Bauen

Norbert Gebbeken, Präsident der Bayerischen Ingenieurekammer-Bau. (Foto: Tobias Hase)

09.12.2025

„Keine Bunkerbau-Initiative“

Ingenieurekammer-Bau-Kolumne über: „Die deutsche Schutzraumstrategie“

Spätestens seit der von der ehemaligen Bundesinnenministerin angestoßenen „Bunkerdebatte“ ist das Thema Schutzräume wieder sehr präsent und viele Bürgerinnen und Bürger fragen sich, ob und wenn ja, wie man sich im Zivilschutzfall schützen kann.

In den Medien wird die deutsche Situation – wir haben keine funktionierenden Schutzräume mehr – verglichen mit der Situation in der Schweiz oder in Finnland, wo es für 100 Prozent der Bevölkerung Schutzräume gibt. Sollten wir das nicht auch anstreben?

Um diese Frage zu beantworten, müssen wir zunächst klären: Wovor wollen oder müssen wir uns schützen? Was ist das Schutzziel? Die Bundesregierung spricht von einem All-Gefahren-Ansatz, der aber nicht präzisiert wird. Auch das Schutzziel in Bezug auf Schutzräume wird bisher nicht präzisiert. Es hilft aber, die Situation in der Ukraine und in weiteren Ländern mit militärischen Konflikten zu analysieren. Dann zeigt sich, dass etwa 80 Prozent der für Menschen relevanten Gefahren von Sekundärwirkungen konventioneller Waffen ausgeht. Das sind unter anderem Glassplitter, weggeschleuderte Trümmer und Gegenstände. Vor Direkttreffern kann man sich leider nicht schützen; auch nicht mit normalen Bunkern. Die Vorwarnzeiten betragen wenige Minuten, um einen schützenden Ort aufzusuchen. Die Verweildauer dort beträgt in der Regel bis zu wenigen Stunden. Aus diesen Erkenntnissen lässt sich eine Schutzraumstrategie ableiten.

In Zeiten des kalten Krieges hatten wir für etwa 3 Prozent der Bevölkerung Schutzraumkapazitäten. Wollten wir diese Kapazität wieder herstellen, dann stellt sich sofort die ethische Frage: Wer darf da rein? Wollten wir flächendeckende Schutzräume, dann müssten wir pro Schutzplatz etwa 2000 Euro (einfache Variante) bis 10 000 Euro (gehobene Variante) investieren. Wir sprechen also von 200 bis 800 Milliarden Euro. Weder haben wir das Geld, noch haben wir die personellen und technischen Ressourcen, um flächendeckend Schutzräume in kurzer Zeit zu bauen. Darüber hinaus gibt es den Zielkonflikt, dass wir das Bauen ja kostengünstiger machen wollen; also bezahlbaren Wohnraum schaffen. Allerdings müssen wir uns Gedanken darüber machen, wie wir hilfsbedürftige Menschen in Krankenhäusern oder Pflegeheimen schützen. Da besteht dringender Handlungsbedarf.

Aufgrund der Bedrohungsanalyse (Sekundärwirkungen konventioneller Waffen) und der Schutzzielvereinbarung (Aufenthalt für mehrere Stunden) können wir feststellen, dass unsere flächendeckende sehr gute Bausubstanz bereits sehr guten Schutz bietet, wenn wir in innenliegende Räume ohne Fenster gehen, in innenliegende Treppenhäuser oder in Keller. Dieses Konzept unterliegt der so genannten „Zwei-Wände-Regel“, die besagt, dass man zwischen sich und dem „Außen“ zwei Wände haben sollte. Im öffentlichen Raum bieten unter anderem Tiefgaragen, U-Bahn-Stationen, Unterführungen Schutz. Ähnlich wie beim baulichen Hochwasserschutz, gibt es „Baumarktlösungen“, um Kellerfenster und Kellertüren weiter zu schützen oder um Kellerdecken zu verstärken.

Derzeit sind viele Tiefgaragen sanierungsbedürftig. Werden sie ohnehin saniert, können sie mit vergleichsweise geringen Mitteln zu Schutzräumen ertüchtigt werden. Kommunen sollten das Schutzraumpotenzial ihrer baulichen Bestandsinfrastruktur erfassen, beurteilen und gegebenenfalls entsprechend widmen. Der Präsident des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) hat hierfür ein Förderprogramm für 2026 angekündigt.

Der Zivilschutz in Deutschland benötigt also keine Bunkerbau-Initiative. Allerdings sollte das Schutzraumkonzept ähnlich wie ein Brandschutzkonzept kommuniziert werden. Der neue Ratgeber des BBK „Vorsorgen für Krisen und Katastrophen“ informiert und gibt Anregungen.
Die Resilienz kritischer Infrastrukturen muss gesondert analysiert werden, da die Aufrechterhaltung lebenswichtiger Funktionen im Zivilschutzfall auch entsprechend angepasster baulicher Schutzmaßnahmen bedarf. 
 

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