Bauen

Die Skyline des Pudong Distrikts. (Foto: Wiegand)

19.10.2018

Schlanke Riesen als Wahrzeichen

Shanghai und Hainan punkten architektonisch mit spektakulären Wolkenkratzern

Rund 1,4 Milliarden Menschen leben zurzeit in China und die meisten in den Megastädten im Osten des Landes. Shanghai am Huangpu-Fluss, der kurz danach in den gewaltigen Yangtse mündet, hat 25 Millionen Einwohner, ist die zweitgrößte Stadt Chinas und eine der größten Städte weltweit. Alle diese Menschen benötigen Wohn- und Arbeitsräume. Daher dominieren zumindest in Shanghais Zentrum und den anschließenden Stadtteilen (Distrikten) die Hochhäuser, ohne jedoch auf Fremde erdrückend zu wirken. Genau genommen schaffen diese Hochbauten genügend Platz für Fußgänger, Händler, Shops und den rasanten, aber zumeist verblüffend flüssigen Verkehr zu ihren Füßen.

Im zentralen Putuo Distrikt wird das Stadtbild durch Palmen und Blumenbeete aufgelockert. Zudem lassen sich Bauherren und Architekten einiges einfallen, um durch Formgebung und Farbe Gleichförmigkeit zu vermeiden. „Kreative Elektrik“ bei der Stromversorgung lässt zwar mitunter schmunzeln, funktioniert jedoch. Wenn es dunkelt, schillern im Putuo-Distrikt zahlreiche Hochhäuser in wechselnden Farben und setzen so ihre Besonderheiten auch abends ins rechte Licht.

Traditionelle chinesische Steintor-Häuser

Darüber hinaus bewahrt Shanghai seine Geschichte und bietet daher eine facettenreiche Architektur. So zu erleben im zwei Hektar großen Yu Garden, den 1559 ein hoher Beamter der Ming-Dynastie für seinen Vater angelegt hatte. Spätere, durch Kriege verursachten Schäden, ließ die Stadt in den 1950er Jahren beseitigen und öffnete das restaurierte, unter Denkmalschutz stehende Ensemble mitsamt den historischen Hallen 1961 für die Bevölkerung.

Erhalten ist auch die „Französische Konzession“, ein Stadtteil, der von 1849 bis 1943 durch die Franzosen verwaltet wurde. Dort finden sich noch die traditionellen chinesischen Steintor-Häuser (Shikumen), errichtet aus zumeist grauem Backstein. Weitblickend hat Shanghai auch Gebäude aus seiner Kolonialzeit unter Schutz gestellt, so das Astor House Hotel und die einstige Luxusherberge, das 1929 eröffnete Cathay Hotel, ein Jugendstilbau, der in kommunistischer Zeit den Namen Peace Hotel erhielt und nun Fairchild Peace Hotel heißt. Beide Hotels stehen am „Bund“, der nach wie vor beliebten Uferpromenade. Die ist ein Muss, bietet sie doch den besten Blick über den Fluss auf die Wolkenkratzer-Phalanx im Business-Stadtteil Pudong, in dem die Moderne regiert.

Die unterschiedliche Gestaltung dieser Stahl-Glas-Beton-Giganten fasziniert ebenso wie die unaufhörlich vorbeiziehenden Schiffe. Von diesen schlanken Riesen gilt nicht der größte als das Wahrzeichen der Stadt. Vielmehr ist es der am 1. Januar 1995 eröffnete Fernseh- und Hotelturm Oriental Pearl Tower, geplant von Jia Hua Cheng, der inklusive Antenne eine Höhe von 468 Meter erreicht. Je nach Standort der Betrachter scheint er die Konkurrenten zu übertreffen, doch das ist eine optische Täuschung. Wegen seiner raffinierten Konstruktion, bestehend aus elf unterschiedlich großen, von Säulen getragenen Kugeln, erregt er nach wie vor Bewunderung. Im Gegensatz dazu stehen drei weitere Wolkenkratzer so dicht beieinander, dass sich trotz ihrer unterschiedlichen Größe ihre Turmspitzen auf einem Foto vereinen. Dieses Trio bilden der Jin Mao Tower, das Shanghai World Financial Center und der Shanghai Tower.

Jin Mao Tower:
Konzipiert im Pagodenstil

Lange Zeit war der 1998 fertiggestellte, 420,5 Meter hohe Jin Mao Tower mit seinen 88 Stockwerken – die 8 ist eine Glückszahl –, konzipiert im Pagodenstil durch Adrian D. Smith vom Architekturbüro Skidmore, der Besuchermagnet. Vor allem wegen seiner Aussicht auf den Oriental Pearl Tower, den Shanghai Tower und das anschließende „Hochhäusermeer“ ist er weiterhin beliebt. Auch punktet er mit einem 60 Meter langen Skywalk, 340 Meter über dem Erdboden und damit dem höchsten weltweit. Nur was für starke Nerven trotz der obligatorischen Begleitung durch einen Guide.

2008 setzte das 492 Meter messende Shanghai World Financial Center nicht nur höhenmäßig neue Maßstäbe. Die Architekten von Kohn Pedersen Fox hatten ihm auch eine interessante Form mit einer fensterartigen Aussparung ganz oben verpasst. Diese Abkehr von der Geradlinigkeit nutzten dann Gensler Architekten aus Kalifornien beim Shanghai Tower für ganz neue Lösungen. Seit 2015 – nach siebenjähriger Bauzeit – ist der 632 Meter hohe „Stengel“ nicht nur Chinas Höhenrekordler und das zweithöchste Bauwerk auf Erden. Er überrascht auch durch ein völlig neues Konzept. Die deutliche Drehung der äußeren Fassade ist mehr als ein Show-Effekt. Sie senkt, verglichen mit einem gleich hohen rechteckigen Bauwerk, die Windanfälligkeit um 24 Prozent.

Außerdem sei der Shanghai Tower der zurzeit „grünste“ Wolkenkratzer weltweit, wird betont. Die gedrehte äußere Fassade fängt das Regenwasser auf, das dann für die Heizung und Klimaanlage verwendet wird. Das ansonsten benötigte Wasser wird recycelt. Per saldo ergibt sich durch die doppelte und gedrehte Fassade ein kosten- und ressourcensparender Thermoskannen-Effekt.

Dieser Trend zu fantasievollen und nutzbringenden Hochbauten setzt sich auch auf der südchinesischen Insel Hainan durch, die sich nach mehr als zwanzigjährigen Investitionen in ein boomendes tropisches Ferienparadies verwandelt hat. Die führenden internationalen Hotelmarken sind dort präsent. Während sich das Ritz Carlton am traditionellen chinesischen Stil orientierte, nehmen die neuen Nobelbauten dezidiert Dubai als Vorbild. Das Atlantis Sanya engagierte sogar dasselbe Architekturbüro – Wimberly, Allison, Tong and Goo (WATG) – und hat sich wie beim Atlantis the Palm in Dubai ein großes Aquarium ins Hotel hineinbauen lassen. Der geschwungene Hotelturm zeigt sich jedoch wesentlich moderner als das palastartige Schwesterhotel in Dubai.

Auffällige Neubauten
auf Phoenix Island

Zu den auffälligsten Neubauten gehören die fünf Hotel- und Wohntürme auf Phoenix Island, einer künstlich geschaffenen Insel in Sichtweite von Hainans Hauptstadt Sanya. Auch Shopping Malls, ein Fährhafen, ein Terminal für Kreuzfahrtschiffe, Sportanlagen und Parks werden dort errichtet. Und schon jetzt verhelfen die eiförmigen Fünf der Stadt Sanya zu einer neuen, attraktiven Skyline. (Ursula Wiegand)

(Turmparade: Der Jin Mao Tower mit dem Shanghai World Financial Center und dem Shanghai Tower. Ein Steintor-Haus und der Eingang zum Ju Garden - Fotos: Wiegand)

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