Pünktlich zum vertraglich vereinbarten Zwischentermin mit Hochtief (31. Januar 2016) ist sie fertig, die Innenauskleidung der 6000 Quadratmeter organisch geschwungener Flächen und Wölbungen des Großen Konzertsaals, entworfen vom Schweizer Architekturbüro Herzog & de Meuron in Kooperation mit der japanischen Akustik-Koryphäe Yasuhisa Toyota, Nagata Acoustics. Realisiert hat sie der Baukonzern Hochtief, mit 10 000 individuellen, 3D-gefrästen Gipsfaserplatten, die den Saal wie ein riesiges Innenrelief von der Decke bis zur Bühne bedecken – als „Weiße Haut“ in aller Munde.
Jacques Herzog betont aber, dass diese Bezeichnung nicht treffend sei und dass das Relief alles andere ist als eine „Weiße Haut“. Diesen Begriff möchte der Architekt gar nicht mehr hören. „Die Oberfläche ist

verbunden mit der Form des Raums und lässt sich nicht losgelöst davon betrachten“, erklärt der Schweizer auf der Bühne des 50 Meter langen, 40 Meter breiten und 25 Meter hohen Saals. Die Innenauskleidung folgt demnach nicht nur der Form des Raums, sondern bildet mit diesem eine optische und funktionale Synergie, denn sie hat die Aufgabe, den Schall der Musik in jedem Winkel des Raums zu reflektieren und ungewollte Echoeffekte zu vermeiden.
Ornamentales
Kunstwerk
Früher verwendete man dafür Ornamente, oft werden Wandpaneele installiert. So betrachtet, handelt es sich nicht um eine Haut, sondern um ein großes, modern interpretiertes ornamentales Kunstwerk, das den gesamten Raum bis hin zur Bühne überzieht und sich dort in einer Art Netzstruktur auflöst. Auch die rund 200 Quadratmeter große Fläche des Klangreflektors ist damit bedeckt. Blickt man von der Bühne in den Saal, verblüfft die Nähe der Zuschauerränge, die auf den höchsten Rängen maximal 30 Meter vom Orchester entfernt sind.
Die gesamte Oberfläche des riesigen Raum-Reliefs wurde nach komplexen Computerberechnungen und Akustik-Tests aus Gipsfaserplatten hergestellt, die wie ein großes Bild aus 10 000 individuellen Puzzleteilen mit einer maximalen Fuge von fünf Millimeter montiert wurden. „Damit toppen wir sämtliche Fugen-Normen“, sagt die Projektleiterin von Hochtief, Beate Corniels, und weist darauf hin, dass die Montage auf hohen Gerüsten und an den vielen organischen Schwüngen der Brüstungen und Balkone der Ränge sehr aufwendig war. „Es gab Tage“, sagt sie, „an denen keine einzige Platte montiert wurde“.
Für Anpassungen mussten einzelne Platten in die von Hochtief beauftragte Fräswerkstatt gebracht werden. Insgesamt wiegt die muschelförmige Raum-Landschaft aus rund einer Million Teilen mit fünf bis 90 Millimeter tiefen Tälern und Mulden 226 Tonnen.

Die raue und marine Assoziation passt zum Standort des Konzerthauses am Kaiserkai 2 im Hamburger Hafen. Auf die optische Homogenität des Reliefs, zum Beispiel durch die farbliche Überspritzung der Oberfläche, wurde zugunsten der Fugenoptik verzichtet. Ursprünglich ging man vom Szenario aus, dass die Zuschauer quasi als „akustische Flimmerhärchen wie in einer Ohrmuschel“ im homogenen, weißen Saal sitzen. Aktuell werden die 2100 Sitze, das Parkett und die Orgel eingebaut. Die Tests dafür haben akustisch begeistert.
Der Hamburger Konzertsaal ist mit 25 Metern viel höher als andere erfolgreiche Konzertsäle, wie zum Beispiel die Berliner Philharmonie mit 21 Metern über dem Orchester oder der Walt Disney Hall in Los Angeles mit rund 15 Metern Höhe.
Zuschauer sind dem Orchester möglichst nahe
Jacques Herzog erklärt, dass das Raummodell eine Überlagerung von Theater, Stadion und Zelt ist, indem die Zuschauer dem Orchester möglichst nahe sind. Seitens der Konstruktion ist der 12 500 Tonnen schwere organisch-modern geformte Saal mit einer doppelten Hülle aus einer Beton-Außenschale und einer mit Beton gefüllten Stahl-Innenschale im Raum-in-Raum-Konzept autark im Gesamtgebäude aufgehängt beziehungsweise von 362 gewaltigen Stahlfedern getragen. Dadurch wird kein Schall nach außen und innen getragen.
„Es vergehen oft viele Jahre, bevor man einen Schatz findet“, sagt die Kultursenatorin der Hansestadt Hamburg, Barbara Kisseler. Den lassen sich die Hamburger nach zehnjähriger Bauzeit rund 789 Millionen Euro kosten. Inzwischen macht sich finale Vorfreude an der Elbe breit und immer mehr Hamburger entdecken die Elbphilharmonie als ihren Schatz und fördern das Projekt ideell und monetär. (
Elke Kuehnle)
(Die organisch geschwungenen Flächen und Wölbungen; die Oberfläche des Raum-Reliefs besteht aus Gipsfaserplatten - Fotos: Johannes Arlt)
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