Beruf & Karriere

Neuster Clou: Bewerbungsgespräche in einer Blackbox, also in absoluter Dunkelheit. (Foto: dpa)

06.04.2018

Bewerber, keine Bittsteller

Viele Stellenausschreibungen zählen nur die Anforderungen auf, anstatt auf die Wünsche und Werte der potenziellen Kandidaten einzugehen

Der Facebook-Datenskandal zeigt, wie weit Unternehmen gehen, um Informationen über ihre Zielgruppen zu bekommen. Im Personalmarketing bestimmen hingegen noch Ansätze und Methoden aus der „Werbung 1.0“ das Bild – trotz des zunehmenden Bedarfs und der schrumpfenden Zahl qualifizierter Bewerber. Die aktuelle Diskussion um den Datenschutz zeigt nebenbei, wie weitreichend die Marketingbranche sich aus unterschiedlichsten Datenquellen bedient, um ein detailliertes Bild über relevante Zielgruppen zu erhalten und diese möglichst direkt anzusprechen. Die Deutsche Post liefert über ihre Datafactory beispielsweise „adressgenaue Daten zu rund 20 Millionen zustellrelevanten Gebäuden in Deutschland – für Analysen, Adressabgleiche oder Datenbankaufbau“, so eine Beschreibung aus deren jedermann zugänglichem Web-Angebot. Nicht nur werbetreibende Unternehmen greifen gerne darauf zurück, auch politische Parteien nutzen offenbar solche Quellen, um Wahlbotschaften möglichst „zielgruppenspezifisch“ an den Mann oder die Frau zu bringen.

Verkaufsgespräch statt Bewerbungsgesprächen

Soziale Medien wie Facebook bieten nicht nur eine noch wesentlich reichhaltigere Datenbasis, es steht gleich der passende Kanal zur Verfügung, um Aussagen glaubwürdig und quasi „face-to-face“ zu platzieren. Microtargeting nennen die Marketing-Experten solche Methoden, denen eine hohe Wirksamkeit unterstellt wird – bis hin zur möglichen Beeinflussung von bedeutenden Wahlen. Professionelle Vermarktung arbeitet in ganz unterschiedlichen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Kontexten mit Big Data und setzt spezifisch gestaltete Botschaften ein, die auf persönlicher Ebene möglichst emotional wirken sollen. Dies ist gängige Praxis und wird es bleiben, mehr oder weniger ungeachtet einer zunehmend kritischen öffentlichen Betrachtung.

Im Personalmarketing bestimmen dagegen noch Ansätze und Methoden aus der „Werbung 1.0“ das breite Bild. Von rühmlichen Ausnahmen abgesehen, beschäftigen die Verantwortlichen sich eher mit sich selbst und ihren Problemen, statt auf die Potentiale möglicher Zielgruppen zu schauen. Wo es über standardisierte, unpersönliche Stellenanzeigen hinaus zu einer Landingpage oder einem Facebook-Auftritt reicht, fristen diese häufig ein planloses und etwas unbeholfen wirkendes Dasein. Gerne verweist man auf mangelnde Budgets und Zeitdruck, um das eingefahrene Vorgehen zu legitimieren. Dabei müssen es weder Millionen von Euro wie bei der Bundeswehr noch eigene interne Spezialisten sein, die sich ausschließlich um die Kampagnenkreation und -steuerung kümmern. Der wichtigste Erfolgsfaktor kostet erst mal keinen Cent und nicht übermäßig viel Zeit: Es geht darum, sich umfassender mit den Menschen zu beschäftigen, für die der anzubietende Arbeitsplatz besonders attraktiv sein könnte.

Personalarbeit wird in den meisten Unternehmen wie auch im öffentlichen Sektor vor allem gleichgesetzt mit Personalverwaltung. Dazu gehören natürlich die vertraglichen und organisatorischen Basics von der Einstellung bis zum Ende der Beschäftigung, mit allen erforderlichen Vorgängen und Aufgaben. Die Gewinnung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sehen allerdings viele ebenso als verwaltende Tätigkeit: Aus einem entstehenden Bedarf heraus wird ein primär auf die eigene Sicht bezogenes Profil erstellt und in Form einer Ausschreibung intern und extern veröffentlicht. Wer sich daraufhin bewirbt, hat ein Auswahlverfahren mit mehr oder weniger großen Hürden zu durchlaufen, an dessen Ende die Besetzung der betreffenden Stelle steht. Kommt man dabei nicht zum Zuge, wird man ausgesondert und bleibt in der Regel ohne weitere Beachtung auf der Strecke.

Man stelle sich vor, dass Leute aus Marketing und Vertrieb, die für die Vermarktung von Produkten und Dienstleistungen verantwortlich sind, ähnlich vorgehen würden. Statt Kunden zu umwerben und bei der Kaufentscheidung mit allen möglichen Mitteln zu unterstützen, statt Kundendaten zu sammeln und diese für ausgeklügelte Zielgruppen-Selektionen zu nutzen, würden schlicht Factsheets von Produkten veröffentlicht und die Kundenreaktionen restriktiv verwaltet. Zwar fühlt man sich an mancher sogenannten Service-Hotline so behandelt, ein besonders zielführender Ansatz in einem hart umkämpften Wettbewerb oder gar beabsichtigt ist dies sicherlich nicht.

Personaler werden künftig vertrieblicher denken und handeln müssen, um ihre Bedarfe decken zu können. Vielleicht entwickeln Bewerbungsgespräche sich zu einer Art Verkaufsgespräch, das den Bewerbern die Rolle der Kunden verleiht, die es zu überzeugen gilt – und nicht umgekehrt. In jedem Fall wird es um den Respekt gehen, mit dem potentielle und tatsächliche Interessenten behandelt werden. Dazu gehört eine professionelle, serviceorientierte Kommunikation ebenso wie ein Denken über den Tellerrand, sprich die akute Stellenbesetzung, hinaus.

Der Aufbau eines Talent-Pools mit internen und externen Kandidaten hat sich als Maßnahme bereits gut bewährt. Die Wahl des Arbeitsplatzes ist eine Entscheidung, die für das eigene Leben besonders relevant ist und gerade deshalb immer wieder in Frage steht. Dabei sollten die Personaler die Umworbenen möglichst wenig allein lassen – vor, während und nach einem konkreten Auswahlverfahren. Schließlich zieht jede Handlung ihre Kreise und wirkt sich an vielen Stellen aus, manchmal ganz unerwartet. (Frank Beck)

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