Die überarbeitete EU-Gebäuderichtlinie (EPBD) markiert einen Wendepunkt: Der europäische Gebäudesektor soll bis 2050 klimaneutral sein. Das ist kein fernes Ziel, sondern eine unmittelbare Herausforderung – und eine, die uns Planende in besonderem Maß betrifft. Denn die Richtlinie bringt nicht nur neue technische Anforderungen, sie verändert das Verständnis von Architektur grundlegend: Weg vom energieintensiven Neubau, hin zur Sanierung, zum Lebenszyklusdenken, zu einer Verantwortung, die über einzelne Bauwerke hinausreicht.
Doch zwischen ambitionierten Zielen und gesellschaftlicher Akzeptanz liegt ein weiter Weg, das zeigt auch ein neues Positionspapier, das die Bundesarchitektenkammer (BAK) am 9. Juli 2025 veröffentlicht hat. Vertreter und Vertreterinnen der Bayerischen Architektenkammer, aber auch der anderen Länderarchitektenkammern, hatten in einer Task Force das Positionspapier auf Grundlage der aktuellen europäischen Anforderungen (EPBD) gemeinsam erarbeitet und abgestimmt.
Ein wichtiger Schritt
BAK-Präsidentin Andrea Gebhard bringt es auf den Punkt: „Die neuen Vorgaben sind ein wichtiger Schritt für den Klimaschutz – aber ohne tragfähige Umsetzung droht erneut gesellschaftliche Polarisierung. Mit unserem Papier zeigen wir, wie sich ambitionierte Ziele so ausgestalten lassen, dass sie in der Praxis anschlussfähig bleiben. Architektinnen und Architekten leisten dabei einen entscheidenden Beitrag: Sie verbinden politische Ziele mit den Realitäten des Bauens.“
Dafür braucht es Gestaltungswillen, Weitblick und nicht zuletzt klare Rahmenbedingungen. Die Richtlinie führt das Leitbild des Nullemissionsgebäudes ein, das ab 2030 für alle Neubauten gelten soll, für öffentliche Gebäude bereits ab 2028. Das bedeutet: höchste Effizienzstandards, keine fossilen Emissionen vor Ort, vorrangige Nutzung erneuerbarer Energien. Und all das integriert in ein gestalterisch und funktional hochwertiges Gesamtkonzept.
Noch umfassender wird der Blick mit einer verpflichtenden Lebenszyklusbetrachtung: Ab 2028 muss bei größeren Neubauten berechnet werden, wie viel CO2 ein Gebäude von der Materialherstellung bis zum Rückbau verursacht.
Mit dem gemeinsamen Papier gehen wir über bloße Umsetzungsvorgaben hinaus. Wir fordern ein Verfahren, das Spielraum für individuelle Lösungen lässt, das Eigentümer nicht überfordert und das Planenden ermöglicht, qualitätsvolle Architektur mit klimapolitischen Zielen zu verbinden. Denn jeder Bestand ist anders, jede Sanierung eine neue Herausforderung. Ein bundesweit einheitliches, fachlich begleitetes Abweichungsverfahren könnte hier helfen – nachvollziehbar, rechtssicher und transparent. Planende würden so zu Vermittlern – zwischen Gesetz und Realität, zwischen Ziel und Machbarkeit.
Entscheidend ist auch, dass die Lebenszyklusbetrachtung kein separates Spezialverfahren wird, sondern integraler Bestandteil der Planung. So selbstverständlich wie die Kostenplanung gehört sie von Beginn an ins Projekt. Denn nachhaltige Architektur entsteht nicht durch das Addieren von Technik, sondern durch vorausschauende Gestaltung, durch Orientierung, Kompaktheit, gute Belichtung und Belüftung, durch Reduktion, nicht durch Übersteuerung.
Gute Datengrundlage
Die beste Energie ist nach wie vor die, die gar nicht erst gebraucht wird, auch das zeigt gute Architektur. Dazu gehört ebenso eine digitale Infrastruktur, die Transparenz schafft und bessere Entscheidungen ermöglicht. Die verpflichtende Gebäudedatenbank darf kein reines Archiv sein, sondern muss ein Instrument werden, das allen Beteiligten zugutekommt: Eigentümerinnen, Planern, Politik und Verwaltung.
Nur wer eine gute Datengrundlage hat, kann gezielt sanieren, klug fördern, wirksam steuern. Digitalisierung ist dabei kein Selbstzweck, sondern Voraussetzung für strategisches Planen. Dass wir Planende all diese Aufgaben übernehmen können – und müssen –, liegt auf der Hand. Aber wir dürfen nicht darauf warten, dass politische Vorgaben uns zu Akteuren machen. Wir sind es längst. Wer heute plant, baut für Jahrzehnte und trägt damit Verantwortung für das, was bleibt. Verantwortungsbewusstsein, Selbstverpflichtung und Vorbildfunktion – das sind keine leeren Worthülsen, sondern Ausgangspunkte für ein ambitioniertes Programm.
So hat sich die Bayerische Architektenkammer 2019 der Zielsetzung „CO2-neutrale Kammer 2031“ verpflichtet und seither eine Vielzahl von Maßnahmen zur Erreichung dieses Ziels auf den Weg gebracht. Auch deshalb sind wir der Meinung: Die EPBD zeigt in die richtige Richtung. Wie aus diesen Zielen kluge Politik und gebaute Wirklichkeit wird, liegt an uns.
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