Bauen

Das Limeseum von Norden aus gesehen. (Foto: Karl + Probst)

26.10.2012

Spirale in die Vergangenheit

Neues Limes-Museum im mittelfränkischen Ruffenhofen

Manchmal erweist sich eine vermeintliche Schwäche als Stärke. Das westliche Mittelfranken gilt als strukturschwache Region. Und tatsächlich: Da sind keine monströsen Gewerbegebiete, keine wuchernden Schlafsiedlungen aus Toskana-Klonen, keine Lkw-Pisten, die mit dem Laser durch die Landschaft gefräst wurden. Ein stilles, schönes Land ist der hingewellte Wörnitzgrund unter dem Hesselberg, ein wahres Kleinod, als hätte es ein Landschaftsmaler komponiert. Weil kein Bauboom über die dünn besiedelte Wiesenlandschaft fegte, die einstmals der Limes teilte, gibt der Boden dort noch Zeugnisse der Vergangenheit preis, die andernorts durch Überbauungen endgültig zerstört wurden.
Das römische Kastell auf einer Geländezunge über der Wörnitz beim Örtchen Ruffenhofen wurde in 1800 Jahren nie überbaut, zwar schon einmal im 19. Jahrhundert erforscht, aber nicht ausgegraben. Als der Limes mit allen dazu gehörigen Bauten 2005 von der UNESCO die Kanonisierung als Welterbe erfuhr, betraf das auch dieses Kastell. Dass man damals nicht hektischem Aktionsmus verfiel oder in der Hoffnung auf das schnelle große Geld aberwitzige Pläne hegte, wie etwa in Ellingen, wo sich für einen monströsen „Römer-Freizeitpark“, großspurig angekündigt, schließlich kein einziger Investor fand, ist eine sympathische Besonderheit dieser Gegend.
Die drei Landgemeinden Gerolfingen, Wittelshofen und Weiltingen taten sich zusammen und schrieben einen Architekturwettbewerb für ein neues Museum aus. Bereits seit 2002 hatte das Amt für Ländliche Entwicklung Ansbach zum Schutz des Kastells und der dazu gehörigen Zivilsiedlung 40 Hektar Ackerflächen aufgekauft. Darauf entstand mittlerweile der „Römerpark Ruffenhofen“, der weder fragwürdige Nachbauten noch Ausgrabungen oder irgendwelchen Klamauk präsentiert, sondern die römischen Strukturen allein durch Bepflanzungen nachzeichnet und erlebbar macht.
In Sichtweite des 3,7 Hektar großen Kastells mit einer Kantenlänge von 197 x 191 Meter wurde am Fuß eines aufgeschütteten Aussichtshügels lediglich ein Modell der Anlage im Maßstab 1:10 aufgebaut. 100 Meter entfernt schmiegt sich das neue, „Limeseum“ genannte, Limes-Museum in den Hang. Den Architekturwettbewerb mit 30 Einreichungen gewann im Dezember 2010 das Münchner Büro Karl + Probst.
Mit der Eröffnung des Museums zeigt sich nun, dass hier ausnahmsweise einmal das Gebäude hält, was der Entwurf versprach. Weil die Wiesenlandschaft keine architektonischen Bezugspunkte bietet, wählten die Architekten eine eigenwillige, fast geschlossene Spirale. Die Ausstellung ist in eine Aufwärtsspirale mit rollstuhlgerechter Neigung an der äußeren Fassadenseite integriert, wobei der Endpunkt etwa drei Meter über dem Anfang liegt. Von der Eingangstheke führt gleichzeitig eine Rampe am inneren Fassadenrund hinunter in die als Massivbau ausgeführte Funktionsebene mit Technikräumen, Bibliothek, Funddepot und Sanitärbereich.

Aufsteigend, in
drei Bereiche gegliedert


Der Eingangsbereich dient auch als kleines Café. Er lässt sich mit dem anschließenden Mehrzweckraum für Veranstaltungen vom Ausstellungsteil abtrennen. Ihn erlebt man aufsteigend, gegliedert in die drei Bereiche Limes, Kastell und Vicus, mit einem Kino inklusive virtueller Rekonstruktion des Areals in der Mitte. Die Exponate, ausschließlich lokale Funde, sind zwar nicht sonderlich aufregend, aber das Raumerlebnis entschädigt dafür allemal.
Das Stakkato der umlaufenden Holz-Glasfassade teilt den Ausblick in Sequenzen, die sich im Emporsteigen wie laufende Filmbilder aneinander reihen. Als sorgfältig inszenierter Höhepunkt bietet dann die Glasfront am Endpunkt der Raumfolge einen ungeteilten Blick auf das riesige Areal des Römerparks und den Wörnitzgrund unter dem Hesselberg. An der Außenseite sorgen vertikale Holzschwerter für die gewünschte Verschattung und unterstreichen die griffige dreidimensionale Struktur des Gebäudes.
Seit Frank Llody Wrights Guggenheim-Museum gilt die kreisförmige Rampe ja als Klassiker der Museumsarchitektur. Doch das Museumsgebäude von Karl + Probst hat weder etwas mit einem eklektizistischen Architekturgag zu tun, noch kommt es als gestelztes Architekturtraktat daher.
Im stillsten Winkel Mittelfrankens entstand auf einer grünen Wiese ein Bau von beeindruckender Stringenz, gleichermaßen nach innen auf die Funktion als Ausstellungsraum konzentriert und extrovertiert, um den Besuchern beim Rundgang die grandiose Landschaft wie ein Panorama des 19. Jahrhunderts zu präsentieren. Vier Millionen Euro hat das architektonisch interessanteste und schönste Museum Bayerns übrigens gekostet. Es ist Teil eines Gesamtkonzepts, das in einer Zeit, die für den schnellen Profit ihren ererbten Kunstschätzen mit Blockbuster-Events zusetzt wie keine Generation davor und Bodendenkmäler für relativ kurzlebige Überbauungen zerstört, so weitsichtig wie wegweisend ist.
Indem man die Geschichte präsentiert, ohne dafür die überkommene Substanz anzutasten, werden spätere Generationen und Jahrhunderte nicht der Chance auf einen eigenen Umgang mit ihrer Vergangenheit beraubt.
(Rudolf Maria Bergmann) (Für das Museum wurde eine fast umschlossene Spiralform gewählt; Blick in den Innenhof und die Ausstellung des Limeesums - Fotos: Karl + Probst)

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