Bauen

Die zwei hochaufragenden Grundig Türme wurden für rund 25 Millionen Euro saniert und umgebaut. (Foto: Wolfgang Schmitt)

26.08.2016

Freundlicher Empfang

Die ehemaligen Grundig Türme in Nürnberg wurden grundsaniert und zu einer zentralen Erstaufnahmeeinrichtung für Asylsuchende ausgebaut

Weit in den Himmel reichen die 45 beziehungsweise 48 Meter hohen Türme, die in den 70er Jahren von Firmenlegende Max Grundig errichtet wurden. Zunächst dienten sie als Unterkunft für Arbeiter. Später, nach ihrem Verkauf an den Freistaat, beherbergten die in Nürnberg als „Grundig Türme“ bekannten Gebäude die Landesaufnahmestelle für Aussiedler. Jetzt dienen sie dem Freistaat als Erstaufnahmeeinrichtung für Asylbewerber. Seit Juli dieses Jahres ist der entsprechende Umbau der Türme abgeschlossen. Die komplett entkernten und vollständig sanierten Türme bieten zirca 850 Plätze für Asylsuchende. Im stadtzugewandten Turm sind verschiedene Büro- und Verwaltungs- sowie medizinische Bereiche untergebracht. Mitarbeiter von Behörden und Ämtern haben dort nun genügend Raum für die Bearbeitung der Asylverfahren. Am Umbau waren Unternehmen zum großen Teil aus Bayern beteiligt, die ihren Anteil daran geleistet haben, die etwa 15 000 Quadratmeter Nutzfläche in einer Planungs- und Bauphase von nur etwa 18 Monaten zu bewerkstelligen. Insgesamt kostete das Projekt rund 25 Millionen Euro.

Weithin sichtbar unter lauter Solitären

Am historischen Zeppelinfeld in Nürnberg befinden sich sehr unterschiedliche solitäre Bauwerke und Nutzungen: Dort ist das Nürnberger Stadion, das EasyCredit Haus, das Zeppelinfeld und die Messe Nürnberg. Die Baukörper der Grundig Türme nehmen unter diesen Solitären schon allein wegen ihrer Höhenentwicklung eine besondere städtebauliche Stellung ein. Die Zwillingstürme bilden eine weithin sichtbare Landmarke im Süden Nürnbergs. Das Farbkonzept folgte daher der Idee einer im Ausdruck zurückhaltenden Instandsetzung der Bauwerke. Da es sich bei dem Gebäudekomplex um ein Ensemble aus zwei ähnlichen Türmen handelt, wurde für beide Baukörper der gleiche Grundfarbton gewählt. Durch die Verwendung eines hellen, graublauen Farbtons (Pacific 30 Caparol) passen sich die Türme harmonisch in die gebaute Umgebung ein. Aufgrund ihrer Höhe stehen sie je nach Wetterlage in einem wechselnden Kontrast zur Farbe des Himmels im Hintergrund. Die Farbgestaltung soll die architektonischen Merkmale des Bestandsgebäudes stärken. Es wird bewusst auf dekorativen Zierrat verzichtet. Die Gestaltungskraft wird vielmehr in die Artikulation der Fensteröffnungen gelegt. Durch die Ausbildung von weißen Faschen werden die Fensteröffnungen als gestaltprägendes Element hervorgehoben und optisch vergrößert. Die Fassade wirkt somit wesentlich großzügiger als im Bestandsgebäude. Die Faschen sind als Blindflächen asymmetrisch um die Fensteröffnungen angeordnet und geschossweise zueinander versetzt. Der Charakter der Fassade wird auf diese Weise gestärkt und zugleich in angemessener Form durch eine leichte Verfremdung neu interpretiert.

Rücksicht auf unterschiedliche Kulturen

Ziel des Umbaus war es, die bestehenden räumlichen Aufteilungen so weit wie möglich zu erhalten und dennoch Zimmer zu schaffen, die den Anforderungen an das Leben und Wohnen für die Asylsuchenden aus vielen verschiedenen Kulturkreisen bestmöglich genüge tragen. In einem der Türme wurden Betreuungszimmer für Kinder eingeplant und in den Außenanlagen findet sich ein neu gestalteter Kinderspielplatz. Ein Turm beherbergt eine Küche und einen neu angebauten großen und lichtdurchfluteten Speisesaal, ebenso wurden die Dusch- und WC-Bereiche in aller Bewohnerebenen völlig neu konzipiert. Geschaffen wurden Bewohnerzimmer für zwei bis vier Personen sowie mehrere behindertengerechte Zimmer, welche alle zusätzliche Waschmöglichkeiten bieten; die behindertengerechten Zimmer haben zusätzlich eigene spezielle Duschen. Besonderen Wert legte Gerd Schmelzer’s alpha Gruppe auf das Farbkonzept im Inneren der Grundig Türme: Die ankommenden Menschen soll ein möglichst freundliches Ambiente mit dem Charakter einer Wohnetage empfangen. Die Fassadenfarben finden sich daher auch im Innenbereich wieder. Während die Bewohnerzimmer weiße Wandfarben erhalten, werden in den Flurbereichen einzelne Wandelemente mit einem graublauen Farbton hervorgehoben. Diese Betonung erfolgt teilweise durch vollflächig gestrichene Bereiche und teilweise durch mit einer Musterwalze aufgebrachte florale Ornamente. Sie verleihen den Erschließungsflächen einen freundlichen Charakter.

Energieeffiziente Kraft-Wärme-Kopplung

Als Bodenbelag findet ein PVC-Belag mit Holzparkettoptik sowohl in den Zimmern als auch in den Fluren Verwendung. Dadurch werden die Flure nicht als Erschließungszonen einer temporären Herberge, sondern als gemeinsame Aufenthaltsbereiche einer Wohngemeinschaft wahrgenommen. Der gesamte Innenausbau sowie die haustechnischen Anlagen wurden in hochwertiger Ausführung dem neuesten Stand der Technik entsprechend komplett neu hergestellt. Jedes Haus besitzt drei neue Aufzüge. Sowohl für Heizung, als auch für die Warmwassererzeugung wird eine Nahwärmeerzeugung mittels eines Blockheizkraftwerks und des Heizkraftwerkes herangezogen. Durch die Kraft-Wärme-Kopplung ist dieses System besonders energieeffizient. In Verbindung mit allen energetischen Ertüchtigungen des Bestandsgebäudes an Fassade, Fenster und Dach sowie der gesamten Haustechnik erreichen die Gebäude einen Primärenergiefaktor, der weit niedriger liegt, als für sanierte Bestandsgebäude üblich und damit fast den Stand eines Neubaus erreicht. In Zusammenarbeit mit mehreren Ingenieurbüros wurde auch in Bezug auf Sicherheitsaspekte, insbesondere beim Brandschutz unter Berücksichtigung des Bestands und nutzungsspezifischen besonderen Anforderungen ein Konzept entwickelt, welches starke Eingriffe in den Bestand vermied und dennoch ein Höchstmaß an Sicherheit für die Bewohner und Verwaltungsangestellten bietet. Hinweise auf den Rettungswegeplänen finden sich ebenso mehrsprachig, wie die Etagenaussagen in den neuen Aufzügen. Auch in Sachen Zugangskontrollen wurde mit den neusten Standards gebaut. So sind alle Türen mittels Transponder auf- und abschließbar und einzeln programmierbar. Verlorene Schlüssel gehören somit der Vergangenheit an. Die lange hinter einem Baugerüst versteckten markanten und prägenden Türme sind nun wieder ansprechend und mit modernen und sozialen Aspekten völlig neu in das Stadtbild zwischen Messe, Stadion und Zeppelinfeld eingefügt. (BSZ)

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