Wo früher Getreide trocken aufbewahrt wurde, werden künftig Kinder und Jugendliche ihr technisches und digitales Wissen vermehren. Sie werden 3D-Modelling, Programmierung und Spieleentwicklung erlernen oder Roboter bauen. Im ehemaligen Getreidespeicher der BayWa in Hirschaid entsteht ein MINT-Zentrum. MINT ist die Abkürzung für Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik. „Ausgehend von den Herausforderungen im Bereich Klimawandel, Umweltschutz und Energiesysteme und der Notwendigkeit von technischer und digitaler Bildung, war meine Motivation, einen außerschulischen Lernort für Zukunftstechnologien zu schaffen und Kinder und Jugendliche dafür zu begeistern“, erklärt Frank Seuling, Bauherr und gleichzeitig Gründer und Geschäftsführer der gemeinnützigen MINT-Zentrum Hirschaid GmbH.
Privat finanziert
Möglich macht dies eine Förderung mit 6,4 Millionen Euro durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung für den Betrieb des Zentrums. Der Umbau des ehemaligen Getreidespeichers sowie der Neubau der Veranstaltungsarena in Holzbauweise von 2022 bis 2024 wurden privat finanziert durch die Brüder Frank und Bernd Seuling.
Vor einigen Jahren kam der in Hirschaid aufgewachsene Frank Seuling erstmals selbst mit MINT-Themen in Berührung. 2010 orientierte er sich beruflich neu und sanierte ein ehemaliges Industriegelände in Hirschaid zu einem der nachhaltigsten Veranstaltungszentren Deutschlands und zertifiziertem EU-Green-Building, den Energiepark Hirschaid. Das MINT-Zentrum im ehemaligen Getreidespeicher ist sein neuestes Projekt.
„Wir befinden uns im Zeitalter der Digitalisierung“, so der Bauherr. „Herausforderungen wie der Klimawandel, die Energiewende und die Chancen durch den technologischen Fortschritt lassen sich ohne MINT-Kompetenzen und Begeisterung für Technik nicht lösen.“ Schulen haben oft nicht die Möglichkeit, die rasend schnellen Entwicklungen in diesen Bereichen abzufangen. In einem MINT-Zentrum ist das jedoch möglich. Das Hirschaider MINT-Zentrum versteht sich daher auch nicht als Konkurrenz zu Schulen, sondern als Ergänzung. Als erstes Lernprogramm wird TUMO angeboten, ein innovatives, kostenloses Bildungskonzept aus Armenien, das normalerweise nur in Hauptstädten realisiert wird, wie zum Beispiel Berlin, Paris oder Los Angeles.
Holz und Stroh
Workshopräume und Personal in Hirschaid sind für 500 Kinder und Jugendliche ausgelegt. Das Bildungskonzept TUMO ist jedoch nur das erste Angebot. Weitere MINT-Lernprogramme sollen folgen, wie zum Beispiel KI-Module oder ein Konzept mit dem Fokus auf Luft- und Raumfahrt. Platz dafür gibt es genügend, denn im Getreidespeicher stehen noch fünf weitere Stockwerke zur Verfügung sowie Flächen in den gegenüberliegenden ehemaligen BayWa-Werkstätten, die als MakerSpace-Flächen umgenutzt werden sollen.
Das Architekturkonzept beinhaltete im Schwerpunkt den Umbau des Getreidespeichers sowie eine Erweiterung durch den Neubau einer Veranstaltungsarena als Ellipse in Holzbauweise mit Strohdämmung als Zero-Carbon-Building. Bei der energetischen Sanierung des Getreidespeichers wurden vorhandene Gebäudestrukturen ressourcenschonend übernommen und mit klimaneutralen Baumaterialien ergänzt. In diesem Zusammenhang wurden zum Beispiel die bestehenden Decken, Wände und Stützen aus Beton sandgestrahlt und bewusst in das Gestaltungskonzept der Räume berücksichtigt.
Beim Neubau der Veranstaltungsarena wurde ein Gesamtkonzept aus nachwachsenden Rohstoffen entwickelt. Wandaufbau, statische Maßnahmen und der komplette Innenausbau orientieren sich hierbei an Holz beziehungsweise klimaneutralen Werkstoffen. Gedämmt wurde die Arena als Versammlungsstätte mit 8 Tonnen Stroh, das in die vorgefertigen Holzbauelemente eingeblasen wurde.
Durch die Verwendung der Geometrie einer Superellipse für die Veranstaltungsarena wurde ganz bewusst ein architektonischer Kontrast zum wuchtigen und kubischen ehemaligen Getreidespeicher gewählt. Gleichzeitig wurde mit der Verwendung der Ellipse für den Baukörper des Neubaus in Verbindung mit der Holzfassade ein einzigartiges, skulpturelles Gebäude mit Symbolcharakter geschaffen.
Der Kontrast zwischen Bestandsgebäude aus Beton und dem Neubau in Holzbauweise wurde auch durch die Wahl der Farbgebung mit Schwarz und Weiß besonders hervorgehoben. Die verwendete Ellipse zeichnet sich auch dadurch aus, dass die vorhandene Grundfläche mit höchster Effizienz für unterschiedliche Veranstaltungsformate genutzt werden kann und wesentlich vorteilhafter ist als runde oder rechteckige Baukörper.
Mit dem Neubau der Veranstaltungsarena in Holzbauweise und Strohdämmung wurde auch gezeigt, dass technische Anforderungen an eine Versammlungsstätte in den Bereichen Statik, Brandschutz, Akustik und Bauphysik auch beim Holzbau problemlos erfüllt werden können und teilweise auch wesentlich kostengünstiger und einfacher realisierbar sind als in Massivbauweise.
Extrem verkürzte Bauzeit
Durch Modulbauweise und die Vorproduktion von Einzelkomponenten wurde die Bauzeit extrem verkürzt. Der konsequente Einsatz erneuerbarer Energien, klimaneutraler Materialien und energieeffizienter Haustechnik leistet in Verbindung mit dem Holzbau einen großen Beitrag zur Erreichung der Zielsetzung eines Zero-Carbon-Buildings.
Mit Abschluss der Baumaßnahmen und Eröffnung des MINT-Zentrums im Januar 2025 ist nun ein symbolischer Ort der Begeisterung entstanden für die Verbindung von MINT-Bildung, Klimaschutz und Zukunftstechnologien. Die Veranstaltungsarena in Holzbauweise kann auch als Veranstaltungsort für externe Zielgruppen und Besucher genutzt werden. Der gelungene Transformationsprozess des ehemaligen Getreidespeichers in Kombination mit dem innovativen Holzbau ist somit vor Ort erlebbar und dient gleichzeitig auch als Modell für klimaneutrales Bauen.
Als erste Versammlungsstätte gebaut aus Holz, Stroh und klimaneutralen Materialien, einer elliptischen Form und mit dem Anspruch eines Zero-Carbon-Buildings stellt die Veranstaltungsarena sicherlich in Verbindung mit der Nutzung als MINT-Zentrum und dem Umbau des ehemaligen Getreidespeichers nicht nur ein einmaliges Leuchtturmprojekt im Bereich Klimaschutz, sondern auch der Zukunftsbildung in Bayern dar. (Frank Seuling)
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