Teilchen-Beschleuniger; Anm. der Red.) gelungen ist. Die Proben-Präparation war sehr schwierig, ich habe Wochen gebraucht, um solch kleine Mengen aus den winzigen Rissen zu extrahieren. BSZ: Sie fanden also etwas anderes als ein Gel...
Leemann: Richtig. Es handelt sich in Wirklichkeit um eine kristalline Substanz, die eine Schichtstruktur hat, die durch Feuchtigkeitsschwankungen ihr Volumen vergrößern kann. Sie ist aufgrund ihres schichtigen Aufbaus den Tonmineralien sehr ähnlich. BSZ: Ist anhand dieser Erkenntnis ein möglicher „Impfstoff“ gegen Betonkrebs denkbar?
Leemann: Wegen der Ähnlichkeit zu den Tonmineralien, die ja extrem stark quellen können, wäre die Entwicklung eine Zusatzmittels denkbar, das bei der Betonherstellung zudosiert werden könnte, um das Quellen der kristallinen Substanz zu unterdrücken. Das Mittel könnte man sich bei der Erdölexploration abschauen, wo den Bohrschlämmen ja auch gewisse Salze oder Organika zugegeben werden, die das Quellen von durchbohrten Tonschichten verhindern. Organika hätten meines Erachtens das Potenzial, auf gleiche Weise im Beton zu wirken. Dabei sind jedoch noch viele Fragen offen, beispielsweise ob ein solches Mittel die Hydratation des Zementes beeinflusst, wie es sich auf die Festigkeit auswirkt und ob es seine Wirkung über die Jahre verliert. Selbst wenn man auf all diese Fragen eine positive Antwort fände, so würde es noch Jahrzehnte dauern, bis es ein solcher Stoff zur Marktreife brächte. BSZ: Zur Entschärfung von AKR wird heute der Alkaligehalt im Beton durch Zugabe von zum Beispiel Flugasche reduziert. Wo lägen die Vorteile des Zusatzmittels?
Leemann: Es ist richtig, dass Flugasche oder Hochofenschlacke zur Reduzierung des Alkaligehalts und damit auch zur Entschärfung der AKR-Problematik eingesetzt werden. Das noch zu entwickelnde, mögliche Zusatzmittel könnte unabhängig vom Zementgehalt zudosiert werden. Auch könnten wieder reaktive Gesteine eingesetzt werden, die momentan vom Betonmarkt ausgeschlossen werden. Mit Flugasche hergestellte Betone erreichen langsamer ihre Festigkeit als konventionell hergestellte Betone. Bei eiligen Bauvorhaben hätte ein Zusatzmittel also auch gewisse Vorteile. Zudem sind Flugasche und Hochofenschlacke nicht immer und überall verfügbar, sodass man eine gewisse Unabhängigkeit von diesen Stoffen erreichen würde. BSZ: Neben zahlreichen Brücken sind bis zu 20 Prozent der Staumauern in der Schweiz aufgrund von AKR geschädigt. Hat das mit der Geologie in der Schweiz zu tun?
Leemann: Mit unseren heimischen Gesteinen haben wir Glück und Pech zugleich. Glück insofern, als dass wir keine schnellreagierenden Mineralien haben. Es dauert etwa zwei Jahrzehnte, bis sich erste Schäden am Beton zeigen. Pech haben wir vor dem Hintergrund, dass fast alle unsere Gesteine reaktiv sind, zwar langsam, aber sicher. In zwei Schweizer Staumauern mussten bereits Fugen eingesägt werden, um den durch AKR ausgelösten Druck zur reduzieren, eine kleine Mauer wurde abgebaut. Bei vielen Brücken zeigen sich Bewehrungskorrosionen, die ebenfalls auf AKR zurückzuführen sind, da über die Risse Chloride und Feuchtigkeit eindringen. AKR ist allerdings ein weltweites Problem. (Interview: FHH) (Andreeas Leemann;das Kristall als Fülung in einem Ris in einem Gesteinskorn von AKR-geschädigtem Beton - Fotos: Privat/Leemann-EMPA)

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