Bauen

Das Mies van der Rohe-Modell eines Golfclubhauses mitten im Getreidefeld. (Foto: Wiegand)

06.09.2013

Mies van der Rohe im Kornfeld

Architekturperlen im Ruhrpott

Nanu, ein neuer Mies van der Rohe-Bau? Den bringt Krefeld zustande und bietet damit ein international beachtetes Architekturprojekt in Egelsberg am Stadtrand. Mitten in einem Kornfeld hat der Mies-Entwurf für ein Golfclubhaus, das 1930 wegen der Wirtschaftskrise nicht realisiert wurde, Gestalt angenommen. Gelungen ist das dem belgischen Architekten Paul Robbrecht. Nach den Plänen und Perspektiven aus dem Nachlass von Mies, gehütet vom Metropolitan Museum in New York, hat er ein Modell in Originalgröße geschaffen, begehbar bis zum 27. Oktober.
Zu sehen ist ein luftiger Bau von schöner Schlichtheit, dessen offene Raumgestaltung an den Barcelona-Pavillon anknüpft, den Mies zur Weltausstellung 1929 konzipierte. Beim Gang um und durch dieses Modell ergeben sich stets neue, überraschende Ein- und Aussichten. Leider wird der nicht winterfeste Bau nach der Ausstellung abgerissen, geht aber hälftig an zwei Universitäten.
Mies van der Rohe in echt und auf Dauer gibt es außerdem: die Häuser Esters und Lange in der Wilhelmhofallee 91-97. Beide Familien, Namensgeber der Domizile, beauftragten 1927 den schon vor seiner Zeit als Bauhausdirektor (1930 bis 1933) berühmten Architekten mit der Planung ihrer Häuser. 1930 wurden die geometrischen Gebäude fertig. Sie gelten als Glanzlichter Neuen Bauens und sind nun Museen für zeitgenössische Kunst. Mies hat Nachfolger gefunden. Gerade würdigt eine Ausstellung den Architekten Bernhard Pfau, der von 1952 bis 1958 die Textilingenieurschule am Frankenring zur Hochschule Niederrhein umfunktionierte. Vor allem die Glasfront war seinerzeit umstritten.
Ähnlich erging es zunächst dem Behnisch-Haus von 2002, einem kühn ins Zentrum ragenden Bau mit einer rund 190 Meter langen Glasfassade, geplant von Günter Behnisch. Bald zogen Geschäfte, Praxen, Büros und Restaurants ein und machten das kritisierte Gebäude zu einem beliebten Treffpunkt, der die Innenstadt belebt. Ein gewollter Kontrast zu den stattlichen Bürger- und Jugendstilhäusern am Alexander- und Corneliusplatz, die von der Blütezeit Krefelds als Samt- und Seidenstadt künden.
Inzwischen kommt Krefeld und Städten im angrenzenden Ruhrgebiet der „Stadtumbau West“ zugute, ein 2006 gestartetes Bund-Länder-Förderprogramm, mit dem den negativen Auswirkungen des demografischen und wirtschaftlichen Wandels begegnet wird. In Nordrhein-Westfalen wurden 44 Kommunen mit insgesamt 57 Projekten in dieses Stadtumbau-Programm aufgenommen, darunter auch Krefelds Innenstadt.
Wie positiv neues Bauen und neues Denken wirken, zeigt das in Umwandlung befindliche Ruhrgebiet. Paradebeispiele dafür sind Duisburg und Essen. Beide Städte haben darüber hinaus frühzeitig die Moderne für sich entdeckt. Siehe Duisburgs Lehmbruck Museum, das der Architekt Manfred Lehmbruck, ein Mies van der Rohe-Schüler, 1964 für seinen Vater, den von den Nazis verfemten Bildhauer Wilhelm Lehmbruck, errichten ließ. In Essen brachte die IBA Emscher Park mit dem von Norman Foster 1994 erstellten Masterplan für die Wiedernutzung des Innenhafens (nicht zu verwechseln mit dem Binnenhafen) die Wende. Seither haben ihn Architekten und Künstler zur neuen Lebensader und Topadresse der schwächelnden Stahlstadt gemacht. Die silbrig-runden Bürobauten von Grimshaw Architects (2005), die „Five Boats“, gehören zu den Highlights.
Das Weltkulturerbe Zeche Zollverein
Eine weitere Attraktion schufen die Baseler Architekten Herzog & de Meuron 1997 bis 1999 durch den Innenumbau eines einstigen Kornspeichers zum MKM Museum Küppersmühle für moderne Kunst. Der neu genutzte Backsteinbau ergänzt so gesehen Essens 1988 eröffnetes Aalto-Theater, geplant von Alvar Aalto, dem finnischen Meister der Moderne. Sein weißer Bau wirkt wie ein aufgeschlagenes Buch, während sich das Hundertwasserhaus von 2005 im Grugapark typisch bunt und verspielt präsentiert.
Zum Synonym für die Modernisierung einer ganzen Region wurde jedoch die Umgestaltung der still gelegten Zeche Zollverein durch Böll Architekt EDA Ende der 1990er Jahre. Seit 2001 zählt sie zum Weltkulturerbe. Führungen erschließen nun dieses Industriedenkmal, das auch Raum für Ausstellungen und Events bietet. Die Umstrukturierungsleistungen wurden mit der Wahl Essens zur Kulturhauptstadt Europas 2010 belohnt. Statt Ruß und Rauch bietet der Ruhrpott nun strotzendes Grün und blauen Himmel.
(Ursula Wiegand)

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