Bauen

Das Informations-, Kommunikations- und Medienzentrum Golm. (Foto: Wiegand)

21.09.2018

Schimmernder Kubus

In Potsdam wurde ein neues zentrales Kunstgutdepot errichtet – ein überraschend ansehnlicher Zweckbau

Ein neues „Zentrales Kunstgutdepot“ hat sich die Stiftung Preußischer Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg (SPSG) in Potsdam unweit des Hauptbahnhofs errichten lassen. Depot – das klingt nicht gerade spannend und lässt ein mausgraues, bunkerähnliches Gebäude erwarten. Doch weit gefehlt. Die Stiftung hat sich von Staab Architekten, Berlin, einen ansehnlichen Zweckbau entwerfen lassen. Das moderne Gebäude auf dem ehemaligen Gelände des Reichsbahnausbesserungswerks (RAW) verblüfft mit einer weißen, leicht abgeknickten Fassade und interessanten Details.

An der Südseite mit dem Eingang ist eine Metallfassade vorgeblendet, für die drei anderen Fassaden wurde silbergrauer Klinker verwendet. Die langen Flächen sind durch die wie Fenster wirkenden Entrauchungsklappen gegliedert sowie durch vertikale Entwässerungslinien und Sheddach-Giebel. Zu den weiteren Überraschungen zählt die schnelle Fertigstellung des Gebäudes. Nach der Grundsteinlegung im Juli 2016 ging es ungewöhnlich fix voran. Schon am 9. Mai 2018 wurde das Gebäude offiziell der Stiftung übergeben. Auch der Kostenrahmen von zwölf Millionen Euro ist exakt eingehalten worden. Die Finanzierung hatten der Bund sowie die Länder Berlin und Brandenburg übernommen. Grundlage ist ein Masterplan zur Rettung bedeutender Denkmäler der Berliner und Potsdamer Schlösserlandschaft.

Das Kunstgutdepot ist ein Stahlbetonskelettbau. Tragende Bauteile wie Stützen, Wände, Decken und Dachflächen sind in Beton ausgeführt, nichttragende Wände in Mauerwerk oder – in Nebenräumen – gar in Gipskarton. Erschlossen wird das kellerlose Haus über zwei Treppenhäuser und einen Aufzug. Im Depot können rund 28 000 Kunstgegenstände, wie Gemälde, Möbel, Geschirr, Silberbestecke aufbewahrt werden. 5100 Quadratmeter stehen dafür auf zwei Stockwerken zur Verfügung.

Die sachgerechte Lagerung ist der entscheidende Punkt für dieses Kunstgutdepot. „Dank der dicken Außenwände dringt keine Wärme ins Gebäude“, erklärt Per Pedersen, ein Geschäftsführer von Staab Architekten. Den Wandaufbau rechnet Projektleiterin Angelika Ebner sogleich vor: Mauerwerk 49 Zentimeter, Dämmung 18 Zentimeter, Fingerspalt etwa zwei Zentimeter und Klinkervormauerschale 11,5 Zentimeter. „Das ergibt inklusive Innenputz rund 84 Zentimeter Gesamtstärke der Außenwand“, fasst sie zusammen.

Massive Decken enthält das Kunstdepot ebenfalls und wird daher hauptsächlich durch seine Baumasse temperiert. Abweichungen von den Klimasollwerten werden über eine Temperatursteuerung geregelt. Eine Vollklimatisierung ist jedoch, falls erforderlich, ebenfalls möglich. Insgesamt ist der Bau auf einen minimierten Energie- und Wartungsaufwand ausgelegt. „Das Gebäude ist fast ein Passivhaus“, betont Pedersen. Der Wärmebedarf im Winter ist nicht höher als der für fünf konservative Einfamilienhäuser.
Dank der dicken Außenwände halten sich auch die Kosten für ein stabiles Klima- und Feuchtigkeitsniveau in Grenzen. Die Klimaanlage setzt erst ein, wenn die Raumtemperatur von den Grenzwerten abweicht. Auch kann jede der 20 Zellen, in denen die Kunstwerke lagern, einzeln angesteuert werden. Außerdem ist jede Zelle gegen Feuer abgesichert und könnte einzeln gelöscht werden. Auch für die Rauchableitung ist gesorgt. Da das alles entsprechend eingerichtet wurde, entfallen von den Gesamtbaukosten nur 1,7 Millionen – und damit extrem wenig – auf die Technik. Das reiche bei der hier realisierten Bauweise aus, bei der ohnehin auf Nachhaltigkeit und Energiesparen gesetzt wurde.

Gute Beispiele machen bekanntlich Schule. Jahrelang hatte sich niemand für die Nutzung der denkmalgeschützten, aber maroden RAW-Halle interessiert. Nun will das Berliner Architekturbüro J.Mayer.H, weltweit bekannt für futuristische Bauwerke, dort ein IT- und Innovationszentrum schaffen, die Backstein-Halle jedoch erhalten und sie durch zwei Neubauten ergänzen.

Lebendige Fassade

Auch das Kunstgutdepot wird kein Solitär bleiben. Dahinter soll in den 2020er-Jahren ein Skulpturendepot gebaut werden. Ob dabei wiederum Staab Architekten – die in Berlin den Erweiterungsbau für das Bauhaus Archiv errichten – zum Zuge kommen, ist offen. Für den 2017 fertiggestellten Neubau des Wissenschafts- und Restaurierungszentrums (WRZ) am Rand vom Park Sanssouci hatten sie jedenfalls viel Lob bekommen.

Aufsehen erregte schon das 2011 eröffnete Informations-, Kommunikations- und Medienzentrum Golm der Universität Potsdam. Hauptplaner war Pedersen und der hat sich was einfallen lassen. Der schimmernde kubische Bau lenkt sofort die Blicke auf sich. Das verdankt er vor allem der lebendig wirkenden Fassade, „bekleidet“ mit einem Mosaik aus mattem und geschliffenem Granit sowie bedrucktem, mal transparentem, mal satiniertem (einseitig undurchsichtigem) Glas. Je nach Wetter und Tageszeit changiert ihr Farbton zwischen bläulich und anthrazit.

Diese Mosaike kaschieren, von außen betrachtet, auch die dennoch vorhandenen Fenster. Wie viele es wirklich sind, zeigt sich erst, wenn am Abend drinnen die Lichter angehen. Unübersehbar ist jedoch das große Fenster an der Gebäude-Ecke, in dem sich – wie in den verstreuten kleineren – Sonne und Wolken spiegeln. Drinnen fallen sogleich die beiden kaskadenartigen Treppen in rot und orange auf, die vom geräumigen Foyer nach oben in diverse Lesebereiche führen, die sich durchs ganze Gebäude ziehen. Zwei über alle Geschosse eingeschnittene Innenhöfe versorgen den Bau mit Tageslicht.

Der Clou ist jedoch die Dachterrasse mit ihrem zum Sitzen gedachten Holzmobiliar, das ihr ein gewisses Sauna-Ambiente verleiht. Fehlt eigentlich nur noch ein Wasserbecken, um an heißen Sommertagen die Füße zu kühlen. Was noch auffällt, das Gebäude sieht außen und innen tiptop aus. Nichts ist kaputt, keine Graffiti verunzieren die Wände. Vermutlich fühlen sich die Lesenden und Lernenden in diesem großzügig geschnittenen Bau wohl und benehmen sich dementsprechend. Offenbar hat gute und gut gepflegte Architektur, zumindest in diesem Gebäude, auch eine erzieherische Komponente. (Ursula Wiegand)

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