Beruf & Karriere

Angestellten drohen rechtliche Nachteile, wenn sie eine Impfung ablehnen. (Foto: dpa/Marijan Murat)

27.08.2021

"Ohne Impfung keine Gehaltsentschädigung"

Rechtsanwältin Anne-Franziska Weber über Lohnfortzahlung für Angestellte in Quarantäne oder bei einer Corona-Infektion

Angestellte bekommen keine Geld, wenn sie in Quarantäne müssen, aber zuvor ein Impfangebot ausgeschlagen haben. Die Münchner Rechtsanwältin Anne-Franziska Weber erklärt, welche Ansprüche Menschen haben, die noch keinen Termin bekommen haben oder sich nicht impfen lassen können.

BSZ: Frau Weber, wann bekommen Angestellte eine Entschädigung nach dem Infektionsschutzgesetz?
Anne-Franziska Weber: Bisher war es so: Schickt das Gesundheitsamt einen Arbeitnehmer nach dem Infektionsschutzgesetz (IfSG) in Quarantäne, dann muss ja eigentlich der Arbeitgeber das Gehalt nicht weiterzahlen. Arbeitgeber sind aber verpflichtet, Entschädigungsleistungen nach dem IfSG auszuzahlen. Sie bekommen diese Entschädigungen inklusive der Sozialversicherungsbeiträge wieder erstattet. Und zwar für die ersten sechs Wochen in Höhe des Nettogehalts. Die Entschädigung sowie die gezahlten Sozialversicherungsabgaben kann sich der Arbeitgeber von den jeweiligen Behörden der Länder zurückholen.

BSZ: Und wenn der Mitarbeiter während der Quarantäne im Homeoffice arbeiten kann?
Weber: Dann besteht kein Anspruch auf Entschädigung.

BSZ: Was hat sich an dem Anspruch auf die Quarantäneentschädigung jetzt geändert?
Weber: Schon zum 1. März 2020 hat der Gesetzgeber mit dem Masernschutzgesetz einen Zusatz in das Infektionsschutzgesetz aufgenommen: Es bekommen diejenigen keine Quarantäneentschädigung, die durch Impfung‚ ein Verbot der Ausübung ihrer Tätigkeit oder eine Absonderung, also Quarantäne, eine Infektion hätten vermeiden können. Für die Corona-Entschädigungen spielte der Zusatz damals noch keine große Rolle. Denn durch eine Impfung konnte man im März 2020 keine Quarantänepflicht wegen Verdacht auf Covid-19 umgehen. Mit dem wachsenden Impfangebot und dem zunehmenden Impffortschritt sind die Quarantänebestimmungen angepasst. Und das wiederum wirkt sich auf den Anspruch auf Entschädigung aus.

BSZ: Wo erfahren Unternehmen, welche Quarantänebestimmungen aktuell gelten?
Weber: Die Quarantänebestimmungen sind Ländersache. Details finden sich auf den Websites der Gesundheitsministerien der Länder.

BSZ: Wenn Mitarbeitende bisher noch keinen Impftermin bekommen haben oder sich aus gesundheitlichen Gründen nicht impfen lassen können, haben sie dann Anspruch auf Quarantäneentschädigung?
Weber: Ja, sie haben einen Anspruch auf Entschädigung. Allerdings wird es dann natürlich etwas aufwendiger: Arbeitnehmer müssen dann in der Erklärung zur Schutzimpfung gegen Covid-19 angeben, warum sie sich bisher nicht impfen lassen konnten. Ist ein Arbeitnehmer unverschuldet ungeimpft, hat er Anspruch auf Quarantäneentschädigung; somit hat auch der Arbeitgeber einen Anspruch auf die Erstattung seiner Aufwendungen, wenn er seinem Mitarbeiter die Entschädigung während der Quarantäne auszahlt.

BSZ: Damit Unternehmen die Voraussetzungen für den Anspruch auf Quarantäneentschädigungen prüfen können, müssen sie wissen, ob ihr Mitarbeiter geimpft ist. Haben Vorgesetzte denn überhaupt Anspruch auf diese persönliche Auskunft?
Weber: Rein arbeitsrechtlich gesehen könnten Arbeitgeber in diesem Fall Anspruch auf eine Auskunft haben. Begründet ist dieser Anspruch im Bürgerlichen Gesetzbuch, Paragraf 242, BGB. Das Bundesarbeitsgericht stützt diesen Anspruch in seinem Urteil vom 27. Mai 2020, Aktenzeichen 5 AZR 387/19. Voraussetzung für den Anspruch ist, dass ohne die Auskunft Nachteile entstehen können. Und das ist hier der Fall. Der Arbeitgeber kann sich die Auskunft nicht anderweitig beschaffen. Der Arbeitnehmer muss dem Arbeitgeber also Auskunft über seinen Impfstatus geben und gegebenenfalls begründen, warum er nicht geimpft ist.

BSZ: Gibt es noch weitere Gründe, warum Arbeitnehmer keinen Anspruch auf Quarantäneentschädigung haben?
Weber: Wenn es keinen Verdienstausfall gibt, weil Arbeitnehmer während der Quarantäne von zu Hause aus arbeiten können, gibt es keinen Anspruch auf Quarantäneentschädigung. Oder wenn Arbeitnehmer aufgrund einer vermeidbaren Reise in Quarantäne müssen.

BSZ: Können Unternehmen bei einer Corona-Erkrankung Entgeltfortzahlung verweigern, wenn Arbeitnehmer eine angebotene Corona-Impfung abgelehnt haben?
Weber: Dies wäre durchaus vertretbar. Aber: Entgeltfortzahlung steht allen zu, die unverschuldet krank werden. Den Einzelfall müsste auf jeden Fall ein Rechtsanwalt prüfen. Klarheit wird hier erst die Rechtsprechung schaffen können. (Interview: Gudrun Bergdolt)

Kommentare (1)

  1. Knödel am 15.09.2021
    Rein arbeitsrechtlich gesehen könnten Arbeitgeber in diesem Fall Anspruch auf eine Auskunft haben. Der Arbeitgeber kann sich die Auskunft nicht anderweitig beschaffen.

    Ja genau und darum haben wir ein Datenschutzgesetz welches hier in Eklatanter Form gebogen und Ausgehebelt wird.
    Soviel zum Schutz Personenbezogener Daten und der Selbstbestimmung.

    Deutschland sollte sich Schämen den so etwas ist einem Rechtsstaat nicht würdig und Untergräbt seine Glaubwürdigkeit!
Die Frage der Woche

Sollen Schwangerschaftsabbrüche entkriminalisiert werden?

Unser Pro und Contra jede Woche neu
Diskutieren Sie mit!

Die Frage der Woche – Archiv
Vergabeplattform
Vergabeplattform

Staatsanzeiger eServices
die Vergabeplattform für öffentliche
Ausschreibungen und Aufträge Ausschreiber Bewerber

Jahresbeilage 2023

Nächster Erscheinungstermin:
29. November 2024

Weitere Infos unter Tel. 089 / 29 01 42 54 /56
oder
per Mail an anzeigen@bsz.de

Download der aktuellen Ausgabe vom 24.11.2023 (PDF, 19 MB)

E-Paper
Unser Bayern

Die kunst- und kulturhistorische Beilage der Bayerischen Staatszeitung

Abo Anmeldung

Benutzername

Kennwort

Bei Problemen: Tel. 089 – 290142-59 und -69 oder vertrieb@bsz.de.

Abo Anmeldung

Benutzername

Kennwort

Bei Problemen: Tel. 089 – 290142-59 und -69 oder vertrieb@bsz.de.