Bauen

Vor Kurzem wurde das Bauhaus Museum Dessau eröffnet. (Foto: Ursula Wiegand)

27.09.2019

Schwebender Stahlbetonriegel mit Glashülle

Das Bauhaus Museum Dessau ist eröffnet

Nach knapp zweieinhalb Jahren Bauzeit ist das Bauhaus Museum Dessau am 8. September 2019 mit einem Festakt zusammen mit Bundeskanzlerin Angela Merkel feierlich eröffnet worden. Und ebenso neu wie dieses moderne, rundum verglaste Gebäude ist auch die dazu geschaffene Adresse: Mies-van-der-Rohe-Platz 1.

Mies van der Rohe war der letzte Bauhaus-Direktor, bevor sich diese von den Nazis bedrängte Ausbildungsstätte 1933 auflöste. Doch es gibt noch einen weiteren, überraschenden Bezug. „Wir alle im Team sind Fans von Mies van der Rohe. Als Architekten aus Barcelona haben wir zu seinem Barcelona-Pavillon eine starke Verbindung“, erklärt Roberto Gonzalez, der 38-jährige Chef von addenda architects, das für die Planung des Bauhaus Museums Dessau verantwortlich war.

Zur Erklärung: Mies van der Rohe hatte diesen Pavillon als deutschen Beitrag für die Weltausstellung 1929 in Barcelona geschaffen, danach wurde er abgerissen. Doch die Stadt hat diese Ikone der Moderne von 1983 bis 1986 nach den Originalplänen an derselben Stelle rekonstruieren lassen. Daher fasziniert dieser Pavillon nach wie vor.

Der Entwurf war flexibler als andere

2004 ist Gonzalez erstmals nach Dessau gereist, um sich das von Walter Gropius geplante Bauhaus anzuschauen. „Das hat mir sehr gefallen und dieser damalige Ruck vorwärts hat mich stark beeindruckt“, sagt er. Vielleicht haben Gonzalez die Bauten von Mies van der Rohe und Walter Gropius ermutigt, sich an diesem offenen internationalen Wettbewerb zu beteiligen. Sofort wurde das Team von nur drei Architekten auf fünf aufgestockt und alle gingen intensiv an die Arbeit.

Der vorgelegte Entwurf hat die Jury überzeugt. Aus 831 Teilnehmern ist addenda architects, dieses junge, fast unbekannte Team, als Sieger hervorgegangen. Warum wohl? „Unser Entwurf war flexibler als andere“, meint Gonzalez. Tatsächlich erlaubt und benötigt dieses neue Museum schon durch seinen Standort zwischen dem Stadtzentrum und dem Park eine besondere Flexibilität, und davon hat die Stiftung Bauhaus Dessau schon während der Bauphase Gebrauch gemacht. Die vom Tageslicht durchflutete große Halle im Erdgeschoss erwies sich trotz ihrer Kargheit als ein Wohlfühlraum und wurde bereits für Veranstaltungen genutzt. Sie lässt sich vielfach bespielen und ist weiterhin für alle Besucher ohne Ticketkauf zugänglich.

Neben der Helligkeit gibt es drinnen auch viel Schwarz. Aus gutem Grund wird das erste Stockwerk, wo die Dauerausstellung ihren Platz hat, Black Box genannt. Die ist ein rund 100 Meter langer und 18 Meter breiter, in sich geschlossener Kubus aus Stahlbeton, der ohne stützende Säulen nur auf den beiden Treppentürmen an der rechten und linken Gebäudeseite ruht. Der Brückenbau war für Gonzalez das Vorbild.

Genau genommen ist das Bauhaus Museum Dessau ein Haus im Haus – ein schwebender Riegel aus Stahlbeton mit einer gläsernen Hülle. Dieses Konzept war für die Jury der Hauptgrund, sich mutig für das junge Team von addenda architects zu entscheiden. Dieses Vertrauen haben Roberto Gonzalez und die Seinen nicht enttäuscht. Die Dreifachverglasung und die Begrünung des rund 1500 Quadratmeter großes Dachs sorgen nun sommers wie winters für die erforderliche Isolation und so für ein gutes Raumklima.

Ein gradliniger und strenger Glasbau

Den Vorübergehenden fällt das Grün auf dem Dach nicht auf. Für sie ist das Bauhaus Museum Dessau richtigerweise ein von allen Seiten geradliniger und strenger Glasbau. Aber einer, der je nach Lichteinfall unterschiedlich schimmert und darüber hinaus alles spiegelt: die Häuser jenseits der Straße, die Autos und Radler, die vorübergehenden Menschen sowie die Bäume auf der Parkseite.

Viele Menschen haben sichtlich Vergnügen an diesen Spiegelungen. Wenn die Abendsonne in die Fenster scheint, können sie von außen durch die große Halle blicken und recht genau sehen, was sich drinnen tut.

Aus Minimum das Beste herausgeholt

Zu den größten Herausforderungen für Gonzalez gehörte jedoch nicht nur die anspruchsvolle Konstruktion dieses Museums, das erste große Projekt für ihn und sein Büro. Zunächst musste er intensiv Deutsch mitsamt den Fachwörtern lernen, um sich mit Bauleuten und Firmen verständigen zu können. Das war wichtig, „um Vertrauen zu gewinnen“. Auch die zahlreichen, in Deutschland üblichen Normen und Regulierungen, die im experimentierfreudigen Spanien unbekannt sind, waren zunächst eine Hürde. Doch die Ingenieurbüros haben ihm geholfen. „Bis an die Grenze haben wir die Baustandards ausgenutzt, und nur mit guter Zusammenarbeit ist solch ein Erfolg möglich“, betont Gonzalez.

Wie viel Bauhaus steckt denn in diesem 105 Meter langen, 25 Meter breiten und zwölf Meter hohen Gebäude? Das sei eine schwierige Frage, sinniert er und verweist auf die schlichte Form des Baukörpers. Der sei „eine Neu-Interpretation der Moderne“, zeige aber durch die schwarzen Komponenten auch Stärke und sei ein Hingucker. Damit hat er sicherlich recht.

Per saldo setzten Zeit und Geld die Grenzen. Doch man verhielt sich wie die Bauhäusler, die aus einem Minimum das Beste herausgeholt hätten. So groß wie möglich wurde gebaut. Dabei ging es um Proportionen, Positionierung und Raum. Unwägbarkeiten während der Arbeiten führten zu Verzögerungen und zum Anstieg der Kosten von 25 auf 30 Millionen Euro, eine heutzutage ziemlich annehmbare Überschreitung. Geprotzt wurde drinnen jedenfalls nicht. Auf Sichtbetontreppen (oder per Fahrstuhl) gelangt man in die Black Box und damit zur Ausstellung „Versuchsstätte Bauhaus. Die Sammlung“. Mit über 49 000 Objekten besitzt Dessau nach Berlin die zweitgrößte Bauhaus-Sammlung weltweit.

Das Bauhaus war in erster Linie eine Schule, und so bestimmen vor allem Schülerarbeiten, Aufzeichnungen aus dem Unterricht, Entwürfe und Prototypen aus den Werkstätten den Charakter dieser Ausstellung. Anderes reizt wohl noch mehr. Wie gerne würden sich viele auf die Stühle und Sessel von Marcel Breuer oder Mies von der Rohe setzen oder ihr Zimmer mit einem (nachgewebten) Wandbehang von Gunta Stölzl schmücken. Ausgestellt sind etwa 1200 Objekte und viele kleinere stehen im Hauptraum in einem orange-roten Regal. Das alleine ist schon eine willkommene farbliche Bereicherung in dieser aus konservatorischen und sicherheitstechnischen Gründen fensterlosen, aber gut beleuchteten Black Box.

Allerdings sorgen die vielen kleinen Strahler für Spiegelungen auf verglasten Bildern und bilden Lichtreflexe auf Metallteilen. Den weltbekannten Wagenfeld-Lampen machen sie jedoch keine Konkurrenz. Da in Dessau überwiegend Originale ausgestellt sind, wird das Licht ständig automatisch kontrolliert. Vor allem Papieroriginale müssen stark geschützt werden.

Fazit: Das Neue, das das 1919 in Weimar gegründete Bauhaus dann ab 1925 auch in Dessau lehrte und vorantrieb, wird nun im Bauhaus Museum Dessau weiter verdeutlicht. Das Bauhaus war keine reine Architektenschule. Auch Theater, Tanz, Malerei, Weberei und Musik wurden unterrichtet und praktiziert. Wichtige Beispiele künden in Dessau von der Breite und Nachhaltigkeit der Bauhaus-Bewegung.
(Ursula Wiegand)

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