Bauen

Der Entwurf für den Umbau der Bergiselschanze stammt von Zaha Hadid. (Foto: Ursula Wiegand)

06.12.2019

Schmale Häuser, geschwungene Bauten

Innsbruck: vom Goldenen Dachl über Zaha Hadid zur Moderne

Zuerst in die Altstadt und zum 540 Jahre alten Goldenen Dachl. Das wollen auch Architekturfans sehen, zumal es zum diesjährigen 500. Todestag von Kaiser Maximilian (1459 bis 1519) fein restauriert wurde. Maximilian hatte diesen Prunkerker an das schon vorhandene Haus anbauen lassen. Angeblich wollte er mit dem goldenen Dachl beweisen, dass er nicht, wie gemunkelt wurde, pleite war. Allerdings befand er sich, was das Schuldenmachen betraf, in bester Gesellschaft. Einer seiner Vorgänger, Herzog Friedrich von Tirol, hatte den Beinamen „Friedl mit den leeren Taschen“. Dennoch ist nach ihm die Herzog-Friedrich-Straße benannt, die sich vor dem Goldenen Dachl zu einem Platz erweitert.

In dieser Straße fällt auch eine Reihe schmaler, hoher Häuser auf, pastellfarben und alle mit Arkaden und mehreren Erkern versehen. „Im Gegensatz zu den meisten Städten zu dieser Zeit musste man hier keine Steuer auf die Fenstergröße oder ihre Anzahl bezahlen. Man konnte sich deshalb Erker leisten. Stattdessen mussten die Innsbrucker eine Steuer auf die Hausbreite zahlen, daher sind die Häuser alle sehr schmal“, erklärt Stadtführerin Monika Unterholzner.

Diese Häuserzeile besitzt einen gewissen Schwung und diesen zitiert offenbar David Chipperfield mit seiner wellenartigen Glasfassade für das Kaufhaus Tyrol, das 2010 eröffnet wurde. Kritik blieb nicht aus, verebbte aber bald. Inzwischen ist dieses Shopping-Center höchst beliebt und außerdem ein architektonisches Highlight.

Die RathausGalerien

Noch mehr Erstaunen und Kritik ernteten die schon 2002 eröffneten gläsernen RathausGalerien, konzipiert von Dominique Perrault. Mit diesem Bau wagten die Verantwortlichen – vielleicht animiert durchs Millennium – einen Sprung in die Moderne. Der renommierte Daniel Buren gestaltete fantasievoll die inneren Glasflächen.

An solche Neuheiten waren die Innsbrucker jedoch nicht gewöhnt, sondern an Gotik, Renaissance, Barock und Rokoko sowie an den „Inn-Salzach-Stil“, eine Bauweise, die nach verheerenden Bränden im 16. und 17. Jahrhundert eingeführt wurde. Die Anfänge dieses Stils zeigt aber schon die farbenfrohe Reihe der Mariahilfhäuser am linken Innufer, errichtet im 15. und 16. Jahrhundert.

Charakteristisch für den Inn- Salzach-Stil sind die hohen Mauern zwischen den Dächern, die ein Übergreifen des Feuers auf die Nachbarbauten verhindern sollten. Die so entstandenen Häuserzeilen sparten überdies Platz. Breite Straßen und geräumige Marktplätze waren möglich. In Bayern baute man ebenfalls im Inn-Salzach-Stil, zum Beispiel in Rosenheim und Burghausen.

Inzwischen gehören die gläsernen RathausGalerien, in denen sich die traditionellen Nachbarbauten spiegeln, aber zu den wortwörtlichen Glanzstücken Innsbrucks. Und nach dem Motto „wenn schon, denn schon“ wurde später der Stararchitektin Zaha Hadid die Planung von anspruchsvollen Bauwerken anvertraut. Ihre Entwürfe und deren Verwirklichung fanden sofort ein begeistertes Echo. So die Hungerburgbahn, die inklusive einer neuen Brücke 2007 den Betrieb aufnahm. Ein schimmerndes Schmuckstück in hellem Grün, das den Anschluss zur Nordkettenbahn herstellt, aber in besonderer Weise. „Das Wichtigste ist die Bewegung, der Fluss der Dinge, eine nicht-euklidische Geometrie, in der sich nichts wiederholt: eine Neuordnung des Raumes,“ so Zaha Hadid. Als Königin der Kurven wurde sie öfter bezeichnet.

Solche Kurven zeigen die vier elegant geschwungenen Stationen der Hungerburgbahn. Sie wirken wie Vögel, die ihre Schwingen ausbreiten, um mit den Menschen direkt aus der Stadt in die Berge zu schweben. Oder um sie in die Nähe der wieder erbauten Umbrüggler Alm zu bringen, entworfen von Elmar Ludescher und Philip Lutz. Zu dem geradlinigen Holzbau passt die gekonnt schlichte Innenausstattung. Dafür gab es sogar den „Prix Versailles“, zu dessen Juroren auch Pritzker-Preisträger gehören. Nur der Wirt darf die Autostraße benutzen, und so kommen die Gäste zu Fuß, per Rad oder auf Skiern. Über Gästemangel können die Wirtsleute nicht klagen.

Wie ein schwarzer Diamant

Die zweite Großtat von Zaha Hadid war der 2012 beendete Umbau der berühmten Bergiselschanze, auf der sich bei der Winterolympiade 1976 die Skispringer ihre Medaillen erkämpft hatten. Seit dem Umbau ist sie ein ganzjahres Sport- und Besucherziel. Der Blick von der Schanze auf Innsbruck und die Berge der Nordkette ist großartig. Von der Terrasse im 12. Stock vom Hotel „aDLERs“, die auch Nichtgästen zugänglich ist, liegt den Staunenden ebenfalls Tirols Hauptstadt mit ihren Bergen zu Füßen. Deutlich sind von dieser Dachterrasse die Domtürme zu sehen und auch die der Jesuitenkirche. Neben ihr lugt ein schwarzes, leicht geknicktes Bauwerk über die roten Dächer. Es ist das neue Haus der Musik, geplant vom Innsbrucker Architekten Erich Strolz, das im November 2018 eröffnet wurde.

Von Nahem wirkt das glänzende, tiefdunkle Bauwerk wie ein schwarzer Diamant. Viele Innsbrucker fanden vorab jedoch Schmähnamen und kritisierten darüber hinaus die Platzierung zwischen der Kaiserlichen Hofburg, dem Landestheater und der Jesuitenkirche. Das ist tatsächlich ein starker Kontrast, doch nötig war dieses neue Haus allemal und führt Innsbruck ins 21. Jahrhundert. Die schönen holzgetäfelten Säle und die gute Akustik, für die die Spezialisten Müller-BBM GmbH (Planegg) sorgten, dürften bald die Kritiker versöhnlich stimmen.

Ansonsten findet das zeitgenössische Bauen am Bahnhof statt, wo die bisherigen Häuserreihen an den Inn-Salzach-Stil erinnern. Dort baut die PEMA-Gruppe, die seit ihrer Gründung 2005 Immobilienprojekte mit einem Gesamtvolumen von mehr als 800 Millionen Euro in Österreich, Deutschland und Südtirol entwickelte. In Innsbruck entstehen durch sie 50 Meter hohe Geschäfts- und Hoteltürme, wie das „Headline“ mit dem Hotel „aDLERs“, das erste Hochhaus in der Innsbrucker Innenstadt seit den Olympischen Spielen 1976, entworfen vom Wiener Architekturbüro Henke Schreieck.

Ein Stück weiter hat PEMA ein aus Platzgründen steil emporstrebendes, 50 Meter hohes Geschäfts- und Wohngebäude, genannt PEMA 2, errichtet. Darin hat auch die Stadtbibliothek ihr neues Zuhause. Die Entwürfe lieferten LAAC-Architekten aus Innsbruck. Mit „P3“ entsteht nun an der Südbahnstaße, direkt beim Hauptbahnhof, ein 46 Meter hoher Turm. In den zieht die Hotelkette „Motel One“ ein. Auf rund 9500 Quadratmetern Gesamtfläche sollen außerdem moderne Büro- und kleinere Handelsflächen Platz finden. Die Planung obliegt den Innsbrucker Architekten Heinlein & Zierl, die einstimmig zum Wettbewerbssieger gewählt wurden.

Innsbruck hat nun offenbar selbst eigene, fähige Architekten, die „Moderne können“ und braucht kaum mehr die teuren internationalen Stars. (Ursula Wiegand)

(Gestaffelte Hausfassaden mit schmalen Häusern und die RathausGalerien. Ds neue Haus der Musik und eine der geschwungenen Stationen der Hungerburgbahn - Foto: Ursula Wiegand)

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