Bauen

Das Erdgeschoss des neuen Bauhaus Museums Dessau ist als offene Bühne konzipiert. (Foto: Wiegand)

22.03.2019

Museumsneubau als offene Bühne

Anlässlich von 100 Jahre Bauhaus wird in Dessau ein Bauhaus Museum errichtet

100 Jahre Bauhaus – das verpflichtet und beflügelt zugleich. Beim Eröffnungsfestival vom 16. bis 24. Januar in Berlin wurde das sogleich deutlich. Da das Berliner Bauhaus-Archiv/Museum für Gestaltung gerade restauriert und durch einen modernen Anbau erweitert wird, begann das Jubiläumsjahr in der 1960 errichteten Akademie der Künste im Hansaviertel, das zur IBA 57 (der Internationalen Bauausstellung 1957) entstanden ist. Walter Gropius und Stararchitekten wie Oscar Niemeyer, Alvar Aalto und Johannes Hendrik van den Broek haben hier die Moderne vorangetrieben.

Während in Berlin kein Neubau nötig ist, drehen sich woanders jedoch die Kräne. Weimar wird am 5./6. April sein „bauhaus museum weimar“ eröffnen und am 8. September will das „Bauhaus Museum Dessau“ die ersten Besucher empfangen. Dieser Neubau wurde von addenda architects, einem Architekturkollektiv aus Barcelona, konzipiert, das in einem internationalen Wettbewerb mit 831 Teilnehmern den 1. Preis gewonnen hatte.

Das Bauen begann im Mai 2017, nun ist man auf der Zielgeraden. Die Glasfront des geradlinigen Gebäudes leuchtet einladend in der Sonne. Drinnen fällt durch eine Glaswand viel Licht in den 600 Quadratmeter großen Saal im Erdgeschoss. Eine „offene Bühne“ soll er sein mit Platz für Wechselausstellungen und diverse Veranstaltungen. Aber ebenso ein Kulturort für die Bewohner der Doppelstadt Dessau-Roßlau sowie die anreisenden Gäste.

Nicht nur die beiden Eingänge sorgen bei diesem Bauwerk, errichtet am Rande des Stadtparks, für den Kontakt zur Bevölkerung. Durch die Fenster im Erdgeschoss sind die Wohnhäuser gegenüber zu sehen, auf der anderen Seite die Spaziergänger im Grünen. Das geplante Café reicht in den Stadtpark hinein.

Warum aber baut die Stiftung Bauhaus Dessau überhaupt ein 25 Millionen Euro teures Museum, da die Stadt doch mit dem Bauhaus von Walter Gropius bereits eine zum UNESCO-Weltkulturerbe gehörende Ikone der Moderne besitzt, die jährlich rund 100 000 Menschen aus aller Welt bewundern? Die Diskussionen liefen jahrelang, obwohl das Land Sachsen-Anhalt und der Bund je die Hälfte der Kosten übernehmen.

Will man den Ankömmlingen zum 100. Bauhaus-Jubiläum eine neue Attraktion bieten? Nicht nur. Vor allem Platzgründe sind es. Das Bauhaus Dessau ist eine Ausbildungs- und Forschungsstätte. Es fehlte bisher an Raum und der erforderlichen Klimatisierung, um die mehr als 44 000 katalogisierten Objekte – die weltweit zweitgrößte Bauhaus-Sammlung nach der in Berlin – zeigen zu können. Allerdings wird die Dauerausstellung trotz der 2100 Quadratmeter großen Gesamtausstellungsfläche „nur“ rund 1000 repräsentative Stücke umfassen.

Dunkle Sichtbetonwände


Platz finden diese Exponate ein Stockwerk höher, in fensterloser Umgebung mit dunklen Sichtbetonwänden. Es handelt sich dabei um einen 100 Meter langen schwebenden Balken, eine „Black Box“, erklären die Fachleute. Auf Tageslicht, das stets zu unterschiedlichem Lichteinfall führt, habe man bewusst verzichtet. Diese Schwärze ist von außen nicht erkennbar. Die „Black Box“ erhält einen „gläsernen Hut“, eine Hülle aus Glas.

Mit einem Museumsrundgang allein sollte sich jedoch niemand begnügen. Erstaunlich vieles haben Walter Gropius und seine Kollegen in der kurzen Dessauer Zeit von 1925 bis 1932 geschaffen. Sehenswert sind insbesondere die von Walter Gropius geplanten Meisterhäuser für die Bauhäusler, die die Studierenden unterrichteten. Auch sie zählen zum Weltkulturerbe. Gropius’ eigenes Haus und einige andere wurden im Krieg zerstört, sind aber nach den erhalten gebliebenen Zeichnungen und Fotos rekonstruiert worden. Die übrigen Meisterhäuser wurden aufwendig restauriert. Von außen sind sie alle strenge, geradlinige Bauten, doch drinnen konnten die Meister die Farben tanzen lassen. Die Maler Lionel Feininger, Paul Klee und Wassily Kandinsky taten es gerne und nicht nur in den Bauhaus-Farben rot, gelb und blau.

Eine gewisse Farbigkeit besitzt auch das von Gropius entworfene historische Arbeitsamt. In den sanierten braunen Ziegelbau mit den schön geschwungenen Fluren im Innenbereich ist das Amt für öffentliche Sicherheit und Ordnung gezogen.

Überdies wurden diese Bauten relativ geschwind errichtet. Die Bauhaussiedlung Törten, ein Versuchsprojekt mit 314 Häusern, entstand in den Jahren 1926 bis 1928 und steht unter Denkmalschutz. Wohnungen und Geld waren damals Mangelware, schnell und billig sollte gebaut werden. Die tragenden Wände wurden vorgefertigt, weiteres, wie die Betonarbeiten, erledigten die Bautrupps vor Ort. Das Ergebnis waren schlichte weiße, kreisförmig angeordnete, nur 57 bis 74 Quadratmeter große Reihenhäuser plus Konsum-Gebäude. Dieses zweiteilige Bauwerk dient inzwischen als Informations- und Ausstellungsort, dort starten die Architektur-Führungen durch Törten.

Dieses damalige „Fließband-Bauen“ traf genau die Bauhaus-Vorliebe für eine preiswerte, industrielle Fertigung. In rund zwei Tagen war solch ein Haus gebaut. Nach wie vor werden diese Häuser bewohnt, wurden aber von den Bewohnern im Laufe der Zeit umgebaut. Nur ein Haus ist noch weitestgehend im Originalzustand, das 1926 errichtete Haus Anton in der Dessauer Doppelreihe 35. Die rekonstruierten Glasbausteine neben und über der Stahltür fallen sofort ins Auge. Die ursprüngliche Aufteilung des Hauses ist geblieben, auch die Sitzbadewanne in der Küche. Erhalten sind Tapetenreste sowie einige Lampen und Möbel. Im Rahmen von Architekturführungen kann Haus Anton besichtigt werden.

Ein Stahlhaus von Muche-Paulick enthält die Siedlung ebenfalls. Wer Zeitreserven hat, schaut sich auch die vom Bauhäusler Hannes Meyer entworfenen Laubenganghäuser von 1929 mit den leuchtend roten Ziegelwänden an. Eine Erholung im Bauhausstil bietet schließlich das Kornhaus Dessau, ein Café-Restaurant von 1929 mit Sonnenterrasse am Ufer der Elbe, geplant von Carl Fieger. Als enger Mitarbeiter von Gropius machte er oft die Zeichnungen zu dessen Entwürfen.

Vermutlich wird auch in Dessaus Anhaltinischem Theater bereits heftig gezeichnet und geprobt. Denn im September 2019 wird dort Wassily Kandinskys Farboper Violett vor der Kulisse des Totaltheaters von Walter Gropius uraufgeführt. Ein weiterer Beweis für die Experimentierfreude der Bauhäusler und ein neues Highlight zum 100. Bauhaus-Geburtstag.
(Ursula Wiegand)

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