Bauen

Das ESO Supernova Planetarium & Besucherzentrum. (Foto: Brillux, Sven Rahm Fotografie)

08.08.2024

Wie ein Kunstwerk aus dem All

Anspruchsvolles Bauwerk in Planung und Umsetzung: ESO Supernova

Der futuristische Gebäudekomplex „ESO Supernova Planetarium & Besucherzentrum“ hat ein einzigartiges Innenleben. Das Gebäude in Form eines Doppelsternsystems beinhaltet eine moderne Bildungseinrichtung im Hochschul- und Forschungszentrum in Garching bei München und vermittelt die faszinierenden Welten von Astronomie und Astrophysik. Schon die eindrucksvolle Form des Bauwerks ist ein spektakulärer Anblick.
Es handelt sich bei der äußeren Gestaltung um das Sinnbild einer bevorstehenden Sternenexplosion, einer Supernova zweier Sterne. Der Entwurf des signifikanten Gebäudes mit 30 000 Kubikmetern Bruttorauminhalt stammt von Bernhardt + Partner Architekten aus Darmstadt. Das Schalungskonzept sowie die Schalungselemente für die gestalterischen Finessen der Gebäudehülle lieferte die Münchner Niederlassung der Deutschen Doka Schalungstechnik GmbH. Die Ausführung wurde realisiert von Grossmann Bau GmbH & Co. KG.

Im Erdgeschoss der ESO Supernova befinden sich das Foyer mit einem einladenden 200 Quadratmeter großen Empfangsraum sowie mehrere Zugänge zum Planetarium und zum sogenannten Luftkern – dem 14 Meter hohen Luftraum, unter einer 250 Quadratmeter großen Glas-Gitterkuppel mit 264 verschieden großen Glasscheiben. Eine informative Ausstellung führt dort über mehrere Ebenen spiralförmig durch ein aufsteigendes Rampensystem mit insgesamt 255 Metern Länge um beide Gebäudekerne herum bis in das zweite Obergeschoss.

Hier erwartet den Besucher eine fast 15 Meter hohe zylinderförmige Halle, der sogenannte Welt-Raum. Dieser wird von einem 30 Tonnen schweren Glasdach abgeschlossen, an dem durch ausgeklügelte LED-Technik der südliche Sternenhimmel aufleuchtet. Direkt gegenüber – in dem größeren Gebäude-„Stern“ – befindet sich das digitale Planetarium.

Das Gebäude ist eine Schenkung der Klaus Tschira Stiftung gGmbH (KTS) an die Europäische Südsternwarte (ESO). Die Stiftung gehört zu den großen gemeinnützigen Stiftungen Europas und wurde 1995 ins Leben gerufen – von dem Physiker Klaus Tschira, einem Gründer des Softwarekonzerns SAP. Das faszinierende Bauwerk soll der astronomischen Bildungs- und Öffentlichkeitsarbeit dienen – wissenschaftliche Erkenntnisse und die neuesten Technologien der ESO werden hier vermittelt.

Das spektakuläre Gebäude ist die architektonische Abbildung eines astronomischen Phänomens. Entsprechend anspruchsvoll und komplex gestalteten sich die Planung und Realisierung des Bauwerks: Die imposante rund geformte Silhouette stellte enorme Anforderungen an die Planung und schließlich die Bauausführung.

Aufgrund der hohen geometrischen Komplexität wurde der komplette Rohbau – von der ersten digitalen Skizze bis hin zur Schalungsplanung – mittels eines parametrischen 3D-Modells dargestellt und bearbeitet. Bei der parametrischen Modellierung wird eine 3D-Geometrie Schritt für Schritt entwickelt und wird, wie hier, zu einem ganzheitlichen Gebäudemodell.

Im Entwurfs- und Realisierungsprozess spielt die Parametrik eine überaus große Rolle: Runde Formen, konkave Wände und schräge Ebenen verlangten auch bei der Gebäudeplanung der ESO Supernova nach einer ungewöhnlichen Herangehensweise. So wurde das Projekt schon im Vorentwurf mit allen raumbildenden Elementen parametrisch aufgesetzt. Es folgte die Entwicklung und Integration des Rohbaus, der Gebäudetechnik, des Ausbaus und der Gebäudehülle in dasselbe 3D-Modell.

An 3D-Modellen entwickelt

Alle Bauteile sind in einem Netzwerk miteinander verknüpft, sodass innerhalb des Bauvorhabens Änderungen an einem Objekt beziehungsweise Bauteil zur Aktualisierung anderer Objekte führen.
Um ein Gesamtmodell nicht immer wieder neu erstellen zu müssen, wurde der Gebäudekomplex an 3D-Modellen entwickelt. Damit konnten während der Entwicklungsphase viele kreativ unterschiedliche Varianten auf ihre Tauglichkeit getestet, Veränderungen implementiert und Anpassungen vorgenommen werden.

Allein für die aufwendigen Schalpläne wurde ein eigener digitaler Workflow entwickelt, der die gesamten Außen- und Innenschalen in 3D-Plänen für die spätere Ausführung auf der realen Baustelle abbildete. So ließ sich jedes der 200 Schalungselemente in einer isometrischen Darstellung inklusive Beschriftung, Abwicklung der inneren und äußeren Mantelfläche, mit den Schnitten und den komplizierten Anschlüssen automatisch generieren. Für einen optimalen Prozessablauf wurden alle horizontal anschließenden Bauteile von Anfang an in die Bewehrungsplanung integriert und die für die Abwicklung relevanten Informationen direkt auf den Schalenflächen dargestellt.

Die Zusammenarbeit der Architekten mit den beteiligten Ingenieuren von Bollinger+Grohmann aus Frankfurt, Wien und München erwies sich als überaus erfolgreiche Partnerschaft. Der Hauptfokus lag bei diesem Projekt für die Experten bei den Themenfeldern BIM-Prozesse und BIM-Parametrik. Dies gelang im Wesentlichen durch die mit allen weiteren beauftragten Experten geteilte Programmierungsumgebung und die Verlinkung zwischen Gebäudegeometrie und Gebäudeinformation. Auf diese Weise arbeiteten Architekten, Ingenieure, Bauunternehmung und Fassadenbauer fortwährend Hand in Hand.

Die interdisziplinäre Kommunikation und der Austausch zwischen den einzelnen Gewerken erfolgten ausschließlich über die 3D-Objekte im CAD-Plan mit entsprechenden Parametern, Attributen und Kommentaren.
Aus dem 3D-Modell ausgelesene, räumliche Koordinaten bestimmen schließlich die Lage der Bauteile. Das garantiert den konsequenten Übergang der Informationen vom Gebäudemodell zur Baustelle. Schon für den Rohbau waren auf den Schalplänen alle wichtigen Eckpunkte und Schalungsstöße mit genauen Koordinaten als x/y/z-Angabe versehen. Der jeweils lagebestimmende Punkt fand sich in Form einer roten Markierung auf jeder Stellschalung wieder. Mithilfe eines Tachymeters konnte so die exakte Lage im Raum gefunden und die Schalung perfekt nach den Vorgaben des Schalplans ausgerichtet werden. Zur Kontrolle der Positionierung der Elemente wurde die Lage jeder Stellschalung vor dem Schließen noch zweimal von unabhängigen Vermessern verifiziert.

Auch für die vorgehängte Fassade und den Trockenbau wurden die Achsen der gesamten Unterkonstruktion beziehungsweise die Referenzpunkte der Lamellen in ihrer Lage vom Vermesser bestimmt und auf die Rohbauwände aufgetragen.

Große Bedeutung haben dabei der Datenaustausch zwischen Planer und den Experten auf der Baustelle: Einerseits können diese jederzeit mit spezifischen Koordinatenangaben zur Lagebestimmung einer Achse versorgt werden, andererseits werden die Ergebnisse der digitalen 3D-Aufmaße anhand des Gebäudemodells überprüft und analysiert. Dabei gewonnene Erkenntnisse fließen in den weiteren Planungsverlauf ein. Um die geometrisch komplexen Formen der Bauteile mit höchster Präzision fertigen zu können, erfolgte die Planung und Herstellung der Schalungselemente und der Fassade direkt aus dem Datensatz des 3D-Modells.

In diesem gemeinsamen 3D-Modell planten die Tragwerksplaner ebenso die Schalungsstöße, Rohbau- und Stahlbauteile ein, sodass der reale Rohbaukörper mit allen Versätzen, Unterzügen und Durchbrüchen jederzeit die Arbeitsgrundlage aller beteiligten Experten war.

Thermisch hoch isoliert

Die Tragwerksplaner produzierten ihre Schalpläne direkt mithilfe des Modells, wie auch der Schalungshersteller seine Schalungselemente. Gesonderte Abwicklungen hätten zu einem erheblichen Informationsverlust geführt.
Auch die Aluminium-Blech-Außenfassade, die Pfosten-Riegel-Fassade in der Gebäudemitte und das Sternendach wurden anhand der 3D-Daten des Architekturmodells schon während der Rohbauphase gefertigt. Eventuell auftretende Rohbautoleranzen konnte die Unterkonstruktion der Fassade daher nur bis maximal 25 Millimeter aufnehmen. Ein komplettes 3D-Aufmaß des fertiggestellten Rohbaus wies jedoch an keiner Stelle eine solche Abweichung auf. Zur Übertragung der Information in das Berechnungsprogramm der Statik wurde eine Systematik entwickelt, um diese Information aus dem 3D-Rohbaumodell in zweidimensionale Schalplan-Zeichnungen automatisiert zu übersetzen.

Das Gebäude erhielt eine zuverlässige Isolierung. Die gesamte Gebäudehülle ist thermisch hoch isoliert. Das gesamte Gebäude sitzt auf einer druckfesten Perimeterdämmung, während alle Fassaden mit Mineralwolle isoliert sind. Das Bauwerk ist somit verlässlich vor Temperaturverlusten geschützt.

Angesichts der Ausrichtung an nachhaltigen ökonomischen, gesellschaftlichen, technischen und ökologischen Prinzipien wurde das Bauwerk von der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB) zertifiziert und erhielt das Zertifikat in Gold für Nachhaltigkeit.

Durch ein innovatives Energiekonzept hat man die Bauaufgabe sinnvoll ergänzt, indem man auf die Nutzung von Fernwärme und Geothermie setzte. Das Ziel: Dauerhaftigkeit, Alterung und Instandhaltungsfähigkeit in Einklang zu bringen.

Heute zeigt sich das Bauwerk mit der geschwungenen Fassadenform je nach Sonnenlichteinstrahlung und Tageszeit wie ein Kunstwerk aus dem All. Es ist aus allen Blickwinkeln gesehen ein technologisches Highlight und eine überaus faszinierende Pforte zum Universum. (Eva Mittner)

 

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