Bauen

Michael Fäustlin, Vorstandsmitglied der Bayerischen Architektenkammer. (Foto: Alexander Fayed Fotomedia Augsburg)

08.12.2025

„Keine Nebensache“

Kolumne der Bayerischen Architektenkammer über: „Baukultur beginnt in der Schule“

Bayern spricht gern über Digitalisierung, über Hightech, über Milliardenprogramme – aber über Baukultur reden wir erstaunlich selten. Dabei entscheidet sich die Lebensqualität unserer Städte und Gemeinden nicht in irgendwelchen Innovationszentren, sondern dort, wo gebaut, geplant und gestaltet wird. Und ob das gelingt, ist am Ende weniger eine Frage technischer Werkzeuge als eine Frage der Haltung. Genau deshalb ist baukulturelle Bildung keine Nebensache, sondern ein politischer Auftrag.

Die „Baukulturellen Leitlinien des Bundes“ haben das vor einem Jahr klargemacht: Architektur und Planung sind Gemeinwohlaufgaben. Wer die Qualität des Gebauten dem Zufall überlässt, produziert nicht Innovation, sondern Konflikte. Bayern hat das verstanden, oft früher als andere. Mit den regionalen Architektengruppierungen ist eine Struktur entstanden, die Bürgerinnen und Bürger, Politik und Fachwelt an einen Tisch bringt – und zwar nicht erst dann, wenn das Bauschild schon steht, sondern früh, offen und streitbar.

Das Gleiche gilt für die Kommunaltage der Bayerischen Architektenkammer. Dort zeigt sich jedes Mal: Die Herausforderungen sind überall ähnlich – Schulen, die für den Ganztag ertüchtigt werden müssen, energetisch überfällige Liegenschaften, verödende Ortszentren, die Klimaanpassung, die niemand mehr aufschieben kann. Kommunen erwarten Orientierung, Qualität und belastbare Verfahren. Wettbewerbsverfahren und Gestaltungsbeiräte bieten genau das, aber sie müssen konsequenter eingesetzt werden. Wer sagt, „dafür fehlt uns die Zeit“, muss sich fragen lassen, wie viel Zeit schlechte Entscheidungen später kosten.

Neues Schulbuch

Der Blick muss aber noch weiter nach vorne reichen. Denn die entscheidende Grundlage baukultureller Kompetenz entsteht nicht erst im Rathaus, sondern in der Schule. Seit Jahren arbeitet die Bayerische Architektenkammer deshalb eng mit dem Kultusministerium zusammen. Lehrkräfte und Planende haben in der Landesarbeitsgemeinschaft Architektur und Schule Bayern ein bundesweit einmaliges Netzwerk aufgebaut. Die Erfahrung zeigt: Kinder und Jugendliche verstehen sehr schnell, wie Räume wirken, warum gute Planung wichtig ist – und wie sie selbst mitgestalten können.

Dass diese Arbeit Früchte trägt, beweisen 15 000 Schülerinnen und Schüler, die im Schuljahr 2024/25 am bayernweiten Architekturwettbewerb teilgenommen haben. Sie haben entworfen, konstruiert und sich intensiv mit ihrem Umfeld auseinandergesetzt. Wer so früh lernt, dass Architektur ein gesellschaftlicher Prozess ist, wird später verantwortungsbewusst mitentscheiden, und vielleicht sogar auch bauen und planen.

Ein Wendepunkt ist das neue Schulbuch Baukultur der Bundesstiftung Baukultur. Es vermittelt Grundlagen des Planens und Bauens bereits ab der 4./5. Klasse und macht deutlich: Baukultur ist nicht elitär, sondern alltagsnah. Sie verbindet Klimaschutz und Ressourcenverbrauch, Demokratie und Mitbestimmung, Handwerk und Wirtschaft. Wenn Bayern hier vorangeht – und in Schwaben sind bereits über 90 Prozent der Gymnasien versorgt – kann das bundesweit Maßstäbe setzen.
Wer heute über die Zukunft unserer Städte spricht, kommt an dieser Frage nicht vorbei: Wie viel baukulturelle Kompetenz wollen wir unseren Kindern, unseren Kommunen und letztlich uns selbst zugestehen? Es reicht nicht, über schöne Orte zu reden. Man muss sie gestalten können – und man muss wissen, was dafür nötig ist.

Bayern hat alle Voraussetzungen: engagierte Planende, erfahrene Lehrkräfte und eine wachsende Infrastruktur baukultureller Bildung. Was jetzt fehlt, ist der politische Wille, diese Ressourcen flächendeckend zu nutzen. Baukultur ist kein dekoratives Anhängsel – sie ist zentrale Zukunftspolitik. Und sie beginnt bei denen, die morgen entscheiden, wie wir wohnen, arbeiten und zusammenleben. 
 

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