Bauen

Norbert Gebbeken, Präsident der Bayerischen Ingenieurekammer-Bau. (Foto: B. Gleixner)

27.06.2017

"Sklavenhafte Ausschreibung"

Kammer-Kolumne: Norbert Gebbeken, Präsident der Bayerischen Ingenieurekammer-Bau, über Unterschwellenvergabe von Ingenieurleistungen

Oberhalb des EU-Schwellenwerts regelt die Vergabeverordnung (VgV), wie der Bieter mit dem „besten Preis-Leistungs-Verhältnis“ gefunden werden kann. Anfang 2018 wird für öffentliche Auftraggeber die neue „Unterschwellenvergabeordnung“ (UVgO) verbindlich werden. Für freiberufliche Leistungen, zu denen auch Ingenieurleistungen zählen, beschränkt sich die UVgO jedoch auf die Kurzregelung, nach der sie „grundsätzlich im Wettbewerb“ zu vergeben sind. Dabei sei so viel Wettbewerb zu schaffen, „wie dies nach der Natur des Geschäfts oder nach den besonderen Umständen möglich ist“. Ähnlich hat bisher das bayerische Haushaltsrecht formuliert, dass dem Abschluss von Verträgen eine öffentliche Ausschreibung vorausgehen muss, „sofern nicht die Natur des Geschäfts oder besondere Umstände eine Ausnahme rechtfertigen“. Beide Regelungen lassen offen, was genau daraus für Ingenieurleistungen folgt. Vielfach stellt sich die öffentliche Hand deshalb auf den Standpunkt, es müssten zumindest drei Angebote eingeholt werden, ohne zu reflektieren, ob die „besonderen Umstände“ oder „die Natur des Geschäfts“ auch eine Direktvergabe zulassen. Dabei gibt es sehr wohl besondere Umstände, die dem Auftraggeber die sklavenhafte Ausschreibung ersparen würden. Die Ausschreibungspflicht fußt auf den Haushaltsgrundsätzen der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit und verfolgt das Ziel, die im Wesentlichen aus Steuern und Abgaben bestehenden öffentlichen Mitteln sinn- und maßvoll einzusetzen. Damit verbundene Effekte der Ausgabenbegrenzung werden bei Planungsleistungen aber bereits durch die gültige Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI) erzielt. Sollen ausschließlich von der HOAI verbindlich geregelte Leistungen beauftragt werden, beschränken sich die Honorare in der Praxis seit jeher auf den Mindestsatz. Wenn aber ohnehin nur das bezahlt wird, was bezahlt werden muss, führt eine Ausschreibung bei Auftraggebern und Auftragnehmern nicht zu Einsparungen, sondern nur zu unnötigem Aufwand.
Doch auch dann, wenn neben den verbindlich bepreisten auch preislich freigestellte Leistungen vergeben sollen, verlangt das Haushaltsrecht nicht apodiktisch nach einer Leistungs- und Honoraranfrage bei mehreren Bewerbern. Das zeigt schon das Vergabehandbuch für freiberufliche Leistungen des Freistaats Bayern (VHF). Danach lässt ein Anteil ungeregelter Leistungen bis zu einem Gesamtvolumen von 25 000 Euro netto mit zehn Prozent die direkt mögliche Auftragserteilung unberührt.

Grenzüberschreitendes Interesse

Nicht übersehen werden darf, dass nach europäischem Recht auch unterhalb des Schwellenwerts eine Ausschreibungspflicht entstehen kann, wenn ein Auftrag seiner Art nach auch für Anbieter anderer EU-Mitgliedsstaaten interessant sein könnte. Besteht aber kein grenzüberschreitendes Interesse am Auftrag und sollen nur Grundleistungen nach Mindestsätzen beauftragt werden, liegen „besondere Umstände“ im Sinne des Haushaltsrechts vor. Bei Leistungen, deren Vergütung gesetzlich nicht geregelt ist, wird es sich stets um freiberufliche Leistungen handeln, deren Ergebnis typischerweise zu Vertragsbeginn noch nicht feststeht, sondern als Ziel des Vertrags planerisch entwickelt wird. Dabei spielt die individuelle Klasse des Auftragnehmers die entscheidende Rolle für den Planungserfolg. Die „Natur des Geschäfts“ ist es deshalb, die eine routinemäßige Ausschreibung entbehrlich macht.
Im Volksmund kursiert das geflügelte Wort vom „Anwalt des Vertrauens“. Warum sollte der öffentliche Auftraggeber einen anderen als den „Ingenieur seines Vertrauens“ beauftragen müssen? Dass es aus Gründen der Korruptionsvorsorge geboten ist, Aufträge zu streuen, lässt sich auch durch Direktvergaben gewährleisten. Eine Ausschreibung macht demgegenüber nur Sinn, wenn dem Auftraggeber die Qualität der Leistung gleichgültig ist oder er keinem Ingenieur Vertrauen schenken mag. In beiden Fällen sollte er sich dann aber fragen, ob er nicht besser von seinem Planungsvorhaben Abstand nimmt.

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