Bauen

Außenansicht des Erweiterungsbaus der Heizzentrale. (Foto: Herbert Stolz, Regensburg)

08.07.2022

Vom Dampfkessel zur Niedertemperaturfernwärme

Intelligentes Nahwärmenetz für das Universitätsklinikum Regensburg

Die Universität, das Universitätsklinikum und die Ostbayerische Technische Hochschule Regensburg werden aus einer gemeinsamen Energiezentrale mit Fernwärme, Strom und Fernkälte versorgt. Die 2001 in Betrieb genommene Kraft-Wärme-Kopplungsanlage (KWK) mit einer Gasturbine steht altersbedingt dringend zur Erneuerung an. Bereits 2014 wurde hierfür eine umfangreiche Energiestudie erstellt, um die Energieerzeugung gemäß den aktuellen Anforderungen nachhaltig anzupassen. Das daraus erarbeitete Wärmesanierungskonzept sieht gegenwärtig noch vor, die bestehenden Hochdruckdampferzeugungsanlagen des zentralen Heizwerks schrittweise durch moderne hocheffiziente Gasmotor-Blockheizkraftwerk-Module und Niedertemperaturkesselanlagen zu ersetzen.

Innovative KWK-Nahwärmekonzepte sind nur mit Niedrigtemperaturnetzen realisierbar. Deshalb wird die Vorlauftemperatur im Liegenschaftsfernwärmenetz konsequent von 160 auf 90 Grad Celsius umgestellt. Im Vergleich zur ursprünglichen Bestandsversorgung können so Primärenergieeinsparungen realisiert und CO2-Emissionen erheblich reduziert werden. Aus dem mehrstufigen Sanierungskonzept ist die erste Teilbaumaßnahme der Erneuerung der Energieversorgung mit Gesamtkosten von rund 16 Millionen Euro nahezu fertiggestellt. 

Im Rahmen dieser ersten Teilbaumaßnahme ist ein neues Technikgebäude an der Ostseite des bestehenden Heizwerks entstanden, welches die Liegenschaft der Technischen Zentrale durch Aufnahme der Gebäudefluchten zu einer Hofsituation schließt und die vorhandene Hangsituation aufnimmt. Der Erweiterungsbau in Sichtbeton, der in seiner äußeren Gestalt Bezug zum Bestand nimmt, dient der Unterbringung der neuen Wärmeerzeugung für das Universitätsklinikum Regensburg.

Herzstück der neuen Energiezentrale ist ein 16-Zylinder Gasmotoren-Blockheizkraftwerk (BHKW) mit einer Leistung von einem Megawatt (MW), das ganzjährig mit einem Gesamt-Wirkungsgrad von 89,8 Prozent die Grundlast der Wärmeversorgung des Klinikums deckt. Entscheidend für die Wirtschaftlichkeit der BHKW-Anlage ist, dass Strom und Wärme komplett zur eigenen Versorgung des Klinikums verwendet werden können. So werden nun jährlich rund 7000 MWh Strom eigenerzeugt und dadurch die Strombezugskosten erheblich gesenkt.

Gegenüber der alten KWK-Anlage mit Gasturbine, worüber das Uniklinikum vorher versorgt wurde, werden nun Verbrauchskosten in Höhe von rund 680 000 Euro und CO2-Emissionen von 2800 Tonnen jährlich eingespart. Die beiden neuen Niedertemperaturgaskessel mit jeweils sechs MW Leistung fungieren als Spitzenlastkessel und werden nur an kalten Tagen zugeschaltet. Alle sieben Wärmeübergabestationen im Uniklinikum wurden von Heiß- auf Pumpenwarmwasser umgerüstet. Sie werden über die Gebäudeautomation bedarfsgerecht gleitend gemäß der Außentemperatur geregelt.

Versorgungssicherheit ist für ein Klinikum von außerordentlicher Bedeutung. Die Niedertemperaturkessel können durch ihre bivalente Betriebsweise bei einer möglichen Störung der Gasversorgung im Notfall auch mit Heizöl aus dem vorhandenen unterirdischen Reservebrennstofflager der Energiebestandszentrale die erforderliche Wärmeerzeugung unterbrechungsfrei gewährleisten. Für den Fall, dass eine oder gar mehrere der installierten Wärmeerzeugungsanlagen ausfallen, wurde ein zusätzlicher Not-Wärmetauscher mit etwa zwölf MW Übertragungsleistung verbaut. Dieser ist mit der Bestandswärmezentrale gekoppelt, so dass ersatzweise Wärme aus der Bestandswärmeerzeugung in das Kliniknahwärmenetz eingespeist werden kann.

Durch die Anordnung im Neubau war eine zeitlich unabhängige Installation der Anlage möglich. Durch die Trennung der Fernwärmenetze Klinikum – Universität können auch die weiteren Bauabschnitte ohne Beeinträchtigung der Nutzung umgebaut werden. Die jetzt autarke Erzeugerstruktur des Uniklinikums trägt nachhaltig zur Verbesserung der Versorgungssicherheit bei.

Um auch während der dreijährigen Bauzeit den Betrieb so wenig wie möglich zu erschweren, wurde bei den erforderlichen Umschlussarbeiten und den Eingriffen in das Bestandsnetz des Klinikums genau darauf geachtet, dass diese in der heizreduzierten Sommerzeit durchgeführt wurden. Erfreulicherweise konnte der Umbau ohne den zusätzlichen Einsatz von kostspieligen Heizungsprovisorien durchgeführt werden. Nachdem das ursprünglich auf Gas ausgelegte Wärmeausbaukonzept im Hinblick auf die weiteren Ausbaustufen den gefassten Klimaschutzzielen und energiepolitischen Entwicklungen, welche durch den Ukrainekrieg nochmals verschärft wurden, nicht mehr Rechnung trägt, ist eine Neuausrichtung der Energiekonzeption für den Regensburger Campus erforderlich.

Eine entsprechende Studie wird derzeit durchgeführt mit dem Ziel einer möglichst regenerativen und CO2-neutralen Wärmeversorgungstrategie bei gleichzeitig größtmöglicher Flexibilität, Ausbaufähigkeit und Unabhängigkeit. Dabei sollen alle bestehenden regenerativen Energiepotenziale auf der Liegenschaft aufgedeckt und ein Konzept zur Integration dieser in die Bestandsversorgung erstellt werden.

Die Brückentechnologie Gas bleibt jedoch mittelfristig ein wichtiger Baustein für die Wärmeerzeugung der Universität Regensburg, um das überwiegend in den 1970er-Jahren errichtete Hochschulareal weiterhin bedarfsgerecht zu versorgen. Im Rahmen der allgemein stattfindenden Energietransformation sind umsetzbare regenerative Alternativen, die die Anforderungen in dieser Größenordnung mit dem Ziel einer vollständigen Dekarbonisierung der Liegenschaftsversorgung erfüllen, derzeit noch in der Entwicklungsphase.

Der erste Schritt hin zu innovativen Fernwärmenetzen mit Absenkung der Vorlauftemperaturen ist getan. Der Weg hin zur Klimaneutralität stellt eine globale Herausforderung dar. Die jetzt dringend benötigten weiteren Bauabschnitte müssen die Voraussetzungen schaffen, damit CO2-neutrale Wärmeerzeuger wie Großwärmepumpen die alten Gaskessel im Bestand ersetzen können. (Georg Gröber)
 

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