Innovativ und trotzdem bodenständig kommt die Architektur im Bregenzerwald daher und sorgt für Aufsehen. Modern, stilgerecht und natürlich wohnfreundlich in neuem Gewand. Man staunt, wenn’s avantgardistisch aussieht oder bewundert manch eine Baukunst-Silhouette, weil sie so zeitgenössisch dasteht. Gerade in den letzten Jahrzehnten hat der Bregenzerwald zu einer neuen Identität gefunden.

Und „… ist heute zur treibenden Kraft der Baukultur, ja der Lebenskultur in Vorarlberg geworden“, sagt Dietmar Steiner, bis 2016 Direktor des Architekturzentrums Wien.
Bemerkenswerte Bauten finden sich in allen Gemeinden des Bregenzerwalds. Auffallend gutaussehende Dörfer überraschen mit einer spannenden Kombination aus alter und neuer Architektur. Holz ist das vorherrschende Element in dieser landwirtschaftlich geprägten Kulturlandschaft. Dabei nehmen Architektur und das Handwerk eine wegbereitende Rolle ein.
In enger Zusammenarbeit schaffen Architekten und Handwerker Häuser und Räume von beachtlicher Qualität. So nimmt ortsübergreifend einen wichtigen Stellenwert das Werkraumhaus in Andelsbuch ein. Im Zentrum der traditionell handwerklich geprägten Gemeinde ist es ein Haus für das Handwerk. Das Gebäude dient einerseits als Versammlungsort und andererseits als große Vitrine – als „Schaufenster für die Handwerks- und Gestaltungskultur“ im Bregenzerwald.
Der bekannte Schweizer Architekt Peter Zumthor, der dem Handwerk eng verbunden ist, hat es geplant. Ein weit ausladendes Dach aus Holz und eine Fassade aus Glas sind die äußeren Merkmale.

Die ringsum transparente Fassade wirkt so, als gäbe es keine Trennung zwischen Innen und Außen, die Landschaft fließt durch das Gebäude hindurch. Für den Entwurf und die Idee, das Handwerk der Region in den Mittelpunkt zu stellen, erhielt das Werkraumhaus den ZV-Bauherrenpreis 2014 sowie den Hypo-Bauherrenpreis 2015. Und 2016 wurde der Werkraum als gutes Praxisbeispiel für die Erhaltung des immateriellen Kulturerbes bei der UNESCO aufgenommen.
Im Tal inmitten grüner Grasbergen, vernetzt durch Gebirgsbäche, die ihr klares Wasser in die Bregenzer Ach leiten, entstehen immer öfters neue Bauten mit moderner Architektur. Eine Architektur, die alles Misstrauen ausräumt, wenn die Häuser wie ein Teil der Umgebung, also „wie gewachsen“ wirken. Um die Blicke dorthin zu lenken, wo es das Prägende gibt, sind in den Dörfern gleich zwölf Wege des „Umgangs Bregenzerwald“ entstanden. Der Umgang vermittelt ortstypische Gestaltungsweisen im Wandel der Zeit. Edelrostige Infosäulen am Parcours-Rundgang liefern auf Knopfdruck auch die Informationen dazu. Die damit markierten Objekte wurden nicht zufällig markiert, sondern ein Gremium von Architekten aus der Region hat sie ausgewählt.
Der Architekturinteressierte kann auch bei einer Ortsführung teilnehmen. In Mellau führt Elisabeth Wicke den Umgang durch „ihr“ Dorf. Bis vor einem Jahr war sie zehn Jahre lang Bürgermeisterin in

Mellau und kann naturgemäß viel darüber erzählen. Sie fokussiert sich auch sofort auf die lokale Baukultur. „Das berühmte Bregenzerwälder Bauernhaus besteht, wie auch die dazugehörenden Stadel und Scheune aus Holz, weil dieser Baustoff hier ausreichend vorhanden ist“, erzählt sie.
Der Schopf, ein dem Wohnhaus vorgelagerter Bereich zum Aufenthalt an warmen Tagen und für bäuerliche Arbeiten, ist die Besonderheit. Heute experimentiert der Architekt damit, setzt Isoliergläser ein und macht ihn zum Wohnraum. Oder führt bei der Anpassung an heutige Bedürfnisse eine Unterkellerung durch – auch das war möglich, weil das Holzhaus im Strickbau sich in die Luft heben ließ. Der „Strick“ schafft die nötige Stabilität, also wenn aneinanderliegende Balken an den Ecken verzahnt sind und Balken und Bretter durch Zinken, Zapfen sowie Überblattungen zusammengehalten werden.
Mit Schindeln verkleiden
Ein besonderes Zeichen der Moderne gelingt immer, wenn sich der Bau harmonisch mit der Tradition der ländlichen Baukultur der Gegend verbindet. Nach wie vor dürfen historische Fassaden ein Bauernhaus schmücken, auch wenn es heute seine ehemalige Funktion nicht mehr erfüllt. Oder neben alten,

renovierten Bauernhäusern stehen zeitgenössische Gebäude, die den Wandel vom Bauerndorf zur Moderne inklusive hochwertigem Tourismus sichtbar machen. So zeigt das Hotel Sonne mit seinem geradlinig, flachen Dach und den Brüstungen ein modernes Erscheinungsbild. Obwohl oder gerade deshalb, weil der Neubau mit dem daneben renovierten Bregenzerwälderhaus verbunden ist und einen Kontrast zur Perfektion ins moderne Design bildet.
Ein anderes Haus ist ebenso schon von Weitem als Architektenhaus auszumachen. Quadratisch und modern wurde der Neubau hochgezogen. Ein Kubus mit gedrehtem Sattel, ausgeschnittenen Terrassen und die typische Schindelfassade wurde sogar bis über das Dach gezogen.
Eine Fassadenverkleidung mit Holzschindeln ergibt ein gleichmäßig strukturiertes Aussehen und lässt das Haus in einem einheitlichen Bild mit lebendigen Farbschattierungen erscheinen. Kurven und Ecken lassen sich mit Schindeln gestalten, was diese so auch für die moderne Architektur attraktiv machen.
Augenfällig ist die Kultur des Bauens und Wohnens allemal. Allerdings für ein „ordentliches Haus“ schielte ein Bauer schon immer zu einem aus Steinen und Ziegel erbauten Haus. Diese Bauform war lange öffentlichen Gebäuden wie Amt, Schule und Kirche vorbehalten. Heute kommen diese Baustoffe ebenso wie Beton zum Einsatz.
Dank einer architektonischen Rückbesinnung auf den nachhaltigen Baustoff, ist Holz immer noch vorherrschend, auch wenn damit „nur“ die Fassade kaschiert ist. Übrigens, aus Mellau stammt auch Helmut Dietrich. Der Architekt zählt zur zweiten Generation der Neuen Vorarlberger Bauschule, die als wichtigster Vorreiter der Neuen Alpenarchitektur gilt und ein nachhaltiges und dem Alpenraum angepasstes Bauen zugrunde liegt.
(Nikolaus Sieber)
(Typische Bregenzerwälder Bauernhäuser. Modernes Haus mit ausgeschnittener Terrasse und Schindelfassade. Wartehäuschen: Schichtung von rohen, unbehandelten Eichenbrettern und futuristisch in einer triangulären Form - Fotos: Sieber)
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