Bauen

Ein schwieriges Terrain: Die neue Kläranlage wurde am Standort der alten gebaut – dort befand sich früher ein Steinbruch. (Foto: Resch & Partner)

04.09.2015

Sauber und energieeffizient

Markt Beratzhausen hat für den Neubau seiner Abwasseranlage gut 5,3 Millionen Euro investiert

EDie hochmoderne Kläranlage von einst (1974) war nach gut drei Jahrzehnten an ihre Grenzen gestoßen – im Markt Beratzhausen überlegte man: Sanierung oder Neubau? Vor rund zwölf Jahren wurde ein fundiertes Abwasserkonzept erstellt, dessen Kernpunkte lauteten:
• Die Abwasserteichanlage in Unterpfraundorf sollte für die Mischwasserbehandlung umgebaut und das Schmutzwasser nach Beratzhausen abgeleitet werden.
• Die Schmutzwässer von zahlreichen Ortsteilen aus dem Umland, zum Beispiel. Schrotzhofen (Lage im Wasserschutzgebiet), sollten zur komplett umgebauten Abwasserbehandlungsanlage Beratzhausen abgeleitet werden.
• Das Niederschlagswasser sollte möglichst dezentral in den natürlichen Wasserkreislauf zurückgeführt werden.
Man entschied sich für einen energieeffizienten Neubau der Abwasseranlage für das gesamte Gemeindegebiet und den Umschluss aus Pfraundorf. In diesem Frühjahr ging sie offiziell in Betrieb. Die Kosten betrugen rund 5,3 Millionen Euro, wobei nicht ganz 4,2 Millionen Euro auf die Kläranlage entfielen
Das Projekt war für die Planer (Ingenieurbüro Dotzer, Dr. Resch-Partner) eine besondere Herausforderung: Der Neubau sollte am alten beengten Standort entstehen – einem ehemaligen Steinbruch. Obendrein musste während der Arbeiten der Betrieb der alten Tropfkörperanlage weiterlaufen.
Technische Details des aktuellen Kanalnetzes:
• anzuschließende Einwohner: (derzeit) 5138 EW;
• Gesamtlänge Kanalnetz: etwa 64 000 Meter (seit 2010 sind etwa 20000 dazu gekommen);
• Anzahl Pumpwerke: 27 (19 mehr seit 2010);
• Anzahl Mischwasserspeicherbecken: 5;
• Anzahl Regenwasserrückhaltebecken: 6;
• Längster Weg zur Kläranlage: etwa 12 Kilometer.
Die Kläranlage ist auf 6500 EW Ausbaugröße dimensioniert.

Zulauf-Pumpwerk ertüchtigt

Das bestehende, 12 Meter tiefe Zulauf-Pumpwerk wurde maschinen- und elektrotechnisch ertüchtigt. Statt den ursprünglich vorhandenen Trockenwetter- und der Regenwetterpumpen wurden drei baugleiche Pumpen eingebaut, von denen jeweils eine im Trockenwetter- und eine im Mischwasserfall betrieben werden. Mit dem jetzt möglichen regelbaren Betrieb mittels Frequenzumrichter können Förderleistungen von etwa 15 bis 35 Liter pro Sekunde je Pumpe eingestellt und die anfallenden Trockenwetter- und Mischwassermengen im Wechsel- oder Parallelbetrieb der Kläranlage zugeführt werden. Dadurch ist eine kontinuierliche Beschickung des Rechens garantiert. Der Zulauf von Oberpfraundorf wird der Kläranlage im freien Gefälle zugeführt und endet direkt im Rechenraum. Dadurch wird die gepumpte Menge minimiert.

Mechanische Reinigung

Zur mechanischen Abwasserreinigung wurde im Maschinengebäude eine Kompaktanlage mit Rechen nachgeschalteter Rechengutwäsche und einem belüftetem Kompaktsandfang einschließlich Schwimmstoffabscheider und automatischer Räumung angeordnet. Mit dem Siebrechen mit drei Millimetern Spaltweite werden den weiteren Reinigungsprozess störende Grob- und Faserstoffe aus dem Abwasser entnommen. Mittels einer der nachfolgenden Rechengutauswäsche wird das anfallende Rechengut nachbehandelt.
Die feinorganischen Anteile werden ausgewaschen und der weiteren Abwasserreinigung zugeführt, die restlichen Stoffe werden entwässert und dadurch gewichts- und mengenmäßig reduziert, um Kosten bei der Entsorgung des Rechengutes zu sparen.
Im nachfolgenden belüfteten Sandfang werden Sand, Kies und andere Schwerstoffe aus dem Abwasser abgeschieden, um Ablagerungen und erhöhten Verschleiß in den nachfolgenden Behandlungsstufen zu vermeiden. Eine grobblasige Druckbelüftung bewirkt eine Spiralströmung, die das gleichzeitige Absetzen organischer Feinteile verhindert und bei schwankenden Zuflussmengen einen nahezu gleichbleibenden Wirkungsgrad gewährleistet. Mit der aufsteigenden Luft werden außerdem Leichtstoffe wie Öle und Fette nach oben gerissen und können so aus dem seitlich angeordneten Schwimmstoffabscheider entnommen werden. Sie werden mittels einer separaten Pumpe dem Rechengut zugeleitet und mit dem Rechengut entsorgt.
Der Sandabzug aus dem Sandfang erfolgt mehrmals täglich über Transportschnecken zur vor der Kompaktanlage angeordneten Sandwaschanlage. Dort wird das Sandfanggut mit Brauchwasser soweit gewaschen und von organischen Anteilen befreit, dass es problemlos auf einer Bauschuttdeponie abgelagert werden kann. Das zugehörige Sandfanggebläse befindet sich im Gebläseraum des Maschinengebäudes. Vom Sandfang wird das Abwasser ohne weitere Vorklärung zum Belebungsbecken weitergeleitet.

Biologische Reinigung

Die biologische Abwasserreinigung, hier aufgrund eines Sondervorschlages ausgeführt als BIOCOS®-Reaktor, ist das Herzstück der biologischen Abwasserreinigung. Das BIOCOS ®-Verfahren (Biological-Combined-System) ist eine Weiterentwicklung des üblichen Belebungsverfahrens bestehend aus Belebungs- und Nachklärbecken. Hierbei wird die Nachklärung durch zwei parallel betriebene Sedimentations- und Umwälzbecken ersetzt. In diesen SU-Becken laufen zeitlich gegeneinander versetzt die Schlammabsetzung sowie der Klarwasserabzug ab. Man unterscheidet Schlammrückführ-, Umwälz-, Absetz- und Abzugsphase. Entwickelt wurde das Verfahren von Kurt Ingerle, TU Innsbruck.
Das Volumen des Belebungsbeckens ist für eine Abwasserreinigung mit gemeinsamer aerober Schlammstabilisierung sowie intermittierender Nitrifikation und Denitrifikation ausgelegt. Die baulichen Voraussetzungen für eine simultane Phosphatfällung wurden im Rahmen der Baumaßnahme mit vorgesehen.
Im Belebungsbecken wird das eingeleitete Abwasser mit den Mikroorganismen des belebten Schlammes in Kontakt gebracht, vermischt und belüftet. Die Mikroorganismen ernähren sich von den organischen Inhaltsstoffen des Abwassers und lagern sie dadurch in ihre Biomasse ein. Durch die Nitrifikation wird der Ammoniumstickstoff des Abwassers zu Nitrat oxidiert, das in den unbelüfteten Phasen durch Denitrifikation in Wasser und gasförmigen Stickstoff umgewandelt wird. Der Stickstoff kann so in die Luft entweichen und damit aus dem Abwasser entfernt werden. Das nachfolgende Gewässer wird dadurch vor einem erhöhten Nährstoffeintrag geschützt.
Das BIOCOS-Becken setzt sich aus dem Belebungsbecken (1714 Kubikmeter Nutzvolumen) und zwei nachgeschalteten SU-Becken (zwei mal 648 Kubikmeter) zusammen, deren Nutzvolumen durch Umwälzung zeitweise beim Belebungsvolumen mitwirkt. Die Belüftung des Belebungsbeckens erfolgt mit abschaltbarer, feinblasiger Druckbelüftung. Es wurden zwei Drehkolbengebläse im Gebläseraum des Maschinengebäudes installiert. Mehrere Druckluftheber sorgen für eine hinreichende Umwälzung im SU-Becken und zwischen den einzelnen Beckenkammern.

Schlamm aerob stabilisiert

In der Belebung wird der Überschussschlamm durch das hohe Schlammalter aerob stabilisiert. Hierdurch werden Geruchsemissionen bei der weiteren Behandlung weitgehend vermieden. Der Überschussschlamm wird in einem zweigeteilten Schlammvorlagebehälter mit etwa 280 Kubikmeter Nutzinhalt gesammelt und in der größeren Kammer bestmöglich voreingedickt. Der eingedickte Schlamm wird dann in den Vorlagebehälter der Dünnschlammpumpe gepumpt und mit dieser der Schneckenpresse im Maschinengebäude zugeführt. Durch die Entwässerung mittels Schneckenpresse reduziert sich die zu entsorgende Schlammmenge auf etwa ein Achtel und die Entsorgungskosten werden minimiert. Die Entwässerungsmaschine mit dem gesamten technischen Zubehör (Polymerstation sowie Förderschnecke) ist im Maschinengebäude untergebracht.

Schaltwarte und Labor

Im Betriebs- und Aufenthaltsraum der Abwasseranlage Beratzhausen ist auch die Schaltwarte untergebracht ist. Hier sind über ein Prozessleitsystem die speicherprogrammierbaren Steuerungen der Unterstationen zusammengefasst. Gegenüber der Schaltwarte befindet sich das für die Eigenüberwachung notwendige Labor. Außerdem ist im östlichen Teil des Betriebsgebäudes auch noch eine kleine Werkstatt mit einem angeschlossenen Lager untergebracht.
Im nordöstlich des Betriebsgebäudes angeordneten Maschinengebäude sind die Gebläse, die mechanische Reinigungsstufe, die gesamten Schaltanlagen, die Schlammentwässerung sowie die Haustechnik der Kläranlage zentral untergebracht.
Sämtliche Räume sind jeweils nur durch Außentüren zugänglich, wodurch eine Abschirmung der lärm- und geruchsintensiven Anlagenteile erzielt wird.
Die durch den Betrieb der Gebläse entstehende Abwärme wird über eine Wärmepumpe für die Heizung der Gebäude verwendet. (BSZ)

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