Bauen

Die Alte Schäfflerei nach der Sanierung. (Foto: Schwenger)

04.12.2015

Kulturerbe sichern und bewahren

Die „Gläserne Baustelle“ des Fraunhofer-Instituts für Bauphysik IBP im Kloster Benediktbeuern

Das Fraunhofer-Institut für Bauphysik (IBP), Standort Holzkirchen, und das Kloster Benediktbeuern verbindet schon seit dem 19. Jahrhundert eine gemeinsame, historische Glas-Geschichte. Hat doch Joseph von Fraunhofer (1787 in Straubing geboren; am 7. Juni 1826 in München gestorben), im Kloster unter anderem erstmals schlierenfreies Glas für optische Messgeräte entwickelt und die „Fraunhoferschen Linien“ im Sonnenspektrum entdeckt. Nach der Säkularisation im Jahr 1803 hatte Fraunhofers damaliger Chef, Joseph von Utzschneider, 1805 die Klosteranlage – das Kloster ist eines der ältesten Oberbayerns, seine Gründung geht auf das 8. Jahrhundert zurück – gekauft und sein Optisches Institut an diesen Ort verlegt. Die denkmalgeschützte Fraunhofer’sche Glashütte ist übrigens restauriert und zu besichtigen.
Das Thema „Glas“ setzt sich nun im Kloster fort – wenn auch nur indirekt. Heute befindet sich im Kloster eine „Gläserne Baustelle“ durch den Pächter, dem Fraunhofer-Institut für Bauphysik IBP. Dieses Mal in der Alten Schäfflerei, die Teil des ehemaligen Handwerkerbezirks im Kloster Benediktbeuern ist und aus der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts stammt. Das Gebäude mit seinem barocken Walmdach und der unterstützenden Hängesäulenkonstruktion steht unter Denkmalschutz. Einst wurde es als Fassremise zur Herstellung von Fässern für die angrenzende Klosterbrauerei genutzt.
Nun führt das Fraunhofer IBP dem Baudenkmal eine neue Nutzung zu: Es richtet dort das Fraunhofer-Zentrum für energetische Altbausanierung und Denkmalpflege Benediktbeuern ein. Das Zentrum wendet sich an Architekten, Ingenieure, Fachplaner, Handwerker, Denkmalpfleger, Energieberater, Bauherren, Kommunen und alle, die sich für die Thematik interessieren. Bis zu seiner Fertigstellung – geplant ist Juni 2016 – können sich Besucher schon jetzt über die Arbeit des Fraunhofer-Zentrums Benediktbeuern informieren und die Baustelle besichtigen, es ist also eine „Gläserne Baustelle“.
Das IBP veranstaltet auch jetzt bereits Fachtagungen, beispielsweise zum Thema Temperierung und lädt Gremien wie die WTA (Wissenschaftlich-Technische Arbeitsgemeinschaft für Bauwerkserhaltung und Denkmalpflege e.V.) oder Projektpartner des EU-Projekts EFFESUS nach Benediktbeuern ein, bei dem Partner aus 23 Ländern zur Erforschung von Energieeffizienz historischer Stadtquartiere diskutieren. Außerdem finden feste und wechselnde Ausstellungen zu den einzelnen Bauabschnitten und aktuellen Forschungsprojekten wie zum Beispiel Wandheizungssysteme, Innendämmungen und Balkenköpfe statt.
Leitgedanke ist, das Gebäude der Alten Schäfflerei als Anschauungsobjekt auch schon jetzt im Sinne der „Gläsernen Baustelle“ denkmalfachlich und unter energetischen Gesichtspunkten instand zu setzen. Damit fördert das Zentrum aktiv den Wissenstransfer zwischen Denkmalpflege, Baupraxis, Forschung und Industrie. Auch nach Fertigstellung werden die Forschungsarbeiten weiterlaufen, das ist ja vor allem Sinn des Projekts.
Das Sichtbarmachen bauphysikalischer Vorgänge, das Veranschaulichen von Methoden und das Zeigen von Materialien ist ein wichtiges Anliegen des Zentrums. „Hauptbeweggrund unseres Handelns ist die Überzeugung, dass Forschung ein wesentlicher Faktor für die Erhaltung und das Fortbestehen unserer Baudenkmäler sowie der traditionell bebauten Umgebung ist“, so Christine Milch, verantwortliche Koordinatorin für Bau und Forschung beim IBP, „ganz nach unseren Leitlinien: Forschung, Demonstration, Wissen sammeln und Wissen vermitteln.“ Und so werden durch das Zusammenführen von Tradition und Innovation in Benediktbeuern neue praxisnahe Lösungen entwickelt, die am Baudenkmal und Altbaubestand langfristig funktionieren und die historische Substanz erhalten.
Zum Beispiel wurde das Gebäude der „Alten Schäfflerei“ gerade verputzt. An einem Großteil der Fassade wurde mit einem Kalkputz in der „Nass-in-Nass-Technik“ gearbeitet, der in der Denkmalpflege großen Zuspruch findet. „Das ist genau die passende Technik für dieses historische Gebäude“, so Christine Milch.

Mess-Sensoren in den Wänden und der Decke


Abgeschlossen sind Untersuchungen zu verschiedenen Wandheizungsmethoden, die Ergebnisse sind ausgewertet und werden im Laufe des kommenden Jahres veröffentlicht. Momentan untersucht werden verschiedene Dämmmaterialien nach ihrer Dämmeigenschaft. Dazu sind an und in der Decke sowie den Wänden Messsensoren angebracht. „Die Sensoren messen unter anderem Temperatur und Feuchtigkeit sowie den Wärmestrom“, so Milch. An den Wänden sind als Innendämmung unter Putz unter anderem verschiedene nachwachsende Rohstoffe wie Schilfrohr, Typha, Zellulose, aber auch innovative Aerogele und konventionelle Dämmstoffe verarbeitet. Die Messungen hierzu laufen noch bis Mitte 2016.
Beim Tag des offenen Denkmals im September konnten sich Besucher beispielsweise über die Sanierung von alten Holzböden informieren. Dazu lag ein Stück Diele mit einem interessanten Innenleben offen: Auf den Deckenbalken lag zunächst eine dämpfende Trennung aus Sylomer-Kunststoff, darauf kamen eine OSB-Platte und anschließend eine dämpfende Bahn aus Korkmaterial.
Die originalen, gewaschenen Holzdielen aus dem Bestand wurden dann auf den unteren Schichten neu verlegt und abschließend geölt. Zuvor wurden im Rahmen des ersten Bauabschnitts die Balkenköpfe des Bodens zimmermannsmäßig repariert. Die schadhaften Balkenköpfe wurden gesundgeschnitten und mit unterschiedlichen Methoden instand gesetzt. Auch hier wurde die Reparatur als im Sinne der Forschung betrachtet: Es kamen sieben Varianten wie zum Beispiel Überblattungen von Alt- und Neuholz auf unterschiedlichen Auflagermaterialien sowie Schlitzbleche und gedämmte Balkenköpfe zum Einsatz.
Eine weitere Möglichkeit, den kalten Bereich in der Mauer zu erwärmen, testeten die Wissenschaftler des IBP in Form eines Kupferblechs, das sich über die Stirnseite des Balkens zieht und bei Erwärmung des Innenraums Wärme in die kalte Mauertasche leitet. Die Wirkung der Varianten wird ebenfalls mit Sensoren für Temperatur und Holzfeuchte gemessen. (Sabrina Schwenger) (In der "Gläsernen Baustelle" kann man sich unter anderem über die Sanierung alter Holzböden informieren; die Außenwände des Gebäudes sind auf unterschiedliche Arten verputzt. Im ersten Stock hängen dazu Messgeräte, die die verschiedenen Dämmeigenschaften messen - Fotos: Schwenger)

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