Beruf & Karriere

Die Zentrale der GLS Bank in Bochum. Eine der Filialen befindet sich in München. (Foto: dpa/Oliver Berg)

14.02.2020

"Nicht nur auf Profit, auch auf den Menschen achten"

Johannes Prahl und Henning Bernhof von der GLS Bank über Werte, Weiterbildung und Konflikte

Laut Ökotest zählt die GLS Bank mit ihren 600 Mitarbeitern zu den am nachhaltigsten ausgerichteten Banken. Im Interview erklären Johannes Prahl von der Mitarbeiterentwicklung und Mitarbeitervertreter Henning Bernhof, was das für den Alltag der Beschäftigten bedeutet.

BSZ: Herr Prahl, Herr Bernhof, die GLS Bank will menschlich, zukunftsweisend und ökonomisch sein. Wie sorgen Sie dafür, dass die Mitarbeitenden diese Werte aktiv mittragen?
Johannes Prahl: Zu uns passen Menschen, die intrinsisch motiviert sind, sich zu entwickeln. Im Recruiting suchen wir Menschen, die unsere Werte verstehen und teilen. Bei der Auswahl des Berufs gewinnen Werte an Gewicht, das beobachten wir überall in der Wirtschaft. So wie viele Unternehmen ihr Geschäftsmodell hinterfragen, wollen auch deren Mitarbeitenden einen Purpose bei ihrer Tätigkeit. Das Bild geht also weg von den „Humanressourcen“ und hin zu Menschen, die motiviert sind, wenn sie etwas Sinnvolles tun.
Henning Bernhof: Die Menschen, die bei uns arbeiten, haben einen persönlichen Wertekanon, den sie mit den Kernwerten der GLS Bank teilen. Sie müssen sich eben nicht verstellen. Das finden wir bei den Bewerberinnen und Bewerbern, die zu uns kommen. Der Privatmensch muss also nicht abgeschaltet werden, sobald er das Büro betritt.

BSZ: Welche Rolle spielt die Weiterbildung?
Prahl: Wenn neue Mitarbeitende bei uns anfangen, vermitteln wir ihnen das Wesentliche des Unternehmens in einer einwöchigen Lernwerkstatt. Dann sprechen wir über die Werte, die Wurzeln und die Ziele. Weiterbildungserfolg erfordert zweierlei: Erstens eine persönliche Weiterentwicklung. Das kann man nur selber. Dafür muss ein Unternehmen für sie die richtigen Rahmenbedingungen schaffen. Das heißt, dass die Mitarbeitenden aus unseren internen und externen Angeboten selbstständig auswählen, in Absprache mit ihrer Führungskraft. Zweitens muss Weiterbildung perspektivisch sein. Wenn ich nur Fortbildungen anbiete, weil ich gerade ein akutes Defizit feststelle, dann bin ich überhaupt nicht zukunftsfähig. Ich muss überlegen: Welche Aufgaben sind langfristig zu erfüllen? Welche Menschen brauche ich? Was brauchen die für Fähigkeiten?

BSZ: Was sind Inhalte der Weiterbildung?
Prahl: Wir sind im positiven Sinne eine normale Geschäftsbank, die alle üblichen Services anbietet zu marktüblichen Konditionen. Klassische Banking-Kompetenzen sind absolut wichtig. Bei uns bestimmt aber die Nachhaltigkeit das Geschäftsprinzip. Damit bekommt unsere Arbeit ein Grundverständnis von Politik, Gesellschaft und Leben hinzugefügt. Ich zitiere aus unserem Leitbild: „Wir nehmen den Menschen in seiner Gesamtheit aus Körper, Seele und Geist ernst.“ Mit dieser werteorientierten, politischen Ausrichtung gehen wir über das klassische Banking hinaus.
Bernhof: Viele Themen sind gar nicht so trennscharf, also nach konventionellem und sozial-ökologischem Banking differenzierbar. Zum Beispiel verfügen wir bei Baugruppen, freien Schulen oder Pflegeeinrichtungen fast alleinstellend über spezialisierte Fachleute. Da haben wir über Jahrzehnte Expertise durch Praxis aufgebaut. Das hat dann viel mit persönlichen Kontakten, Kongressen und Fachnetzwerken zu tun.

BSZ: Wie wird werteorientierte Weiterbildung organisiert?

Prahl: Ich finde es für ein Unternehmen wichtig, wenn Vorstand, Führungskräfte, Mitarbeitende begreifen, dass Weiterbildung jeden Tag stattfindet. Die einen nehmen, die anderen geben; ich blicke in die Zukunft wenn ich es gestalte, wer bin ich, was kann ich, was ist mein Beitrag für das Unternehmen und welche Unterstützung brauche ich dafür, welche Menschen geben mir ehrliches Feedback, welche einfachen, effektiven Formate stehen zur Verfügung. Wir nutzen auch die genossenschaftlichen Weiterbildungsmöglichkeiten. Die GLS Bank ist aus Überzeugung Teil der Genossenschaftsfamilie, wo viele Werte gut zu uns passen. Etwa die regionale Verbundenheit, die ja zu einer nachhaltigen Grundhaltung führt, nämlich meinen Kindern die Region, in der sie leben, gut zu hinterlassen. Werte werden besonders bewusst in externen Weiterbildungs-Kontexten, in denen die Werte der GLS Bank ausgeblendet sind. Natürlich bringen unsere Mitarbeitenden dann die sozial-ökologische Haltung ein. Die Teilnehmenden aus anderen Banken sehen das in der Regel positiv, auch die Dozierenden begrüßen in der Regel, wenn es durch kritische Rück-fragen mal etwas lebendiger wird.
Bernhof: Da werden definitiv gewisse Geschäftspraktiken, die bei uns tabu sind, als klare Fähigkeit vermittelt, zum Beispiel Cross-Selling, also der Verkauf von so vielen Produkten wie möglich. Dadurch wird eine Haltung vermittelt, die nicht zu uns passt. In der GLS Bank orientieren wir uns an den Bedürfnissen der Kundinnen und Kunden und bezahlen keine Boni.

"Eine Woche Arbeit auf dem Bio-Bauernhof erzeugt Verständnis und Motivation"

BSZ: Was heißt das für die Weiterbildungsformate?
Prahl: Weiterbildung beschränken wir nicht auf Seminare, Workshops und Co. Eine Organisation für Menschen – nicht Personal oder Humankapital – schafft täglich ein Klima für persönliche Weiterentwicklung. Interessant wird es beim Thema Führung. Da braucht es Kompetenzen, die auch in klassischen Seminaren vermittelt werden. Aber das muss erweitert werden. Wir haben zum Beispiel ein Programm mit unserer Global Alliance for Banking on Va-lues konzipiert. Die GABV Leadership Academy ist ein internationales achtmonatiges Fortbildungsprogramm. In den Mittelpunkt stellt sie Führungskompetenz unter dem Scheinwerfer des werteorientierten Bankgeschäfts. Sie ermöglicht persönliche und kulturelle Erfahrungen sowie den Zugang zum GABV-Netzwerk. Bestandteil ist die Durchführung eines für die GLS Bank relevanten Projekts.
Bernhof: Wir nutzen etwa das Format „Mitarbeitende vor Ort“, wo Menschen aus der GLS Bank für eine Woche zum Beispiel auf einem Bio-Bauernhof arbeiten. Das erzeugt Verständnis, Motivation und ist für viele eine geradezu erhellende Erfahrung. Wie arbeiten die Landwirtinnen und Landwirte, welches Menschenbild haben sie, wieso passt das zur GLS Bank? Das ist sehr wertvoll auch für jene, die mit Privatkunden zu tun haben oder auch keinen klassischen Kundenkontakt haben.

BSZ: Wie wird Weiterbildung denn konkret gesteuert?
Prahl: Es ist uns sehr wichtig, dass wir uns persönliche Situationen ansehen und so wenig wie möglich nach Schema F vorgehen. Warum möchte jemand einen bestimmten Schritt gehen? Warum möchte jemand etwas Bestimmtes lernen? Welches Format ist dafür geeignet? Wie kann eine Führungskraft da unterstützen? Dadurch verändert sich nämlich die Perspektive. Wir kommen weg von Defiziten, wo Menschen etwas fehlt, was sie sich aneignen müssen, und hin zur Frage: Wo willst Du hin, welchen Weg willst Du gehen? Was brauchen unsere Kunden und Kundinnen, unser Unternehmen? Wo können wir Dich in Zukunft besser einsetzen?
Bernhof: Die Menschen im Haus suchen nach Aufgaben, bewerben sich für Projekte und Stellen und wachsen daran. Das Unternehmen schätzt das und traut den Menschen das zu.

BSZ: Gibt es denn gar keine Wert-Konflikte?
Bernhof: Natürlich kommt es da im Alltag zu Konflikten, sei es durch verschiedene Interpretationen und wie etwas kommuniziert oder wahrgenommen wird. Gerade wer sich täglich damit beschäftigt, wie gesellschaftlicher Mehrwert entstehen kann, muss ständig im Austausch sein, nicht nur mit internen, sondern auch externen Stakeholdern. Wie wir gemeinsam heute und in Zukunft leben wollen, kann ja schlecht ein Mitarbeiter allein beantworten. (Interview: Julian Mertens)

Bilder: Johannes Prahl (links) ist Leiter der Mitarbeiterentwicklung, bei der GLS Bank, Henning Bernhof ist Sprecher des Vertrauenskreises, der die Mitarbeiter der GLS Bank vertritt. Fotos: GLS)
 

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