Zu Beginn liegt nicht mal ein Meter zwischen dem Waldboden und dem Holzpfad, der darüber führt. Ein paar Schritte und der Abstand wird größer, der Waldboden fällt ab, entfernt sich immer weiter vom Pfad, der auf gleicher Höhe weiterführt. Muss man zunächst noch den Kopf in den Nacken legen, um einen Blick in die Baumkronen zu werfen, ist man nach ein paar Schritten schon mittendrin und später mit ihnen auf Augenhöhe. 20 Meter werden es an der höchsten Stelle sein. Wer sich traut, steigt auf ein begehbares Netz, um ein Gefühl für diese Höhe zu bekommen.
Das Netz ist eine von vielen Erlebnisstationen auf dem neuen Klimawaldpfad im Tiergarten der Stadt Nürnberg. Auf einer Länge von 450 Metern führt der Pfad Besucherinnen und Besucher gezielt in die Wipfel der Bäume im oberen Teil des Tiergartens und über seine Grenzen hinaus.
Nürnbergs Oberbürgermeister Marcus König (CSU) freut sich über die Fertigstellung des Projekts: „Mit dem Klimawaldpfad machen wir Klima- und Naturschutz erlebbar und den wichtigen Lebensraum Wald greifbar. Wir verdeutlichen hier, warum es konsequenten Klimaschutz braucht.“
Förderung
ermöglichte das Konzept
Christian Vogel, Bürgermeister der Stadt Nürnberg und zuständig für den Tiergarten, sagt: „Mit dem Klimawaldpfad wird unser Tiergarten um eine große Attraktion reicher. Er bekommt damit eine weitere tolle Möglichkeit, seinen Bildungsauftrag für nachhaltige Entwicklung zu leben und Besucherinnen und Besucher für Natur, Tiere und Umweltschutz zu begeistern.“
Wer den Pfad mit seinen vielen Lern- und Erlebnisorten bewusst erkundet, wird schnell feststellen, dass der Klimawandel hier das zentrale Thema ist: Wie verändert er unsere Tier- und Pflanzenwelt? Neben widerstandsfähigen Zukunftswäldern thematisiert der Pfad die großen Verlierer des Klimawandels in der Tierwelt: heimische Amphibienarten, denen die zunehmende Trockenheit zu schaffen macht; Waldrentiere, die in ihrem natürlichen Verbreitungsgebiet beispielsweise Flüsse nicht mehr überqueren können, weil das Eis fehlt; Eisbären, deren Lebensraum und Jagdgebiet immer weiter schwindet.
„Der Klimawandel hat massive Auswirkungen auf unsere Tier- und Pflanzenwelt und somit auch auf uns selbst. Wir Menschen sind dabei nicht nur Teil des Problems, sondern können auch Teil der Lösung sein. Diese Botschaft und Zuversicht möchten wir unseren Gästen hier auf dem Klimawaldpfad vermitteln“, sagt Tiergartendirektor Dag Encke.
Das Konzept für dieses Großprojekt entstand bereits vor mehr als zehn Jahren. Mit der Förderzusage der Zukunftsstiftung der Sparkasse Nürnberg in Höhe von 4,1 Millionen Euro verwandelte es sich in konkrete Pläne und schließlich in ein eindrucksvolles Bauwerk, das sich harmonisch in den Tiergarten und den Reichswald einfügt. Weitere 1,1 Millionen Euro für die Tiergehege stammen aus den Rücklagen des Tiergartens.
„Es ist ein Projekt, das die Besucherinnen und Besucher begeistern wird. Umweltbildung ist auf unserem Weg zu einem nachhaltigeren Leben immens wichtig. Ich bin überzeugt, dass der Klimawaldpfad hierfür einen wesentlichen Beitrag leisten wird. Mit unserer Zukunftsstiftung wollen wir genau solche Projekte möglich machen. Projekte, die heute und auch in Zukunft für Nürnberg und die Menschen hier relevant sind“, so Matthias Everding, Vorsitzender des Vorstands der Zukunftsstiftung der Sparkasse Nürnberg.
Seit ihrer Gründung im Jahr 2000 förderte die Zukunftsstiftung der Sparkasse Nürnberg über 320 Projekte aus den Bereichen Kunst und Kultur, Bildung, Jugend und Sport sowie Umwelt und Naturschutz mit mehr als 30 Millionen Euro. Zum 200-jährigen Jubiläum der Sparkasse Nürnberg im Jahr 2021 entstand die Idee, der Stadt Nürnberg mit der Förderung des Klimawaldpfads ein besonderes Geschenk zu machen.
Der Klimawaldpfad führt steigungsfrei durch alle Stockwerke des Waldes – vom Boden bis zur Krone. Mit 2,5 Metern ist der Pfad sehr breit und auch für Rollstuhle oder Kinderwagen optimal geeignet. An Erlebnis- und Spielstationen können Besucherinnen und Besucher sich ausprobieren und den Wald aus einer neuen Perspektive entdecken. Ruheplätze laden zum Verweilen und Genießen ein.
Eine besondere Rolle spielt auch das umweltpädagogische Konzept: Die Basis bilden Infotafeln, die mehr über den Lebensraum Wald, die Zusammenhänge im Ökosystem und die Auswirkungen des Klimawandels verraten. Daneben bietet das Team der Nürnberger Zoopädagogik für jede Altersstufe themenspezifische Führungen an. Auch Bildungseinrichtungen wird der Klimawaldpfad als Lernort dienen – genauer gesagt ein „Grünes Klassenzimmer“ in knapp 20 Metern Höhe, das den Blick in die Baumkronen öffnet.
Der Klimawaldpfad wurde von Stöger+Kölbl Architekten, den Baumwipfelpfad-Pionieren aus dem Bayerischen Wald, entworfen und geplant. Die Planung fand in Zusammenarbeit mit Zoo-Designer Martin Schuchert von wild-design statt. „Die Konstruktion des Klimawaldpfads erfolgt natürlich in Holzbauweise“, sagt Planungs- und Baureferent Daniel F. Ulrich. „Das Hochbauamt hat hier zusammen mit dem Tiergarten und der beauftragten Firma ein wirklich schönes Stück Tiergarten geschaffen.“
Architektin Johanna Stöger: „Bei den Stützen fiel die Wahl auf Douglasie. Sie ist langlebig, hat einen geraden Wuchs und auch in großen Höhen den statisch erforderlichen Durchmesser. Außerdem zählt sie zu den Zukunftsbaumarten, die in einigen Jahren vielleicht häufiger in unserer Region anzutreffen ist.“ Die Douglasien-Stämme für den Klimawaldpfad kommen bereits aus dem Bayerischen Wald.
Mit seinem Angebot und seinen Möglichkeiten fügt sich der Klimawaldpfad in das Gesamtkonzept des Tiergartens Nürnberg ein. Wald, Wasser, Wüste: Diese drei Lebensräume prägen den Landschaftszoo. Der Lebensraum Wasser wird in der Delfinlagune, im Manatihaus, an den Weihern und im Aquapark mit Eisbären, Seelöwen und Pinguinen zum Thema.
Die Wüste wird im ehemaligen Flusspferdhaus erlebbar: 2018 ist dort ein begehbares Terrarium für Tiere und Pflanzen des nördlichen Afrikas entstanden – dies mit Passivhausstandard für denkmalgeschützte Gebäude.
Der Lebensraum Wald prägt auch jenseits des Klimawaldpfades den Tiergarten, der als Forstbetrieb der Stadt Nürnberg auch für die städtischen Wälder zuständig ist. Der mittlere Bereich des Tiergartens wird unter dem Motto „Zeit erleben: Reichswald von morgen und Tiere von gestern“ schrittweise umgestaltet. Dort leben überwiegend bedrohte asiatische Tierarten. Asiatische Pflanzen geben einen Ausblick darauf, wie der fortschreitende Klimawandel die Vegetation im Reichswald verändern könnte.
Christian Kölling, Bereichsleiter Forsten am Amt für Ernährung Landwirtschaft und Forsten Fürth-Uffenheim, beschäftigt sich seit vielen Jahren mit den Wirkungen des Klimawandels auf die Wälder. Er hat den Tiergarten bei der Planung des Klimawaldpfads unterstützt: „Wir müssen den bestehenden Baumarten in unseren Wäldern neue Arten hinzufügen, die mit dem künftigen Klima gut zurechtkommen. Das Prinzip dieser bedachten Anreicherung wird auch auf dem Klimawaldpfad deutlich: Mitten auf dem Weg wurden Zukunftsbaumarten gepflanzt.“
Neben der Schlüsselrolle, die Wälder für ein lebenswertes Klima spielen, bleibt Holz auch als Rohstoff wichtig, insbesondere in Form von regionalem Bauholz. „Auch diesen Aspekt müssen wir beim Umbau unserer Wälder berücksichtigen“, sagt Johannes Wurm, Forstbetriebsleiter des Forstbetriebs Nürnberg der Bayerischen Staatsforsten, ein weiterer Partner des Tiergartens. „Neben den heimischen und klimastabilen Laubbäumen setzen wir beim Waldumbau auch auf Nadelbaumarten wie Weißtanne und Douglasie. Für die nachhaltige Versorgung mit dem Rohstoff Holz sind Nadelbäume unverzichtbar.“ Auch das soll der Klimawaldpfad zeigen.
Der Klimawaldpfad öffnet am 26. Juli, der Eintritt ist im normalen Tiergarteneintritt inbegriffen. (Luisa Rauenbusch)
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