Bauen

Das Baugewerbe ist eine Schlüsselbranche der Volkswirtschaft. (Foto: Bilderbox)

16.05.2022

Verlässliche und mutige Baupolitik gefordert

Dem bayerischen Baugewerbe geht es trotz der schwierigen Material- und Fachkräftesituation vergleichsweise gut

Die Bauwirtschaft war und ist ein Anker, auch in den Corona-Jahren, erklärte Wolfgang Schubert-Raab, Präsident des Landesverbands Bayerischer Bauinnungen (LBB) im Rahmen der Jahrespressekonferenz. 2020 trug laut Schubert-Raab das Baugewerbe 6,1 Prozent zur gesamtwirtschaftlichen Bruttowertschöpfung bei. Fast 12 Prozent des Bruttoinlandsprodukts wurden für Bauinvestitionen verwendet und der Anteil des Baugewerbes an der gesamten Beschäftigung lag bei 5,7 Prozent. „Und sie ist eine Schlüsselbranche der Volkswirtschaft“, so der LBB-Präsident.

„Wir erleben gerade das Entstehen einer neuen, machtorientierten Weltordnung. Der freie Welthandel wird zunehmend von Handelsbeschränkungen zwischen den neuen Machtblöcken abgelöst. Das hat gravierende Auswirkungen auf alle Branchen – auch auf die Bauwirtschaft. Durch den Krieg in der Ukraine und die anhaltende Corona-Krise sind Lieferketten teils schwer gestört, die Materialpreise steigen teils extrem und Finanzierungsbedingungen verschlechtern sich. Dies bleibt nicht ohne Auswirkungen auf das Baugeschehen“, betonte Schubert-Raab.

Trotz der äußerst schwierigen Material- und Fachkräftesituation läuft es am Bau vergleichsweise gut, so das Ergebnis der Frühjahrkonjunkturumfrage, an der rund 400 Mitgliedsunternehmen teilgenommen haben. Die derzeitige Geschäftslage wird von fast der Hälfte der Bauunternehmen (44 Prozent) als „gut“ bewertet. Und noch einmal fast ebenso viele Betriebe (39 Prozent) bewerten sie mit „befriedigend“. Nur etwa jeder siebte Betrieb beurteilt seine aktuelle Geschäftslage als „schlecht“.

Das liegt laut Schubert-Raab vor allem an den zu Jahresbeginn bestehenden hohen Auftragsbeständen. Bis zum Februar, das heißt vor dem Ukraine-Krieg, war zudem die Ordertätigkeit weiter rege. Insgesamt 38 Prozent der Bauunternehmen bewerten ihren Auftragsbestand als „gut“. Und 42 Prozent haben immerhin „ausreichende“ Auftragsbestände. Aber diese Zahlen sagen nicht die ganze Wahrheit, so der LBB-Präsident. Denn im öffentlichen Hochbau sowie im Straßen- und Tiefbau läuft es nicht rund. Dort klagen rund 38 Prozent der Betriebe über einen zu kleinen Auftragsbestand, nur 20 Prozent sind mit seiner Auftragsreichweite zufrieden. Im Ausbau sind dagegen die Unternehmen am besten ausgelastet. Allerdings, so Schubert-Raab, haben die hohen Auftragsbestände auch ein erhebliches Risikopotenzial: Sie sind häufig noch zu Einstandspreisen kalkuliert worden, die jetzt nicht mehr zu realisieren sind.

Die Unternehmen aller Bausparten – also Gewerbebau, öffentlicher Bau und Wohnungsbau – sind, was die Geschäftserwartungen der kommenden Monate angeht, deutlich skeptischer. Nicht einmal 4 Prozent erwarten eine weitere Verbesserung der derzeitigen Situation, aber knapp die Hälfte der Unternehmen (49 Prozent) eine Verschlechterung. Die andere knappe Hälfte der Unternehmen (47 Prozent) gehen aber doch von einer gegenüber der aktuellen Situation gleichbleibenden Geschäftslage, also einer stabilen Baukonjunktur aus.
Besonders stark fallen die Unterschiede im Jahresvergleich der im Wohnungsbau tätigen Unternehmen aus, erklärte der LBB-Präsident. Vor einem Jahr erwarteten fast 90 Prozent der Betriebe eine gleich gute oder sogar bessere Geschäftsentwicklung wie im Vorjahr. In diesem Jahr sieht das ganz anders aus. Die Hälfte der Unternehmen erwartet eine Verschlechterung der Geschäftslage beziehungsweise der Konjunktur. Nur eine verschwindend geringe Anzahl (2 Prozent) erwartet dieses Jahr bessere Geschäfte als im Vorjahr. Außer im Ausbau wird diese Erwartung in den anderen Sparten geteilt. Im Straßenbau erwarten sogar 60 Prozent der Betriebe eine Verschlechterung. Bei der deutlich schlechteren Bewertung der Erwartungen gegenüber der Lage spielen laut Schubert-Raab offensichtlich die massiven Lieferschwierigkeiten und Preissteigerungen bei Baustoffen sowie steigende Finanzierungskosten eine große Rolle. Die Betriebe würden auch nicht erwarten, dass der Druck in den kommenden Monaten nachlässt.

Die Erwartungen zur Umsatzentwicklung in 2022 haben sich im Vergleich zur Herbstumfrage erkennbar eingetrübt. Dabei hat es eine stärkere Polarisierung gegeben. Jedes vierte Unternehmen geht von Umsatzsteigerungen in 2022 aus. Allerdings sehen 41 Prozent der Unternehmen für dieses Jahr Umsatzrückgänge. In der Herbstumfrage waren dies lediglich 27 Prozent. Während im Herbst noch gut die Hälfte der Unternehmen stabile Umsätze erwartete, sehen dies nun nur noch gut ein Drittel der Befragten. Deutlich verhaltener geprägt sind dabei die Einschätzungen zum Wirtschaftsbau und zum öffentlichen Hoch- und Tiefbau. Fast 60 Prozent der Straßenbauer erwarten in 2022 einen Umsatzrückgang. Im öffentlichen Hochbau sind es 52 Prozent und im Wirtschaftsbau 48 Prozent der Betriebe. Viele Bauunternehmen rechnen laut Schubert-Raab allerdings mit den Auswirkungen der Orderrückgänge in allen Bausparten auf die Umsatzentwicklung eher in 2023.

Trotz der Unsicherheiten bleibt das mittelständisch geprägte Baugewerbe ein Beschäftigungsmotor. Jedes fünfte Unternehmen plant weiteres Personal einzustellen. Nur etwa 7 Prozent sehen sich veranlasst, Personal abzubauen. Ganz überwiegend (73 Prozent) soll das Personal gehalten werden. Damit hält der Beschäftigungsaufbau auch in Krisenzeiten weiter an. „Das Baugewerbe ist und bleibt ein sicherer und attraktiver Arbeitgeber. Mich freut es besonders, dass mehr als ein Drittel unserer Mitgliedsbetriebe (35 Prozent) die Lehrlingszahl in diesem Jahr erhöhen will. Nur 8 Prozent der Betriebe wollen weniger ausbilden. Allerdings klagen fast zwei Drittel der Betriebe (59 Prozent) über unbesetzte Ausbildungsplätze.

Die deutlichen Preissteigerungen, mit denen die Bauunternehmen im Einkauf konfrontiert sind, erschweren viele Bauvorhaben. Alle Baubetriebe berichten von deutlich gestiegenen Einkaufspreisen in den vergangenen drei Monaten. Und alle Baubetriebe gehen davon aus, dass die Preise für Baustoffe und Materialien in den nächsten Monaten weiter steigen werden. Die meisten Betriebe (83 Prozent) rechnen mit deutlichen Preisanstiegen. Besonders dramatisch wird die Situation laut Schubert-Raab bei Betonstahl und erdölbasierten Baustoffen. Auch bei allen anderen Baustoffen, wie Holz und mineralischen Baustoffen, inklusive auch mineralischer Dämmstoffe, sind deutliche Preiserhöhungen zu verzeichnen. Die Bauunternehmen kommen deshalb nicht umhin, die Preise für ihre Bauleistungen zu erhöhen. In den letzten Monaten haben das etwa 90 Prozent getan. Und die Bauherren müssen in den kommenden Monaten mit weiteren Preissteigerungen rechnen.

„Das Baugewerbe braucht in diesen krisenhaften Zeiten eine verlässliche und mutige Baupolitik, welche die Rahmenbedingungen für das Bauen der veränderten Situation anpasst. Dazu zählen eine verlässliche und verstetigte Neubauförderung und eine Verständigung auf ein bauphysikalisch und wirtschaftlich sinnvolles Niveau bei den Klimaschutzanforderungen im Wohnungsbau“, so der LBB-Präsident. Außerdem müsse die Bundespolitik die kommunale Investitionstätigkeit unterstützen, sei es durch Entlastung von Altschulden oder durch Förderprogramme. Das bayerische Baugewerbe fordert unter anderem die versprochene Entlastung von Bauherren etwa durch Einführung eines Freibetrags bei der Grunderwerbsteuer und die Erhöhung der AfA von 2 auf 3 Prozentpunkte. „Und es müssen endlich mutige Schritte zum Abbau der Überreglementierung des Bauens durch Verordnungen und Vorschriften unternommen werden“, betonte Schubert-Raab.

Darüber hinaus müssten dauerhaft viel mehr Mittel in die Berufsschulen fließen, die nach den Worten des LBB-Präsidenten „zum Teil skandalös schlecht ausgestattet“ sind. Die Beschleunigung der Genehmigungsverfahren liege ebenfalls in der Hand der Politik wie Maßnahmen zur Baulandmobilisierung. (Friedrich H. Hettler)

 

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