Bauen

Häuserfassade in Lübeck. (Foto: LTM/Torsten Krüger)

03.05.2018

Eine nüchterne Stilepoche

Die Backsteingotik hat viele Facetten

Obwohl man mit der Backsteingotik die typischen roten Gebäude in Norddeutschland verbindet, gibt es diese in verschiedenen Farbtönen: Je nach Grundsubstanz und Brennvorgang werden gelbe, rotbraune, weiße, graue oder aber auch schwarze Steine hergestellt. Insbesondere in den Städten im Ostseeraum, wie zum Beispiel in Lübeck oder Stralsund, sind verschiedene Gebäude mit dieser charakteristischen roten Fassade zu finden. Viele von der Backsteingotik geprägte historische Städte wurden in die Liste des UNESCO Welterbes mit aufgenommen. Dazu zählen beispielsweise das Holstentor und das Rathaus in Lübeck. Mit seinen Türmchen und geschwungenen gotischen Bögen ist es für die Touristen ein echter „Hingucker“ auf jeder Sightseeingtour. Die Lübecker Marienkirche diente den Bauherrn der Backsteingotik als Musterbau für die Entstehung von weiteren Kirchen in Europa. Sie ist vergleichbar mit der klassischen Kathedralgotik sowie der Scheldegotik. Das offene Strebesystem von westlichen Kathedralen wurde ebenfalls aus Backstein hergestellt. Große Sakralbauten aus Backstein gibt es ferner in Stralsund, Greifswald, Wismar und Bad Doberan.

Es gibt keine reich
verzierten Ornamente

Das ist typisch für diese Stilrichtung: Bei der Backsteingotik fehlen gänzlich die figurativen Bauplastiken, denn diese konnte man mit Backsteinen nicht umsetzten. Es gibt außerdem auch keine reich verzierten Ornamente; von daher könnte man die Backsteingotik als eine nüchterne Stilepoche bezeichnen.
Auch in Bayern gibt es die Backsteingotik. Beste Beispiele dafür sind die Frauenkirche in München, das Liebfrauenmünster in Donauwörth und Ingolstadt sowie die Stadtpfarrkirche St. Jakob in Straubing. Die Frauenkirche gilt sogar als größte gotische Backsteinkirche nördlich der Alpen. Auch Landshut kann punkten, denn die Stadt besitzt mit der Pfarrkirche St. Martin und ihrem Turm sogar den höchsten Backsteinturm der Welt. Früher wie heute zählt der Backstein zu den beliebtesten Baumaterialien, denn er ist robust, energiesparend und auch ziemlich wetterfest. Die Geschichte des Backsteins führt bis 6000 v. Chr. zurück und gehört damit – aufgrund seiner guten Beständigkeit – zu den ältesten Baustoffen der Welt. Auch in der Antike bauten die Römer mit Backstein, wie zum Beispiel die Prätorianerkaserne in Rom. Um den Backsteinziegel herstellen zu können, wurde Lehm im Ofen gebrannt. Lehm gab es fast überall, im norddeutschen Flachland, in der Poebene aber auch in den Niederlanden. Erst im 17.Jahrhundert kannte man dann auch den Backstein im restlichen Europa. Viele barocke Klöster und Schlösser, wie beispielsweise das Johanniskloster in der Hansestadt Stralsund, wurden aus Backstein gebaut. Die Nachfrage nach diesem begehrten Baustoff wuchs und so konnte das Herstellungsverfahren auch verfeinert werden. Viele Jahre später entstanden auch Fabrikgebäude aus Backstein. Mitte des 19. Jahrhunderts hielten die robusten Steine dann ebenfalls Einzug in die deutsche Wohnarchitektur. Das Herstellungsverfahren war ziemlich einfach: Die Farbe des jeweiligen Tonmaterials ergab die spätere Backsteinfarbe. So wurde zum Beispiel aus kalkhaltigem Ton ein gelber Backstein, aus eisenhaltigem Ton ein rot bis rotbrauner und ein Naturton erzeugte weiß, grau oder schwarz. Ausschlaggebend dafür war die Herkunft des Tons. Hierbei ging es insbesondere um die Zusammensetzung der Mineralien und die Dauer der Verwitterungszeit. Zur weiteren Verarbeitung wurde der Ton häufig mit Wasser vermischt, sodass er in einer Ziegelpresse in Formen gegossen und in einer Trockenkammer gelagert werden konnte. Anschließend brannte man diesen Baustoff im Ofen.

Verschiedene Einflüsse sind immer wieder zu finden

Die Backsteingotik kann nicht klar definiert werden, denn immer wieder sind hier Einflüsse der Backsteinromanik (Marienkirche in Bad Segeberg) oder der nachfolgenden Backsteinrenaissance (verschiedene Gebäude in der Hansestadt Lüneburg) zu finden. Viele Baudenkmäler sind ganz in Backstein in einem einheitlichen Baustil begonnen und nur teilweise so auch vollendet worden.
Auf dem Land und in kleinen Städten wurde oft Feldstein verwendet, der eine ähnliche helle Struktur wie Backstein aufwies. Häufig baute man auch kleine romanische Steinkirchen, aus denen dann viele Jahre später Backsteinkirchen wurden. Nur wenige mittelalterliche Baumeister der Backsteingotik sind namentlich überliefert. In diesem Zusammenhang wird häufig der Architekt Hinrich Brunsberg, vermutlich um 1350 im baltischen Raum geboren, genannt. Er prägte Ende des 13. Jahrhunderts insbesondere die mittelalterliche Backsteingotik im norddeutschen Raum. Im 14. Jahrhundert entstanden in seinem Auftrag viele Kirchenbauten, wie zum Beispiel die Katharinenkirche in der Neustadt Brandenburg (um 1401). (Sabine Neumann) (Fassadenausschnitte des Lübecker Rathauses und die St. Marienkirche - Fotos: LTM/Torsten Krüger)

Kommentare (1)

  1. Leopold Schneider am 24.08.2019
    "Das Herstellungsverfahren war ziemlich einfach"? Nun ja. Dass der Lehm nicht nur abgebaut und gebrannt, sondern zunächst mindestens einen Winter lang ausgefroren, nachbearbeitet, vorgeformt, ausgetrocknet, gebrannt und dann wieder durchsortiert werden musste wird hier wohl lieber verschwiegen.
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