Das über Jahre hinweg gestiegene Verkehrsaufkommen, der zunehmende Anteil an Schwerlastverkehr oder einfach das Alter – es gibt viele Gründe, warum Brücken erneuert werden müssen. Eine davon ist die Talbrücke (TB) Werntal im Zuge der Bundesautobahn (BAB) A 7.
Die BAB A 7 Abschnitt Fulda – Würzburg ging im Jahr 1968 unter Verkehr. Die Mittelgebirgstopografie machte in diesem Abschnitt eine ganze Reihe großer Talbrücken erforderlich. Diese wurden nach dem technischen Regelwerk ihrer Zeit dimensioniert und berechnet. Der Verkehr hat sich in dieser Zeit jedoch verzehnfacht, die Gesamtgewichte und Achslasten des Schwerverkehrs haben innerhalb dieser Entwicklung noch mal exponentiell zugenommen.
Die entsprechend veranlassten Nachrechnungen ergaben im Hinblick auf die Restnutzungsdauer, dass zahlreiche Brücken in Nordbayern erneuert werden müssen. Langlebige, am steigenden Verkehrsaufkommen bemessene Konstruktionen, die sich zudem möglichst harmonisch ins Landschaftsbild einfügen, sollen die in die Jahre gekommenen Bauwerke an unseren Autobahnen ersetzen.
Im Abschnitt der A 7 zwischen der Landesgrenze Hessen/Bayern bis zum Autobahnkreuz Feuchtwangen/Crailsheim wurden bereits mehrere Großbrücken durch einen Neubau ersetzt (unter anderem die TB Bräubach, die TB Klöffelsberg, die TB Schraudenbach, die TB Rothof, die TB Pleichach und die TB Kürnach sowie die 750 Meter lange Sinntalbrücke, die durch eine spektakuläre Sprengung abgebrochen wurde). Derzeit sind vier große Talbrücken in Bau (die TB Pfeffermühle, die TB Stettbach, die TB Römershag und die Thulbabrücke, letztere alleine mit einem Bauvolumen von rund 102 Millionen Euro).
Eine weitere Talbrücke im Zuge der A 7, deren Ersatzneubau im Dezember 2024 für den Verkehr freigegeben wurde, ist die Talbrücke Werntal. Mit einer Länge von 547,60 Metern überquert sie zwischen Werneck und Arnstein das Werntal in einer Höhe von 33 Metern über dem Talgrund. Das zwischen Fulda und Würzburg im Streckenabschnitt Kreuz Schweinfurt/Werneck – AS Gramschatzer Wald gelegene Bauwerk überführt dabei die Bundesstraße (B) 26, die Wern, die Bahnlinie Schweinfurt – Gemünden und diverse Wald- sowie Wirtschaftswege und überörtliche Rad- sowie Wanderwege. Die durchschnittliche Verkehrsbelastung nach der Straßenverkehrszählung 2010 beträgt 56 322 Fahrzeuge innerhalb 24 Stunden bei einem Schwerverkehrsanteil von 16 Prozent.
Das Bestandsbauwerk wurde 1966 fertiggestellt. Die achtfeldrige Brücke bestand aus zwei Teilbauwerken mit einer Gesamtstützweite von 457,60 Metern. Die Überbauten waren als längs- und quervorgespannte zweizellige Spannbetonhohlkästen mit 3 Meter Bauhöhe ausgebildet. Die Breite zwischen den Geländern betrug 30 Meter, die Fahrbahnbreite zwischen den Borden 2 mal 11,50 Meter. Das Bauwerk entsprach der Brückenklasse 60 gemäß DIN 1072.
Im Jahr 1999 wurden zusätzliche externe Spannglieder für zentrische Vorspannung eingebaut. In diesem Zuge wurde auch das Lagerungssystem geändert, sodass pro Lagerachse nun drei Unterstützungspunkte je Überbau, anstatt der bisher vorhandenen zwei, vorhanden waren.
Gemäß Nachrechnungsrichtlinie ist für die BAB A 7 das Ziellastniveau LM1 anzustreben. Eine Ertüchtigung der bereits nachträglich verstärkten Talbrücke schied aus technischer und wirtschaftlicher Sicht aus.
Das bestehende Bauwerk wurde daher ab 2019 durch einen Neubau ersetzt und für einen künftigen sechsstreifigen Autobahnquerschnitt (mit Standstreifen) ausgelegt.
Das neue Bauwerk ist bei den geometrischen Abmessungen in Lage und Ansicht nahezu identisch mit dem Bestandsbauwerk. Allerdings wurden die Pfeiler, die sich nunmehr konisch nach oben verjüngen und erst am Pfeilerkopf wieder breiter werden, deutlich ansprechender gestaltet als die rechteckigen Pendants des Bestandsbauwerks. Auch bei der neuen Brücke, die wie zuvor aus zwei Teilbauwerken besteht, sind die beiden Überbauten als Spannbeton-Hohlkästen ausgebildet. Allerdings sind diese bei den Abmessungen wesentlich robuster bemessen als der Bestand, um zukunftssicher für künftige Ansprüche bei der Belastung gewappnet zu sein.
Bis das neue Bauwerk im Dezember 2024 für den Verkehr freigegeben werden konnte, gab es jedoch einige Herausforderungen zu lösen.
Die BAB A 7 ist im betroffenen Abschnitt mit durchschnittlich rund 60 000 Fahrzeugen pro Tag belastet. Eine Ableitung des Verkehrs in das nachgeordnete Straßennetz für die Bauzeit kam nicht infrage. Es wurde daher die für diese Konstellation übliche Vorgehensweise für die Bauabwicklung gewählt: Der Verkehr wurde auf eines der beiden Teilbauwerke zusammengeführt, das freigewordene Teilbauwerk wurde abgebrochen und neu hergestellt. Anschließend wurde der Verkehr auf das neu hergestellte Teilbauwerk verlegt, das andere abgebrochen und ebenfalls neu hergestellt.
Ganz so einfach ließ sich dieses Verfahren bei der Talbrücke Werntal jedoch nicht umsetzen. Bei der Nachrechnung wird grundsätzlich immer der Lastfall, dass der BAB-Verkehr in der sogenannten 4+0-Verkehrsführung gebündelt auf einem der beiden Bestands-Teilbauwerke abgewickelt werden muss, betrachtet. Um die genannte Bauabwicklung unter Beibehaltung des Verkehrs auf der Autobahn durchführen zu können, musste vor der Umlegung auf eine 4+0-Verkehrsführung eines der beiden Bestands-Teilbauwerke zuvor jeweils in Feldmitte mit zusätzlichen Gerüsttürmen unterstützt werden, um so den quasi doppelten Autobahnverkehr während der Bauzeit sicher abtragen zu können.
Diese Gerüsttürme wurden dabei auf Mikropfählen gegründet. Der Überbau wurde auf Hydraulikpressen abgelegt. Diese wurden einem ständigen Monitoring unterzogen, um geometrischen Veränderungen etwa infolge von Setzungen unmittelbar mit geeigneten Maßnahmen begegnen zu können. Da die zusätzlichen Abstützungsmaßnahmen sich als ausreichend erwiesen, war dies jedoch während der Bauzeit nie erforderlich. Zudem musste das zuerst mit der 4+0-Verkehrsführung beaufschlagte Bestands-Teilbauwerk geometrisch an die erforderliche Breite angepasst werden.
Um die für vier Fahrstreifen erforderliche Breite zu generieren, mussten die Kappen zurückgeschnitten sowie die alten Übergangskonstruktionen angepasst werden. Dennoch erwies sich die beengte Verkehrsführung insbesondere in Verkehrs-Spitzenzeiten (Pendlerspitzen oder Reiseverkehr) als stauanfällig.
Nach Freiwerden des ersten Teilbauwerks durch die Verkehrsumlegung konnte dieses abgebrochen werden. Für den Abbruch wurde vertraglich eine Vorschubrüstung gewählt. Dabei handelt es sich um eine auf einem Traggerüst verschiebliche Wanne, die mit Hydraulikpressen jeweils unter einem Brückenfeld des Bestandsbauwerks fixiert wird. Der Überbau des abzubrechenden Bauwerks wird dann mit Baggern mittels Meisel und Zangen zerkleinert, das Abbruchgut fällt in die Vorschubrüstung und wird aus dieser herausgebaggert und abgefahren. Nach Abbruch eines Brückenfelds wird die Vorschubrüstung in das nächste Feld verfahren, der Vorgang wiederholt sich, bis der Überbau komplett abgebrochen ist. Der Abbruch der Pfeiler erfolgte konventionell mir Hydraulikbaggern vom Talboden aus.
Dem Abbruch hinterherlaufend erfolgte die Gründung der neuen Pfeiler auf Bohrpfählen. Auf den darauf errichteten Pfahlkopfplatten wurden die neuen Pfeiler mit Kletterschalung hergestellt. Die Herstellung des neuen Überbaus als Spannbetonhohlkasten erfolgte herkömmlich im Taktschiebeverfahren.
Gründung der neuen
Pfeiler auf Bohrpfählen
Nach Fertigstellung des ersten Teilbauwerks konnte der Autobahnverkehr wieder in einer sogenannten 4+0-Verkehrsführung auf das neue Teilbauwerk umverlegt werden. Damit war in mehrerlei Hinsicht ein wichtiger Meilenstein erreicht. Zum einen rollte der Verkehr von nun an auf einem neuen Bauwerk, das alte, aus heutiger Sicht unterdimensionierte Bauwerk, war ab diesem Zeitpunkt für den Verkehrsteilnehmer Geschichte. Zum anderen stand auf dem neuen, für den künftigen sechsstreifigen Ausbau ausgelegten Teilbauwerk im Querschnitt mehr Platz zur Verfügung, die Behelfsfahrstreifen konnten somit breiter ausfallen. Die neue Verkehrsführung erwies sich damit als weit weniger stauanfällig.
Die restliche Bauabwicklung war im Grunde eine Wiederholung des Vorgangs von Teilbauwerk eins: Abbruch des frei gewordenen Alt-Teilbauwerks, Gründung, Pfeilerschüsse, Überbau im Taktschiebeverfahren.
Das zweite Teilbauwerk konnte schließlich im Dezember 2024 dem Verkehr übergeben werden. Der Ersatzneubau der Talbrücke Werntal war damit aus Sicht des Verkehrsteilnehmers abgeschlossen. Seitdem finden im wesentliche nur noch Restarbeiten statt: unter anderem Wiederherstellung der benötigten Flächen und Wirtschaftswege im Talraum, Rückbau der Baustelleneinrichtung.
Zur Bauabwicklung ist noch anzumerken, dass diese in einen ungünstigen Zeitabschnitt fiel. Zum einen die Corona-Krise, zum anderen der Angriff Russlands auf die Ukraine führten zu Lieferengpässen sowie Preissteigerungen beim Material. Trotz dieser Schwierigkeiten ist festzuhalten, dass sich die Zusammenarbeit mit der ausführenden Baufirma gut und partnerschaftlich gestaltete. Probleme wurden zwischen Baufirma und Auftraggeber-Bauleitung einvernehmlich gelöst.
Mit der Fertigstellung der Talbrücke Werntal ist ein wichtiger Meilenstein im Brückenertüchtigungsprogramm für die A 7 in Nordbayern erreicht worden. Die BAB A 7 ist damit im Abschnitt zwischen dem Autobahndreieck Schweinfurt-Werneck und dem Autobahnkreuz Biebelried auf das Ziellastniveau LM1 gebracht worden und damit uneingeschränkt schwerverkehrstauglich.
Nach Fertigstellung aller Bauwerke im Zuge der BAB A 7 im Zuständigkeitsbereich der Autobahn GmbH Niederlassung Nordbayern und der damit verbundenen Anpassung der Tragfähigkeit und der Verkehrssicherheit an die heutigen und (hoffentlich) zukünftigen Anforderungen sollte die BAB A 7, die ja die längste Autobahnverbindung Deutschlands darstellt, bauwerksseitig wieder für Jahrzehnte allen an sie gestellten Aufgaben gewachsen sein. (Hartmut Metz)
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