Bauen

Die Gesamtkosten für den Ersatzneubau der Brücke belaufen sich auf gut vier Millionen Euro. (Foto: SÖR/Stadt Nürnberg)

21.06.2019

Preisgünstige Alternative zur Sanierung

Ersatzneubau der Fußgängerbrücke an der Klenzestraße in Nürnberg

Sie ist nicht sehr auffällig. Eher unscheinbar und schlicht. Und doch hat die Bahnbrücke an der Klenzestraße im Nürnberger Stadtteil Gibitzenhof eine interessante Geschichte, die es verdient, erzählt zu werden. Nicht ohne Grund wurde die Brücke 2011 vom Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege als Denkmal eingestuft.

Im ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts entstand im Nürnberger Süden der für den Eisenbahnknotenpunkt Nürnberg so wichtige Rangierbahnhof, der immerhin rund 1500 Eisenbahnern Arbeit bot. Ab 1904 entstand dann in unmittelbarer Nachbarschaft die sogenannte Eisenbahnersiedlung im Stil einer Gartenstadt. Noch im gleichen Jahr wurde von der Königlich Bayerischen Staatseisenbahn der Haltepunkt Nürnberg-Zollhaus eröffnet und ermöglichte den Bewohnern der Eisenbahnersiedlung einen guten Anschluss an den Nahverkehr.

Der Verlauf der Nürnberger Ringbahn, an der sich auch der Bahnhof Zollhaus befindet, wurde 1933 neu geplant. Die ursprüngliche Gleistrasse war dem geplanten Deutschen Stadion auf dem nahgelegenen Reichsparteitagsgelände im Weg. 1937 wurde die Brücke Klenzestraße zusammen mit dem Bahnhofsgebäude errichtet, wobei man besonders die Besuchermassen der Reichsparteitage als Zielgruppe im Auge hatte.

Das Besondere an der Anlage ist jedoch der zurückhaltende Baustil des Ensembles. Sowohl die Brücke, als auch das Bahnhofsgebäude scheinen eher dem Geist der „Neuen Sachlichkeit“ verbunden zu sein als dem bombastischen Neoklassizismus Speerscher Prägung. In einem historischen Schriftstück wird die Anlage sogar als „Kunstbau“ bezeichnet: Auszug aus dem Bauwerksverzeichnis vom 23. Juni 1937 Reichsbahndirektion Nürnberg: „Infolge der Umlegung der Bahnlinie Nürnberg-Rangierbahnhof – Nürnberg-Dutzendteich im Reichsparteitagsgelände Nürnberg wird auch der Haltepunkt Nürnberg-Zollhaus verlegt ... Die Deutsche Reichsbahn übernimmt die Kosten der Errichtung und der Unterhaltung des Kunstbaus am neuen Haltepunkt Nürnberg-Zollhaus.“

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die Brücke an der Klenzestraße, die durch mehrere Bombentreffer beschädigt war, nur notdürftig repariert. Auch in den folgenden Jahrzehnten wurden diese Schäden nie richtig angegangen. Auch eine von 1980 bis 1981 durchgeführte Betonsanierung erwies sich nicht als dauerhaft und bereits nach kurzer Zeit kam es zu Abplatzungen größerer Betonbrocken. 2004 war die Brücke dann bereits in einem so schlechten Zustand, dass die Traglast von zwölf auf 2,8 Tonnen reduziert werden musste.

Am 27. September 1987 wurde der öffentliche Personenverkehr eingestellt. Ab 1992 wurde der Haltepunkt vollständig aufgegeben und stillgelegt. Im Empfangsgebäude hielt sich noch einige Jahre eine Gaststätte. Aber auch diese Zeiten gehören längst der Vergangenheit an. Der Eingang „Zur Bruck ‘n“ ist vernagelt und Graffitis zieren die maroden Wände.

Aufgrund der weitreichenden Dokumentation bestand mit den verantwortlichen Denkmalschutzbehörden Einvernehmen, dass das bestehende Brückenbauwerk abgebrochen werden kann. Bedingung dafür war allerdings, dass der Brückenneubau als sogenannte Replikkonstruktion erstellt wird.

Eine Reparatur der Brücke wäre mit einem erheblichen Verlust an originaler Bausubstanz verbunden gewesen. Die Denkmaleigenschaft wäre nach der Sanierung als sehr fragwürdig beurteilt worden. Sowohl die Bewehrungsstruktur des Betons, als auch die Betonoberflächen hätten in überwiegendem Umfang neu hergestellt werden müssen.

Darüber hinaus hätte eine Reparatur der historischen Brücke zu erheblichen Mehrkosten geführt, da es zu logistischen Schwierigkeiten im Bahnbetrieb gekommen wäre. Durch das Landesamt für Denkmalpflege wurde deshalb keine Forderung nach einer bestandsorientierteren Sanierung erhoben. Sowohl dem Abbruch der Brücke, als auch der Neuerrichtung in der historischen Form wurde zugestimmt.

Provisorischer Behelfssteg

Der Beginn der Maßnahme erfolgte im Mai 2018 mit der Aufstellung der Baustelleneinrichtung. Für die Fußgänger wurde in der Bauzeit ein provisorischer Behelfssteg mit Treppenzugängen östlich der Brücke hergestellt. Eine barrierefreie Ausführung war hier konstruktionsbedingt nicht möglich. Aber über den Behelfssteg konnten die Anwohner der Eisenbahnersiedlung für die Dauer der Bauzeit immerhin auf direktem Weg ihre Kleingartenanlage jenseits der Bahngleise erreichen.

Für den Rückbau der Brücke wurde ein Sondervorschlag der ausführenden Firma eingereicht. Dabei wurden die Randfelder konventionell abgebrochen und die Mittelfelder über den Gleisen mittels Autokran ausgehoben. Für diese Arbeiten wurden Gleissperrungen benötigt. Die Deutsche Bahn hat die Sperrungen nur in deren Ruhezeit am Rangierbahnhof genehmigt.

Das gesamte Vorgehen wurde eng mit der Denkmalschutzbehörde abgestimmt. Der Vorschlag, die Oberflächengestaltung der Brücke nach dem ursprünglichen Zustand von 1937, also mit glatter Betonoberfläche, zu gestalten und nicht mit der bis zu letzt vorhandenen Spritzbetonstruktur, wurde gerne akzeptiert. Auch bei der Verwendung der historischen Farbe ging man mit Kreativität ans Werk. Aus der Bestandsbrücke wurde nach der Reinigung einer Teilfläche ein Betonwürfel herausgeschnitten und analysiert. Aus diesen Erkenntnissen resultierten dann die Betonzuschläge, die Oberfläche sowie die Farbigkeit der neuen Brücke.

Die Fertigstellung und Verkehrsfreigabe erfolgte nach dreizehnmonatiger Bauzeit im Mai 2019. Die Gesamtkosten der Maßnahme betragen insgesamt 4 050 000 Euro.

Die unscheinbare Brücke an der Klenzestraße verrichtet wieder ihren Dienst und ist so funktional wie an ihrem ersten Tag. Ihre frisch renovierte Sachlichkeit steht nun in großem Kontrast zur Graffiti verzierten Morbidität des immer mehr verfallenden Bahnhofs „Zollhaus“. Im Gegensatz zur Brücke ist hier noch keine Lösung in Sicht. (Andre Winkel)

(Betonabplatzungen und der Rückbau der Brücke - Fotos: SÖR/Stadt Nürnberg; 1937 wurde die Brücke Klenzestraße zusammen mit dem Bahnhofsgebäude errichtet - Foto: Stadtarchiv, Stadt Nürnberg)

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