Bauen

Aufmerksam wird die Wirkung des Erdbebenrütteltisches beobachtet. (Foto: BAYIKA)

03.02.2012

Großes Interesse am Simulator

Sicheres Bauen: Der Erdbebenrütteltisch simuliert die Effekte von tektonischen Beben

Die verheerenden Erdbeben in Neuseeland und im Osten der Türkei haben uns jüngst wieder vor Augen geführt, welches enorme Maß an Zerstörung entstehen kann, wenn die Erde bebt. Wie aber kann man Häuser, Brücken, Straßen so bauen, dass sie einem Erdbeben standhalten?
Erdbeben sind Naturgewalten, die die Menschen nicht verhindern können. Sie können nur versuchen, die Auswirkungen so gering wie möglich zu halten. Hier können die Ingenieure im Bauwesen einen großen Beitrag leisten. Durch sorgfältige Planung und Umsetzung von Bauvorhaben sorgen sie für eine sichere Infrastruktur. Sie tragen durch ihre Arbeit dazu bei, dass die Gefahren für Leib und Leben, aber auch für Sachwerte, abgewendet oder zumindest verringert werden.

Auch deutscher
Boden ist seismisch aktiv


Auch Deutschland ist Erdbebengebiet. Natürlich gibt es Länder, in denen aufgrund der geologischen Gegebenheiten die Bedrohung deutlich stärker ist. Doch auch deutscher Boden ist seismisch aktiv. In Bayern sind die Gebiete Mittenwald, Vogtland und Schwäbische Alb besonders betroffen. Sie sind als Gefährdungszone 2 und 3 eingestuft – bundesweit gilt eine Skala von 0 bis 3.
Doch wie kann eine erdbebengerechte Planung und konstruktive Durchbildung von Tragwerken gelingen? Eine Mindestsicherheit ist durch entsprechende Normen definiert. Geophysiker ermitteln die dafür notwendigen ortsspezifischen Daten, im Fachjargon Antwortspektren genannt. In Bayern ist der Bayerische Erdbebendienst zuständig. Was aber passiert bei einem Erdbeben mit den Bauwerken?
Die seismischen Erregungen greifen zunächst an den Fundamenten des Bauwerks an, pflanzen sich im Tragwerk fort und wecken Massenkräfte, die ihrerseits eine Beanspruchung für das Tragwerk und für die Gründung sind. Fachleute sprechen hier von der „Erdbeben-Boden-Bauwerks-Interaktion“. Sobald das Bauwerk in Schwingungen versetzt wird, treten Schnittgrößen mit wechselnden Vorzeichen auf und es kann sich ein System veränderlicher Gliederung heraus bilden. Das heißt, dass das Tragwerk seine Festigkeit und Steifigkeit ändert und somit ein sich veränderndes „Antwortverhalten“ zeigt, was wiederum Einfluss auf die Massenkräfte infolge des Erdbebens hat. Die erdbebengerechte konstruktive Durchbildung von Konstruktionen ist für die Sicherheit der Tragwerke genau so entscheidend wie die dynamische Berechnung.
Bauliche Anlagen sind so zu bemessen und auszubilden, dass sie dem definierten „Bemessungserdbeben“ – also dem Erdbeben, mit dem in der jeweiligen Region in der definierten Wiederkehrperiode gerechnet werden muss – widerstehen können, nach dem Beben noch über eine ausreichende Resttragfähigkeit verfügen und zumindest keine Gefahr für Personen darstellen.
Bauwerke werden in verschiedene „Bedeutungskategorien“ eingeteilt, die ihre Bedeutung für den Schutz der Allgemeinheit beziehungsweise der mit einem Einsturz verbundenen Folgen berücksichtigen. Je nach Kategorie liegen unterschiedliche Vorschriften zugrunde. Krankenhäuser beispielsweise müssen auch nach einem Beben funktionstüchtig sein.

Große Massen in den Obergeschossen vermeiden


Beim Entwurf baulicher Anlagen muss auf mehrere Konstruktionsmerkmale geachtet werden. Dazu gehören unter anderem die Einfachheit des Tragwerks oder die Vermeidung großer Massen in den oberen Geschossen. L- oder U-Grundrisse sind in potentiellen Erdbebenregionen ungeeignet. Außerdem muss eine Gründungskonstruktion gewählt werden, die insgesamt ausreichend steif ist und eine einheitliche Verschiebung der verschiedenen Gründungsteile bei einem Erdbeben sicherstellt.
Tragwerksteile sollten auch in den verschiedenen Geschossen von ähnlicher Steifigkeit sein. Um die notwendige Sicherheit zu gewährleisten, müssen beim Entwurf und Bau eines Gebäudes in Erdbebengebieten unbedingt einschlägig erfahrene Profis, zum Beispiel aus dem Bereich Tragwerksplanung, mit nachgewiesener Kompetenz im Erdbebeningenieurwesen, involviert werden.
Die Bayerische Ingenieurekammer-Bau führte kürzlich eine Fortbildungsveranstaltung zum Thema Erdbeben durch, bei der den anwesenden Ingenieuren das nötige Fachwissen und die aktuellen Bestimmungen für Planung und Bau vermittelt wurden. Im Rahmen der Veranstaltung wurde auch ein so genannter Erdbebenrütteltisch präsentiert, der im Modellmaßstab die Effekte von Erdbeben simuliert. Bauingenieurin Lisa Schösse hat diese Maschine im Rahmen ihrer Bachelorarbeit an der Universität der Bundeswehr München unter Leitung von Professor Norbert Gebbeken entwickelt.
Gebbeken, der Vizepräsident der Bayerischen Ingenieurekammer-Bau ist, lobte die eindrucksvolle Simulation durch die neu entwickelte Maschine: „Der Erdbebenrütteltisch veranschaulicht plastisch, dass neben der Bauweise auch der Untergrund, auf dem das Bauwerk steht, entscheidend ist für die Erdbebensicherheit. So ist ein fester, trockener Sandboden resistenter als wassergesättigter Sandboden.“
Das Interesse an diesem Simulator ist in Expertenkreisen groß, es gibt bundesweit Nachbauanfragen. Schösse und Gebbeken arbeiten stetig an einer Weiterentwicklung der Maschine. Denn je detaillierter die Erkenntnisse sind, die durch das Modell gewonnen werden, desto mehr ist für die Sicherheit unserer Gebäude gewonnen. (Sonja Amtmann)

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