Die Bauhütte, das ehemalige „Weiß-Haus“ am Marktplatz 11 in Perlesreut (Landkreis Freyung-Grafenau), ist ein historisches Anwesen. Es handelt sich um ein Gebäude, das heute für viele Häuser in den Ortsmitten ländlicher Regionen steht: ein prägnantes, denkmalgeschütztes Anwesen, direkt am Marktplatz gelegen, das über einen längeren Zeitraum leer stand und zusehends verfiel. In den Jahren 2013 bis 2015 erfuhr es eine umfangreiche Sanierung und daraus resultierend ein neues Nutzungskonzept.

Das Projekt „Bauhütte“ ist beispielgebend für vergleichbare Objekte in ähnlicher Lage, es soll zeigen, welche Potenziale in Gebäuden stecken können, die auf den ersten Blick keine Perspektive mehr haben.
Das frühere Wohn- und Geschäftshaus dient seit seiner Wiedereröffnung am 9. Mai 2015 als Informations- und Begegnungszentrum für die Marktgemeinde Perlesreut und die Kommunalallianz Ilzer Land mit ihren zwölf Gemeinden, zu denen auch Perlesreut zählt. Für diesen ILE-Verbund (ILE = Integrierte Ländliche Entwicklung) und seine rund 38 000 Einwohner soll die Bauhütte zentrale Anlaufstelle werden.
Sie ist als Netzwerk-Plattform für alle Aktivitäten im Zusammenhang mit der integrierten Innenentwicklung, der Wiederbelebung von Leerständen, der Sicherung der Daseinsvorsorge und der Förderung von regionaler Baukultur konzipiert. Sie ist das Leuchtturmprojekt für die gesamte Region.
Neben den Eigenmitteln des Markts Perlesreut trugen zur Realisierung auch Mittel der Städtebauförderung aus dem Bund-Länder-Programm „Kleinere Städte und Gemeinden“, des Landesamts für Denkmalpflege, der Bayerischen Landesstiftung sowie des EU-Förderprogramms LEADER bei.
Hervorzuheben ist auch die Ko-operation mit einem Privatinvestor, der im südlichen Gebäudetrakt sechs barrierefreie Wohnungen mit einem traumhaften Ausblick auf das Ilz- und Ohetal – und bei günstiger Wetterlage sogar bis zu den Alpen – geschaffen hat.

Der thematische Schwerpunkt der Bauhütte, insbesondere im Beratungs- und Ausstellungsbereich wird im Bereich Baukultur und Innenentwicklung liegen. Eine Zielsetzung ist daher das Bewahren und Fördern der regionalen Baukultur. Sie wird im Ilzer Land auch als Standortfaktor und wichtiger Aspekt zur Identifikation mit der Region gesehen. Dabei ist die Bauhütte selbst das beste Anschauungsobjekt.
In Anlehnung an den Gedanken der Dombauhütten sollte auch im Ilzer Land ein Angebot entwickelt werden, das sich in technischer und praktischer Arbeit dem Thema der Baukultur nähert. Im Inneren der Bauhütte erinnern zahlreiche Details daran. „Bei unserer Arbeit sind wir auf viele Spuren gestoßen, die man häufig nicht sonderlich beachtet, aber zeigen, wie unsere Vorfahren mit ihren einfachen handwerklichen Fertigkeiten Dinge schufen, die gestimmt haben. Seien es Fenster, bei denen Größe und Proportion mit einer Selbstverständlichkeit und stimmigen Ordnung in der Fassade liegen, oder die Verwendung von Materialien, die über viele Jahrzehnte in Nutzung standen und dabei nur noch schöner wurden“, beschreibt Architekt Andreas Schmöller (Passau) voller Respekt den Umgang mit den vorgefundenen Gegebenheiten.
Seinem fachlichen Einfühlungsvermögen der Geschichte des Gebäudes gegenüber ist es zu verdanken, dass diese in vielen kleinen Einzelheiten liebevoll weiterlebt; denn durch so genannte Sichtfen-ster erhalten die Besucher der Bauhütte tatsächlich Einblicke in ihre historische Vergangenheit.
Dokumentiert werden beispiels-weise Farbfassungen der Wände über drei Jahrhunderte (18./19. und 20. Jahrhundert), der Bodenaufbau (1. Obergeschoss) mit Blick auf ein freigelegtes Gewölbe, Lagerhölzer, Verlegeplatten und eine Schüttung aus Glasschaumschotter oder gespaltene Haselzweige sowie Schilfrohrmatten, die von ihrem Einsatz als Putzträger auf Decken und Balken zeugen. Weitere historische Elemente bilden die restaurierten Außen- und Innentüren, die Kastenfenster oder die teilweise restaurierten Dielen- und Ziegelböden im Hauptgebäude.
Altane und Gewölbe
Zwei besondere Merkmale der Bauhütte sind der Altanengang als Verbindung des Hauptgebäudes über den Zwischentrakt mit dem heutigen Wohngebäude (früher Stadel) und der sich darunter befindende Gewölbekeller, der ehemalige Viehstall.
Meist ist solch eine Altane auf Pfeiler gesetzt, hier jedoch auf auskragende Balken. Charakteristisch für eine solche Konstruktion ist der Austritt an einem oberen Stockwerk. Diese Altane funktioniert als sogenannter Laubengang, der außenliegend oberhalb des Erdgeschosses Räume erschließt – im Gegensatz zu einem innenliegenden Flur. Die historische Altane hatte an der Ostseite vor den Wohnräumen im Obergeschoss verglaste Fensteröffnungen und an der Südseite einen Abort, der auf den Misthaufen im Hof führte. Die Verkehrssicherheit der Konstruktion war nicht mehr gegeben und

musste darüber hinaus noch an Brandschutz- und Fluchtwegsanforderungen angepasst werden.
Der Altanenbau wurde zum großen Teil entkernt und ein behindertengerechter Erschließungskern für den privaten Wohnungsbau im Süden sowie den öffentlichen Bereich im Norden betoniert. An der Giebelwand des Altanen- oder Mittelgebäudes war das Stadeldach „angedockt“, das im Frühjahr 2012 vor Beginn der Sanierung eingestürzt war. Der große, unter dem früheren Stadel liegende Gewölberaum hat, wie bereits erwähnt, vormals als Viehstall gedient. Dieser war zu Beginn der Sanierung in schlechtem Zustand und musste innen wie außen abgestützt werden. Im Frühjahr 2012 – nach dem endgültigen Abriss des darüber liegenden Stadels – wurde ein Notdach zum Schutz der Gewölbe errichtet. Darauf wurde – nach weiteren aufwendigen Maßnahmen – der zweigeschossige Wohnungsbau gesetzt.
Das heutige Nutzungskonzept der Bauhütte ist vielfältig. Es beinhaltet im Erdgeschoss ein Beraterbüro, eine Bibliothek – auch Marktplatz „M11“ genannt – als Treffpunkt für Jung und Alt sowie ein Archiv zum Thema Baukultur. Im Obergeschoss befinden sich Tagungs- und Seminarräume mit modernster Technik. Dort entfaltet sich sehr gut die Wirkung von „Alt“ und „Neu“. Den Charme, den die alten wiederverwendeten Dielen dort ausstrahlen, können die neuen Dielen erst nach vielen Jahren entwickeln. Zu guter Letzt: Für Ausstellungen, Empfänge, Trauungen und Feierlichkeiten ist das Gewölbe bestens geeignet. (
Gabriele Bergmann)
(Das Gewölbe; Blick in die Bücherei und die Altane - Fotos: Johanna Borde)
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