Bauen

Die Millenium Brücke in Ourense. (Foto: Wiegand)

03.02.2017

Eine Achterbahn für Fußgänger

Galicien – Römerbauten, Romanik und Moderne

Bauen und baden – das liebten die alten Römer und waren damit in Galiciens Provinz Ourense genau richtig. Die heißen Quellen sprudeln noch immer aus dem Boden der gleichnamigen Provinzhauptstadt. Es gibt auch noch die Brücke, die die Römer über den Fluss Miño geschlagen haben. Ganz original ist sie nicht mehr, doch ein typisch römischer, aus Granitgestein errichteter Zweckbau von schlichter Schönheit und nun eine reine Fußgängerbrücke. Kleine Schäden werden gerade ausgebessert. Stahl, Beton und Glas sind die heutigen Materialien, die spektakuläre Formen erlauben und Aufsehen erregen. Genau das wollten zahlreiche Städte, die sich weltweit – das Millennium zum Anlass nehmend – auf einen wahren Brückenbau-Wettlauf begaben. Auch Ourense gehörte dazu, wollte damit aber auch der Römerbrücke weitere Belastungen ersparen. Am 1. September 2001 wurde die 275 Meter lange Millennium Brücke, entworfen von Alvaro Varela de Ugarte, eröffnet. Ihr eleganter Schwung zeigt sich schon bei der Fahrt auf der Uferstraße. Peinliche Fehlplanungen, wie bei Norman Fosters Londoner „Wackelbrücke“, die nach der Freigabe in 2001 wegen zu starken Schwingungen sofort gesperrt und erst zwei Jahre später durch den Einbau von Dämpfern wieder benutzbar wurde, blieben in Ourense ebenso aus wie die Stürze der Benutzer auf Santiago Calatravas rutschigem Glas-Gehsteg Ponte della Costituzione (2008) über den Canal Grande in Venedig. Sensationelles wurde aber auch in Ourense gewagt. Der Clou dieser Millennium Brücke ist der achterbahnähnliche Fußgängerweg, auf dem die Gehenden über, unter und neben der Brücke unterwegs sind. Schnell wurde sie ein Besuchermagnet, ist kürzlich restauriert worden und bleibt der Stolz der Stadt. Auf anderes ist Ourense zurecht ebenso stolz, insbesondere auf die St. Martin Kathedrale, begonnen Mitte des 12. Jahrhunderts. Ihr Stilmix aus Romanik, Gotik, Renaissance, Barock und Klassizismus mindert nicht den mächtigen Gesamteindruck. Doch das ist nicht alles. Schon in frühchristlicher Zeit erfasste ein Bauboom die Umgebung. Mehr als hundert Klöster, Kapellen und Kirchen reihten sich dereinst an den Flüssen Miño und Sil. „Ribeira Sacra“, das Heilige Flussufer wurde dieser rund 22 Kilometer lange Streifen genannt, der durch großartige Bauwerke fasziniert. So zu erleben im weitgehend erhaltenen Kloster San Pedro de Rocas, wo die Vergangenheit deutlich spürbar wird. Vermutlich in Felsenhöhlen lebten dort die Einsiedler, zunächst einer, dann sechs. Ihre Namen mit der Jahreszahl 537 sind auf einer Steinplatte verewigt, eine Kostbarkeit, die das Archäologische Museum in Ourense hütet.
Im 12. Jahrhundert wurde das Kloster aus dem harten Granitgestein herausgeschlagen, was den Resten der Kirche noch anzusehen ist. Gänsehautgefühl dann angesichts der kistenartigen, großen und kleinen Steingräber. Auch Kinder hätten bei den Mönchen gelebt, heißt es dazu. Eine mysteriöse Stätte, aufgelockert durch den niedlichen Glockengiebel (ohne Glocken) aus späterer Zeit. Eine steile, schmale Treppe führt hinauf. Nur was für Schwindelfreie.

Hotel statt Kloster


Viel reine Romanik ist auch im „Parador de Santo Estevo de Ribas de Sil“, eines der schönsten und geschichtsträchtigsten Klöster Spaniens, erhalten geblieben. Es gehört zur weltbekannten Hotelkette „Paradores de Turismo de España“, einer 1928 gegründeten staatlichen Aktiengesellschaft, die sich die Umwandlung von Klöstern, Burgen, Schlössern und Palästen in Hotels auf ihre Fahnen geschrieben hat. Rund 80 Bauten zählen dazu und bilden ein überzeugendes Beispiel, wie sich das kulturelle und architektonische Erbe durch Umnutzung retten lässt. Hier also: Ruhen in der Romanik.
Denn die blieb im Parador de Santo Estevo, dem ehemaligen Stefanskloster, trotz der aufwendigen Restaurierung und teilweisen Modernisierung erhalten. Staunend wandeln die Heutigen durch den Bischofskreuzgang, denn selbst solche Würdenträger hatten sich im 10. und 11. Jahrhundert in dieses Kloster zurückgezogen. 1184 begann der Bau der Klosterkirche. Zu ihren Schätzen gehört ein romanisches Steinretabel. Mit großen Köpfen auf kleinen Körpern und leicht lädierten Nasen haben Jesus und die Apostel rund 800 Jahre überdauert. Ganz in der Nähe hat auch der Fluss Sil „gebaut“, der wichtigste Teil der Ribeira Sacra. Im Laufe von Jahrtausenden hat er sich durch das harte Granitgestein gegraben und den „Canón do Río Sil“ geformt. Eine Attraktion, die dazu beiträgt, dass solch ein gerettetes Ex-Kloster nicht wieder in Vergessenheit gerät. Ein weiteres Beispiel für gelungene Neunutzung bietet die frühere Klosteranlage San Vicente do Pino oberhalb des Städtchens Monforte de Lemos. Auch hier wurde Wert darauf gelegt, die Kirche, die mit freigelegten Freskenwänden beeindruckt, als historisches Erbe weiterzupflegen. Dort oben ist es der ehemalige gräfliche Palast neben dem Kloster, der zum „Parador de Monforte de Lemos“ umgestaltet wurde und Geschichte mit Aussicht bietet. Nur eines der vielen Klöster in dieser Gegend ist noch „aktiv“ – wieder, sei hinzugefügt. Acht Schwestern leben im ehemaligen Zisterzienserkloster Santa Maria in Ferreira de Pantón. Schon von außen beeindruckt die romanische Apsis und in diesem Glockengiebel hängen sogar zwei Glocken. Nur das Storchennest ist leer. (Ursula Wiegand) (Die Kathedrale St. Martin in Ourense; das ehemalige Kloster Parador de Santo Estevo de Ribas de Sil - Fotos: Wiegand)

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