Bauen

Die Kirche St. Martin in Frómista. (Foto: Ursula Wiegand)

13.09.2019

Kirchen, Klöster und Kapellen

Das nordspanische Palencia ist reich an Romanikbauten

Palencia in Nordspanien besitzt ein reiches Architektur-Erbe, sowohl die Stadt als auch die gleichnamige Provinz. Beide gehören zur autonomen Region Kastilien-León, wo noch zahlreiche romanische Bauten aus dem 11./12. Jahrhundert den Zeiten trotzen konnten. Vor allem sind es Kirchen und Kapellen, für deren Erhalt und Restaurierung sich Menschen vor Ort tatkräftig eingesetzt haben. Dieser kraftvoll-schlichte Stil scheint auch bei der Bevölkerung Kräfte freizusetzen. Nun zählen solche Bauten zum geschützten Nationalen Erbe.

Als Startpunkt auf dieser durch die Provinz Palencia führenden Romanik-Route empfiehlt sich Aguilar de Campoo und ebenso ein Blick auf diese 8000 Einwohner zählende Kleinstadt. Der bietet sich vom Felsenhügel Peña Aguilón, gekrönt von den Resten einer Burg aus dem 12. Jahrhundert. Von oben ist zu erkennen, wie sich die Häuser mit ihren rotbraunen Ziegeldächern um die Kollegiatskirche San Miguel scharen und sich neue Wohnbauten dem historischen Stadtbild anpassen.

Am Fuße des Burgbergs steht die romanische Kirche Santa Cecilia, doch die Tür ist verschlossen. „Sie wurde ausgeräumt und wird nicht mehr benutzt“, erklärt unsere Begleiterin Mara Castaño. Also weiter bis zum Stadtzentrum, und das überrascht. Anders als beim Blick von oben vermutet, steht die mächtige Kirche San Miguel, deren Ursprung ins 11. Jahrhundert zurückreicht, frei am Ende der breiten Plaza Mayor, dem Marktplatz.

Eckiger Turm

Das jetzige Bauwerk mit dem eckigen Turm stammt aus dem 14. Jahrhundert und zeigt den Stilwandel von der Romanik über die Gotik bis zur Renaissance. Auf der linken Seite der Plaza Major fällt bei mehreren Häusern die weiße gitterartige Holzverkleidung vor der Fensterfront auf, ein Sonnenschutz und Gebäudeschmuck gleichermaßen.

In Aguilar de Campoo zieht es die Architekturfans vor allem ins ehemalige Kloster Santa María la Real, gegründet der Legende nach im 9. Jahrhundert. Der jetzige, später errichtete Komplex zeigt den Übergang von der Romanik zur frühen Gotik. Seit 1155 lebten dort – auf Geheiß von Kastiliens König Alfons VIII. – Prämonstratenser-Mönche.

Wie alle Klöster Spaniens wurde auch dieses 1835 aufgelöst, stand bis 1977 leer und drohte zu zerfallen. Nur die romanische Klosterkirche blieb fast unversehrt. Für dieses Beispiel der Baukunst setzte sich die Bevölkerung energisch ein. „Leute aus dem Ort sorgten mit wenig Geld und viel Engagement für ihre Rettung. Sogar der zerstörte Kreuzgang wurde wieder errichtet“, betont Jaime Nuño González, Direktor des Forschungszentrums Romanik. In dem sanierten Ex-Kloster bietet nun das Romanik-Museum ROM eine gute Einführung in die Architektur, Kunst und Lebensweise jener Zeit.

Jetzt Klassenzimmer

Ein weiterer Teil von Santa María la Real dient inzwischen als Schule. Aus den früheren Mönchszellen wurden Klassenzimmer. Die rückseitigen Räumlichkeiten nutzt die Posada Santa María La Real, ein feines Hotel mit exquisiter Küche. Der Romanik folgt hier die Romantik.

Dermaßen informiert und gestärkt geht es nun auf der Romanik-Route zum wieder genutzten Kloster Abadía de Santa María y San Andrés, auch bekannt als Monasterio de San Andrés de Arroyo. Hier leben elf Zisterzienserinnen. Auf dem romanischen Glockengiebel hat sich ein Storch sein Nest gebaut und kann von dort in den schönen Kreuzgang und den sonnigen Innenhof blicken.

Eine der größten Ansammlungen romanischer Bauten in ganz Europa findet sich in den steinernen Bergen der Provinz Palencia, sogar Höhlenkirchen, wie San Justo und San Pastor aus dem 11./12. Jahrhundert in Olleros de Pisuerga. Mit einem großen Schlüssel öffnet der Küster Abel De Robaramos die Tür, da das Kirchlein in der kalten Jahreszeit geschlossen bleibt. Drinnen ist außer den eingebauten Säulen gerade nichts. Der alte holzgeschnitzte Altar wurde perfekt in die felsige Wandrundung eingepasst.

Vor 32 Jahren hat Abel De Robaramos in diesem Kirchlein geheiratet. Das ist nach Voranmeldung weiterhin möglich, vor allem im Sommer, werden doch diese geschichtsträchtigen Dorfkirchen in den Monaten Juli und August generell geöffnet. Kastilien-Léon will seine Romanik-Schätze möglichst vielen Menschen zeigen.

Ein besonderer Anziehungspunkt ist eine einstige Einsiedelei, die Ermita de Santa Cecilia in Valleespinoso de Aguilar. Dieses nur 19 x 9 Meter große ländliche Wallfahrtskirchlein, eine Romanik-Perle von ungewöhnlicher Form, ziert fast sämtliche Broschüren. Der Turm wirkt wie angeklebt und wurde tatsächlich an die Kirchenwand angebaut. Fein gearbeitete Details, wie das gekonnt verzierte Portal, fallen ebenfalls auf.

Nach diesen stillen Dörfern erscheint das Städtchen Frómista, eine Station auf dem Jakobsweg nach Santiago de Compostela, recht lebhaft. Pilger streben zur St. Martinskirche. „1066 wurde sie erstmals urkundlich erwähnt, ist aber noch älter“, sagt Mara. Allgemeines Erstaunen, denn dieses kompakte, italienisch inspirierte Gotteshaus wirkt deutlich neuer. Das ist der kompletten Restaurierung im 20. Jahrhundert zu verdanken. „Jeder Stein wurde nummeriert, um ihn später an der richtigen Stelle wieder einzufügen“, betont Mara. Unter den diversen Dächern lässt sich eine Fülle von unterschiedlich gestalteten Tier- und Menschenköpfen entdecken. Drinnen zeigt ein Modell, wie kaputt diese Kirche mal war. Nun ist sie wieder ein lebendiges Beispiel romanischer Baukunst. Andere Kirchen in Frómista sind geschlossen oder werden als Museum genutzt.

Bleibt noch die 80 000 Einwohner-Stadt Palencia. Ihr Stolz ist die großartige Kathedrale aus dem 14. Jahrhundert mit dem reich verzierten Eingangsportal. Aus Sanierungsgründen steht zurzeit nur das halbe Gebäude offen. Der älteste Teil ist die vom Vorgängerbau übenommene präromanische Krypta aus dem frühen 7. Jahrhundert. Ein mystischer Raum.

Und welches Haus gilt als das schönste? Für die Bürger ist es die Schule von Villandrando, ein rotwandiges, zierliches Haus von 1911 mit einem farbenreichen Keramikbild als Fries, konzipiert von dem damals berühmten Architekten Jeronimo Arroyo.

Ein ganz anderes Bauwerk durchzieht die gesamte Provinz Palencia: der Canal de Castilla. Aus dem Nordosten kommend führt dieser 207 Kilometer lange Kanal dicht vorbei an der Stadt Palencia, die durch einen Stichkanal angebunden ist. Danach teilt er sich in zwei Arme. Auf der Landkarte wirkt der nun Dreiarmige wie ein schräges kopfstehendes Ypsilon.

Gebaut wurde er für den Getreidetransport und schon im 16. Jahrhundert hatten kluge Köpfe darüber nachgedacht. 1753 wurde der Bau unter der Leitung von Carlos Lemour und Antonio Ulloa begonnen, aber erst nach gut 100 Jahren fertiggestellt und damit weit später als geplant. Denn König Ferdinand VII. (1784 bis 1833) war zwischenzeitlich in Geldnot gekommen, sodass die Privatwirtschaft einspringen musste. Letztendlich galt der Kanal mit seinen fünf Wehren als ingenieurtechnisches Meisterwerk und wurde ab 1850 von privater Hand betrieben.

Die Freude währte jedoch nur kurz. Durch den Eisenbahnbau verlor der Kanal als Transportweg seine Bedeutung. Von grünen Ufern gesäumt und entsprechend gepflegt ist er nun von ökologischer und kultureller Bedeutung. Ausflugsboote fahren auf seinen Wassern, auf den früheren Treidelpfaden wird geradelt, gewandert und gepilgert.

Fazit: In der Provinz Palencia werden durch Sanierung, Restaurierung und Umnutzung nicht nur rund tausendjährige Romantikbauten für die Nachwelt erhalten. (Ursula Wiegand)

(Ein Wehr des Canal de Castilla. Die Ermita des Santa Cecilia in Walleespinoso des Aguilar und die Schule von Villandrando mit dem farbigen Fries - Fotos: Ursula Wiegand)

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