Beruf & Karriere

Digital oder auf Papier: Aktuell gibt es noch viel Spielräume für die korrekte Arbeitszeiterfassung. (Foto: dpa/Sina Schuldt)

09.12.2022

Noch besteht kein Grund zur Panik

Laut einem Urteil des Bundesarbeitsgerichts brauchen jetzt alle Unternehmen eine Arbeitszeiterfassung – was das in der Praxis konkret bedeutet

Arbeitgebende müssen künftig die Arbeitszeit ihrer Belegschaft erfassen. Das hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) kürzlich entschieden. Jetzt hat das höchste deutsche Arbeitsgericht die Gründe dafür veröffentlicht. „Arbeitgeber müssen jetzt handeln“, erklärt der Fachanwalt für Arbeitsrecht Gunnar Roloff.

Hintergrund der Entscheidung des BAG war ein Streit eines Unternehmens mit seinem Betriebsrat hinsichtlich dessen Mitbestimmungsrechts. Nachdem sich die Betriebsparteien auf keine Betriebsvereinbarung zur Arbeitszeiterfassung einigen konnten, leitete der Betriebsrat ein Beschlussverfahren ein. Er forderte ein Initiativrecht zur Einführung eines elektronischen Zeiterfassungssystems.

„Der Verlauf des Rechtsstreits belegt eindrucksvoll, wie unterschiedlich sich diese Frage juristisch beurteilen lässt“, kommentiert Roloff. Während das Arbeitsgericht den Antrag des Betriebsrats abgewiesen hatte, hat das Landesarbeitsgericht diesem auf die Beschwerde des Betriebsrats stattgegeben. Die Firma wehrte sich dagegen und hatte dann vor dem BAG Erfolg.

Zettel oder App? Die Vorgaben sind wenig konkret 

Zur Begründung seiner Entscheidung hat das BAG die nationalen Vorschriften unionsrechtskonform ausgelegt. Vor diesem Hintergrund hat das Gericht entschieden, dass aus Paragraf 3 Abssatz 2 Nummer 1 Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) die Pflicht des Arbeitgebenden folgt, ein Arbeitszeiterfassungssystem einzuführen. Demnach müssen Unternehmen und Behörden zur Planung und Durchführung von Arbeitsschutzmaßnahmen für eine geeignete Organisation sorgen sowie die erforderlichen Mittel bereitstellen. Dazu gehört auch die Einrichtung eines objektiven, verlässlichen unzugänglichen Systems für die Erfassung sämtlicher Arbeitszeiten.

Dies hat auch Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) erkannt. Er hat angekündigt, die Entscheidung und die hieraus resultierenden Konsequenzen zu prüfen. Entsprechend will er die Gesetzgebung nutzen, um praxisnahe Lösungen zu finden, die Flexibilität ermöglichen. Die Regierungsparteien aus SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP hatten sich schon im Koalitionsvertrag darauf verständigt, dass sie flexible Arbeitszeitmodelle wie zum Beispiel Vertrauensarbeitszeit zulassen.

„Wir sind natürlich gespannt auf das Gesetzgebungsverfahren“, sagt Anwalt Roloff. Bis zu einem Ergebnis gilt die Verpflichtung zur Arbeitszeiterfassung. „Wie Arbeitgeber diese Verpflichtung konkret umsetzen, dafür gibt es keine konkreten Vorschriften“, sagt der Arbeitsrechtler. Nach der Entscheidung des BAG besteht eine Verpflichtung zur Zeiterfassung sämtlicher Angestellten. Ecovis-Anwalt Roloff betont aber, dass dies zukünftig nicht zwingend der Fall sein muss: „Das Bundesarbeitsgericht hat ausdrücklich darauf hingewiesen, dass der Gesetzgeber bislang nicht von der Möglichkeit Gebrauch gemacht hat, Sonderregelungen für Arbeitnehmer zu schaffen.“

Hinsichtlich der Ausgestaltung des Zeiterfassungssystems sind die Arbeitgebenden noch relativ frei. „Auch in diesem Zusammenhang verweist das Bundesarbeitsgericht darauf, dass der Gesetzgeber noch keine konkreten Regelungen getroffen hat“, erläutert Roloff. Unternehmen und Behörden haben insoweit einen Spielraum, in dessen Rahmen sie unter anderem die Form des Zeiterfassungssystems festlegen können. Dabei sind vor allem die Besonderheiten der jeweils betroffenen Tätigkeitsbereiche der Beschäftigten und die Eigenheiten des Unternehmens, insbesondere seine Größe, zu berücksichtigen. „Jedenfalls muss die Arbeitszeiterfassung nicht ausnahmslos und zwingend elektronisch erfolgen.“

Auch Aufzeichnungen in Papierform können genügen. Ob das dann allerdings für schlanke Prozesse in der Lohnbuchhaltung sorgt, bezweifelt er. „Viele Unternehmen nutzen jetzt die Chance, die Zettelwirtschaft zu beenden und eine elektronische Lösung oder sogar eine App einzuführen, mit der die Mitarbeiter ihre Aufzeichnungen dann direkt ins Lohnbüro übertragen.“

Schließlich beruhigt Roloff Behörden und Unternehmen, dass das Bundesarbeitsgericht auch ausdrücklich die Möglichkeit erwähnt, die Aufzeichnung der betreffenden Zeiten als solche an die Beschäftigten zu delegieren. Was das für diese konkret bedeutet, ist aktuell aber noch nicht abzusehen. (Gudrun Bergdolt)

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