Beruf & Karriere

Freund oder Feind? Ein Roboter bei einer Messe zur künstlichen Intelligenz im November in Hamburg. (Foto: dpa/Axel Heimken)

13.12.2019

"Nur Menschen können Innovationen kreieren"

Wird künstliche Intelligenz (KI) bald dem Menschen überlegen sein und ihm die Arbeit wegnehmen? Und was bedeutet das aus technologischer, ethischer und ökonomischer Sicht? Vier Wissenschaftler beantworten vier häufig gestellte Fragen.

Wie sieht die Zukunft des Arbeitsmarkts aus, wenn KI zunehmend menschliche Aufgaben übernimmt?

Andreas Boes, Professor am Institut für sozialwissenschaftliche Forschung in München:

„Im Nachdenken über KI dominiert in Deutschland die Auseinandersetzung mit den Rationalisierungs- und Automatisierungspotenzialen und das Diktum, dass maschinelle Intelligenz die menschliche ersetzt. Damit wird einer produktiven Auseinandersetzung mit dem Thema und der Frage nach einer positiven, menschendienlichen Gestaltung von KI der Boden entzogen. Gefragt ist ein neues Paradigma, das den Menschen in den Mittelpunkt stellt.

In den USA wird das A bei AI mitunter bereits mit ‘Augmented‘ (wörtlich: angereicherte) Intelligence und nicht ‘Artificial‘ (künstliche) übersetzt. In eine ähnliche Richtung geht das Council on Extended Intelligence. Sie sprechen von einer ‘Extended Intelligence‘, also einer ausgeweiteten Intelligence. Im Konzept der Extended Intelligence ist der Fokus der Gestaltung der Mensch. Es zielt darauf, KI so zu entwickeln, dass sie diesen unterstützt. Folglich geht es hier nicht primär darum, Intelligenz des Menschen zu simulieren, um sie zu ersetzen, sondern Muster zu erkennen. Der Schlüsselbegriff dieses Konzepts ist die Information, denn KI hilft, Muster in Daten zu erkennen, um verwertbare Informationen erzeugen zu können. Das Ziel dieser Gestaltungsperspektive ist die Erweiterung der Handlungsfähigkeit des Menschen. Demnach ist KI dazu da, die Menschen schlauer zu machen.

Wo und wie KI-Potenziale in der digitalen Arbeitswelt im Sinne der Menschen zum Einsatz kommen, ist eine Frage, die wir am bayerische Forschungsinstitut für Digitale Transformation erforschen. Sicher ist, dass die Arbeit von Menschen wesentlich bleiben wird, denn nur sie können aus Daten nützliche Informationen und Innovationen machen. Dafür müssen sie jedoch in Beziehung treten können zur Fachlichkeit anderer, die im gemeinsamen Wertschöpfungsprozess tätig sind. Das setzt eine neue Kompetenz voraus: kommunikative Fachlichkeit, also die Fähigkeit, das eigene Wissen interdisziplinär und im Austausch mit anderen laufend zu erweitern.“

Welche Technologien stecken hinter KI und werden sie bald den Menschen übertreffen?

Alexander Pretschner vom Lehrstuhl für Software und Systems Engineering an der Technischen Universität München:
„Künstliche Intelligenz ist eine Methode unter anderen, Programme zu entwickeln und mathematische Funktionen zu implementieren. Die ursprüngliche Idee dahinter war, Maschinen zu bauen, die kognitive Prozesse simulieren können.

Ich würde zwischen statistischer und regelbasierter KI unterscheiden. Wenn man ein ‘klassisches‘ Programm schreibt, überlegt man sich explizite Regeln, wie man von der Eingabe zur Ausgabe kommt. Die sogenannte symbolische oder regelbasierte künstliche Intelligenz funktioniert ganz ähnlich. Die Grundüberlegung bei regelbasierter KI ist, Wissen und Arten der Schlussfolgerung als explizite Regeln zu erfassen. Das funktioniert manchmal ganz gut und ist insbesondere erfolgreich im sogenannten Semantic Web. Zusammenhänge sind aber oft sehr komplex, entsprechende Berechnungen sehr umfangreich und es gibt auch viel implizites Wissen. Das macht es schwierig, alles explizit aufzuschreiben und Schlüsse zu ziehen.

Ein anderer Ansatz ist die statistikbasierte KI, bei der im Wesentlichen Beispiele anstelle von expliziten Regeln angegeben und Schlüsse auf der Basis dieser Beispiele gezogen werden. In beiden Bereichen der KI gibt es Dutzende unterschiedlicher Verfahren.

Statistikbasierte Verfahren sind wahnsinnig erfolgreich. Aber sie tun häufig nicht genau das, was der Mensch tun würde. Das liegt daran, dass sie nicht wie der Mensch zum Beispiel bei einem Gegenstand seine Gesamtheit erkennen, sondern nur einzelne Charakteristika. Aber auch wenn es das Ziel ist, kognitive Prozesse zu simulieren, ist es vielleicht nicht schlimm, dass ein Computer auf andere Art zum selben Ergebnis kommt. Die Vorstellung mag ein bisschen unheimlich sein, und es wirft natürlich Fragen nach der Kontrolle der Ergebnisse auf. Ich bin überzeugt, dass die Zukunft in der Kombination von expliziten Regeln und beispielbasierten Verfahren liegt.

Ich glaube aber nicht, dass es in absehbarer Zeit Maschinen geben wird, die generell die Fähigkeiten von Menschen übertreffen. Das sehe ich nur in speziellen Bereichen. Aber die Welt ist auch etwas unfair: Sobald Maschinen etwas können, wie etwa beim Schachspielen Menschen schlagen, heißt es: Das ist doch keine KI, wir verstehen ja, wie es funktioniert.“

Welche Hürden müssen in Europa beiseite geräumt werden, um mit der Entwicklung von KI schneller voranzukommen?

Dietmar Harhoff, Direktor am Münchner Max-Planck-Institut für Innovation und Wettbewerb:
„Wir müssen effektive Formen der Kooperationen zwischen europäischen Forschungseinrichtungen und Unternehmen in europäischen Ländern finden. Die Kooperation zwischen einem deutschen Start-up und einem französischen oder englischen Labor muss im Idealfall genauso leicht möglich sein wie die Kooperation innerhalb der nationalen Grenzen.

Große Industrieunternehmen haben die Ressourcen, um KI eigenständig in die Anwendung zu bringen. Aber kleine und mittlere Unternehmen (KMU) werden Unterstützung brauchen. Deshalb müssen staatliche Förderprogramme in diesem Bereich endlich anlaufen.“

Was sind die größten ethischen Herausforderungen von KI?

Julian Nida-Rümelin, Professor für Philosophie und politische Theorie an der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität:
„Die Entwicklung der KI ist noch eine Art Suchbewegung. Es gibt einen starken Trend, damit menschliche Fähigkeiten nachzuahmen, etwa in der Robotik. Es ist aber fraglich, ob das die Zukunft bestimmen wird. Wir sollten nicht das Unbelebte durch Projektionen zu beleben versuchen. Vielmehr sollten wir uns auf die produktiven Kerne der Wirtschaft besinnen. Die Digitalisierung kann viel zum ökonomischen Fortschritt beitragen. Die beiden größten ethischen Herausforderungen dabei sind es, die Balance zwischen den Interessen einer datengetriebenen Ökonomie und dem informationellen Selbstbestimmungsrecht, der individuellen Autonomie, herzustellen sowie, zweitens, die menschliche Verantwortung für den Einsatz digitaler Tools zu sichern.“ (BSZ)

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