Beruf & Karriere

Vor allem in großen Unternehmen gibt es viele Konflikte. In diesem Fall ist der Streit nur gespielt – auf der Bühne des Bayerischen Hofs. (Foto: dpa/Hörhager)

17.01.2020

Hilfe bei Streit im Büro

Der Lärmpegel, die Raumtemperatur oder das dreckige Geschirr: Oftmals liegen sich Kollegen wegen Kleinigkeiten in den Haaren – wie eine konstruktive Konfliktlösung gelingt

Wo gearbeitet wird, gibt es immer auch Konflikte. Doch kann man lernen, Konflikte souverän auszutragen, ohne sich dabei aufzuregen? "Soziale Konflikte sind der größte Stressfaktor für Menschen überhaupt", sagt Coach Günter Hudasch, der bei Konflikten im Büro berät. Außerdem ist er Vorstand vom MBSR-MBCT-Verband, dem Zusammenschluss der Achtsamkeitslehrer in Deutschland.

Vermeiden lassen sich die Differenzen am Arbeitsplatz aber kaum. Es geht dabei nicht nur um Sachfragen. Ganz unterschiedliche Typen, Arbeitsweisen, Charaktere und Werte treffen aufeinander - und das oft unter Stress und Zeitdruck. Kollidieren Interessen und Werte, ist der Konflikt da.

Auch in Teams mit sehr jungen und deutlich älteren Mitgliedern ist Streit am Arbeitsplatz oft programmiert. Wilde Altersmischungen gibt es in Unternehmen immer häufiger. Denn die Gesellschaft wird im Schnitt älter, und immer mehr Arbeitnehmer arbeiten immer länger - teils sogar über das Renteneintrittsalter hinaus. Zudem steigen Uni-Absolventen aufgrund der Bologna-Reformen tendenziell früher in den Job ein als noch vor ein paar Jahren. „Da trifft dann der Bachelor-Absolvent mit Mitte 20 schonmal auf den 65-Jährigen“, sagt Ingo Aberle von der Hochschule Fresenius.

Da sind einerseits die emotionalen Konflikte, die entstehen, wenn die Team-Mitglieder gar keine Lust auf die Zusammenarbeit haben - oft wegen Vorurteilen gegenüber der anderen Altersgruppe. „Solche Teams beschäftigen sich dann sehr viel mit dem Konflikt beziehungsweise mit sich selbst - und arbeiten deswegen nicht sehr effektiv“, so Aberle.

Auf der anderen Seite gibt es die kognitiven Konflikte: Dabei haben zwar alle Lust auf gemeinsames Arbeiten, streiten aber über die beste Vorgehensweise. Bei Routineaufgaben ist das eher überflüssig, sagt Aberle. „Aber bei komplexeren Aufgaben, für die man erst eine Strategie entwickeln muss, können Diskussionen sogar gut sein, weil man dadurch Probleme eher entdeckt und neue Ideen entwickelt.“

Regen sich Menschen am Arbeitsplatz selten auf, kennen sie sich häufig sehr gut selbst, sagt Susanne Klein, Coach zum Thema. Jeder Mensch hat bestimmte Werte, bei deren Verletzung er an die Decke geht. Zu erkennen, was einen stört, ist der erste Schritt, um den Konflikt souverän zu lösen, erklärt Klein.

Erkennen, was einen stört

Ein Beispiel: Kollege X braucht von Kollege Y jede Woche bis Mittwoch bestimmte Unterlagen, damit er seine Arbeit machen kann. Kollege Y schickt die Unterlagen in vielen Fällen jedoch zu spät - statt am Mittwochabend am Donnerstagmittag. Kollege X regt sich darüber maßlos auf und vor allem ärgert ihn die Respektlosigkeit von Y. "Der muss doch kapieren, dass er die Unterlagen pünktlich abgeben muss", denkt er jede Woche aufs Neue. Viele verharren in dieser Situation.

Sie reagieren reaktiv, erklärt Hudasch. Die Unterlagen fehlen am Mittwochabend, und schon ist der Groll da. "Das ist ein völlig unbewusstes, direktes Reagieren auf Verletzungen von anderen", sagt Hudasch. Wer gut im Konfliktelösen ist, steigt hier aus, analysiert die Situation, und gibt Kollege Y dann eine neue Deadline.

Sind Menschen besonders souverän im Umgang mit Konflikten am Arbeitsplatz, haben sie außerdem häufig ein gutes Selbstbewusstsein. Sie ziehen sich bestimmte Schuhe erst gar nicht an, sagt Mareike große Darrelmann, Business Coach aus Düsseldorf. Wer sehr souverän Konflikte löst, ist außerdem häufig sehr gut darin, sich selbst und sein Verhalten zu reflektieren. Er stellt sich überhaupt erst einmal die Frage: Warum gerate ich am Arbeitsplatz immer wieder in die Situation, dass ich mich aufrege?

Regen Menschen sich im Büro selten auf, gelingt es ihnen außerdem, die Kollegen für ihre Art und Weise zu achten, sagt Coach große Darrelmann. Sie wissen, wo die roten Linien ihrer Kollegen sind und übertreten diese nicht.

Wer im Team immer wieder mit anderen aneinandergerät, sollte einmal abends für sich versuchen herauszufinden, was die roten Linien der anderen sind. Und er sollte sich fragen, ob er selbst weiß, wo seine roten Linien sind. Denn geht es wieder los, und man regt sich auf, kann man dem anderen auch leichter kommunizieren, was einen überhaupt stört.#

Ich-Botschaften helfen

Tatsächlich haben viele Menschen Angst vor Konflikten, beobachtet auch Psychologin Madeleine Leitner, die als Karriereberaterin arbeitet. Sie haben oft gar nicht gelernt, konstruktiv zu streiten. "Konflikte zu vermeiden, ist aber falsch", sagt die Expertin. Dadurch staut sich der Ärger an. Bis es irgendwann zur unsachlichen und ungebremsten Eskalation kommt, die viel zerstört. Konflikte nehmen oft eine Eigendynamik an, werden auf Dauer immer mehr zur Belastung und erzeugen enormen Stress. Das hat auch negative Folgen für die Gesundheit.

Aus diesem Grund empfiehlt Leitner, Konflikte möglichst früh anzusprechen und auszuräumen. Wenn der sonst gut gelaunte Kollege etwa unwirsch reagiert oder einen auflaufen lässt. Oder wenn man merkt, dass der Chef einem wichtige Infos vorenthält.

Neben offen aggressivem Verhalten gibt es auch viele passiv-aggressive Varianten. Diese seien ein deutliches Zeichen zum Handeln. "Wenn man merkt, dass irgendetwas seltsam ist, sollte man das unbedingt ansprechen, auch ruhig auf Verdacht", sagt sie.

Leitner plädiert für eine konstruktive Konfliktlösung. Dabei ist es etwa wichtig, Vorwürfe in Wünsche zu übersetzen. Auch Ich-Botschaften helfen. Etwa: "Ich habe das Gefühl, dass wir mehr miteinander reden sollten" anstatt "Du verschweigst mir immer wichtige Infos".

Auf diese Art bieten sich große Chancen, im Konsens Lösungen zu entwickeln. Und manchmal gelingt es auch, etwas Grundlegendes zu verbessern. "Wenn man feststellt, dass etwas schiefläuft, kann das eine Möglichkeit sein, unerkannte Missstände zu entdecken." Ein gut ausgetragener Konflikt kann demnach auch sehr produktiv sein. (dpa)

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