Beruf & Karriere

Deutsche Amtsstuben und Social Media? Der Instagram-Kanal der Stadtbibliothek Erlangen zeigt, dass dies durchaus möglich ist. (Screenshot: BSZ)

25.02.2022

"Wenn Ämter nicht posten, existieren sie quasi nicht"

Online-Strategin Bente Matthes über die Frage, warum Behörden Social Media nutzen sollten, was beim Datenschutz zu beachten ist und welche Karrierevorteile das bringt

Für eine moderne Bürgerkommunikation muss die Verwaltung auch auf LinkedIn, Twitter oder Whatsapp setzen, sagt die Münchner Medien-Expertin Bente Matthes. Sie bietet daher jetzt Online-Intensivkurse für Behördenleiter*innen und Angestellte an. 

BSZ: Frau Matthes, deutsche Amtsstuben und Social Media – das passt erst mal nicht zusammen.
Bente Matthes: Das wirkt nur so. Der Fortschritt beeinflusst immer auch die Lebenswelten – so auch Social Media die Amtsstuben. Reisepass, Heirat, Steuern – Ämter spielen im Leben der Menschen eine bedeutende Rolle. Und Smartphones und Social Media sind heute ganz selbstverständliche Begleiter und Informationsquellen. Das bedeutet: Auch Behörden müssen ihre Zurückhaltung überwinden und mit der Zeit gehen und ihre Zielgruppen dort ansprechen, wo sie sich aufhalten und austauschen. Moderne Bürgerkommunikation beinhaltet also, dass Behörden auch auf Kanälen wie LinkedIn, Twitter oder gar Whatsapp Inhalte einbringen, Fragen beantworten und informieren.  

BSZ: Woran liegt die Zurückhaltung Ihrer Meinung nach und wie ist das in anderen Ländern?
Matthes: Das Interesse ist durchaus da. Aber Social-Media-Arbeit ist mit Pressearbeit gleichzusetzen, braucht entsprechend Budget, Personal, Know-how, Verantwortung und Zeit. Das ist vielen Entscheider*innen oft nicht bewusst oder sie wissen nicht, wie sie die Mittel dafür aufbringen sollen. Da stellen sich automatisch Fragen zur Finanzier- und Umsetzbarkeit. Im innovationsfreudigen Schweden oder in Estland zum Beispiel gehören Social Media und digitalisierte Abläufe ganz selbstverständlich zum Amtsalltag. Aber auch hier gibt es erste gute Beispiele wie die Instagram-Kanäle der Stadtbibliothek Erlangen oder der Stadt Nürnberg. Aber das sind bisher noch Ausnahmen. Die Frage ist also nicht, ob Behörden die benötigten Mittel bereitstellen, sondern wie.

BSZ: Warum sollten Behörden überhaupt Social Media nutzen?
Matthes: Der Medienwandel hat ein komplett neues Nutzerverhalten hervorgebracht. Ein großer Teil informiert sich ausschließlich über Social Media und Streamingdienste. Klassische Medien wie Lokalzeitungen oder -fernsehen sind überhaupt nicht in ihrem Fokus. LinkedIn, Twitter, Instagram, Youtube und Messengerdienste hingegen sind ihre Informations-, Kommunikations- und Unterhaltungswerkzeuge. Diese sind ganz natürlicher und wichtiger Bestandteil der Gesellschaft geworden. Und demnach sollten sie auch als digitale Verlängerung der Amtsstube dienen:Q für Bürgernähe, Präsenz, schnelle Verbreitung wichtiger Informationen und Angebote, besseren Bürgerservice. Behörden müssen ergo unbedingt verinnerlichen: Wer auf Social Media nicht präsent ist, ist für einen nicht unerheblichen Teil der Bevölkerung schlichtweg nicht existent. Ohne die Nutzung des Social Web verlieren die Behörden den Kontakt zu ihren Bürger*innen.    

BSZ: Wie sieht es mit dem Datenschutz aus? Fachleute fordern immer wieder Behörden dazu auf, die sozialen Netzwerke zu verlassen.
Matthes: Der Datenschutz ist und bleibt ein wichtiger Bereich, den Behörden nicht aus den Augen verlieren dürfen. Es ist also wichtig, dass im Team intensiv darüber gesprochen wird und Leitlinien für die Kommunikation aufgestellt werden. Dabei sollten Behörden aber nicht allein agieren, sondern sich von den Datenschutzbeauftragten begleiten und beraten lassen.

BSZ: Sie bieten den Kurs „Das neue Amtsdeutsch – Social Media für Behörden“ an. Was können Menschen dort lernen?
Matthes: Mein Online-Kurs macht Ämter fit für Social Media und hilft ihnen konkret, ihre Kommunikation neu und gezielt zu strukturieren. Dabei erhalten sie Antworten auf alle drängenden Fragen: Wofür kann meine Behörde Social Media am besten nutzen? Wie umfangreich ist Social Media? Wie viel Personal brauche ich dafür und woher bekomme ich gute Leute? Welche Inhalte sind passend? Wie viel Austausch ist nötig? Wie händeln wir Shitstorms und Krisenkommunikation? Und: Duze oder sieze ich die Bürger*innen? Behörden lernen zudem, wie sie die für sie passenden Kanäle, Themenwelten und Kommunikationsformen finden und – auch trockene, sperrige – Inhalte spannend gestalten. Zudem zeige ich gelungene Beispiele verschiedener Behörden. Da es schwer sein kann, intern von der neuen Kommunikationsform zu überzeugen, gebe ich auch hierzu Argumente an die Hand.
    
BSZ: Worauf sollten Behörden beim Posten besonders achten?
Matthes: Social-Media-Strategien sind sehr individuell, da gibt es kein Standardrezept. Grundsätzlich ist es aber wichtig, Beziehungen zur Zielgruppe aufzubauen. Behörden sollten klare Vorstellungen von ihren Bürger*innen und deren Bedürfnissen haben, und verstehen, wie sie diese mit den eigenen Inhalten unterstützen können. Es muss also immer einen Grund für das eigene Tun geben, von dem die Nutzer*innen profitieren. Jedes Posting sollte auf Sinn und Zweck geprüft werden. Denn was Follower für ihre Lebenswelt als wertvoll erachten und gebrauchen können, nutzen, konsumieren und teilen sie. Nur dann bekommt ein Behörden-Kanal einen Sinn und Wert.

BSZ: Viele haben Angst, dass Posten, Tweeten und Kommentieren zur lästigen Zusatzbelastung wird.
Matthes: Da muss unbedingt umgedacht werden. Die Social-Media-Strategie ist nichts für „nebenher“, sondern – wie die Pressearbeit – wichtige Kommunikationsarbeit. Dass unerfahrene und gar überforderte Mitarbeitende schnell mal während der Amtszeiten in den Äther funken, weil es gerade passt, ist fatal. Sie würden ja auch nicht die Aufgaben der Presseabteilung übernehmen und noch vor Feierabend zwei Pressemeldungen zu einem Krisenfall versenden. Erfolgreiche Social-Media-Arbeit ist geprägt von spannenden Inhalten, regelmäßigem Austausch und genauer Analyse. Sie hat mögliche Risiken im Blick, agiert vorausschauend und tritt mit den Bürger*innen intensiv und nutzerbezogen in Kontakt. Diese Arbeit gehört in gute Hände: von kompetenten Social-Media-Manager*innen oder gern auch versierten Quereinsteiger*innen.
     
BSZ: Lohnt sich Ihr Kurs auch für Behörden mit wenig Personal?
Matthes: Ja, denn ich zeige, wie öffentliche Verwaltungen auch mit eingeschränkten Voraussetzungen zum Ziel kommen können. Wichtig ist aber, dass Behörden verstehen, dass für Social Media in etwa die gleiche Arbeitszeit aufgebracht werden muss wie für die Pressearbeit. Eingeschränkt heißt hier also nicht, einer bestehenden Stelle on top Social-Media-Arbeit aufzubürden, sondern jemanden konkret für diese Aufgabe abzustellen. Durch den Kurs lernen Behördenleiter*innen und ihre Angestellten, wie sie das hinbekommen und wie Social Media im Behördenzusammenhang funktioniert. So fällt es leichter, das Social Web konkret für die eigenen amtsbezogenen Bedürfnisse zu nutzen, entsprechend Mittel zu planen und zu argumentieren sowie Prozesse im Rahmen der Möglichkeiten zu strukturieren.

BSZ: Welche Vorteile haben die Behörden durch ihre neuen Soft Skills?
Matthes: Sie werden als Behörde ein wertvoller Ansprechpartner und können effektiv und zielgerichtet mit den Menschen kommunizieren. Denn diese erhalten Antworten auf alle wichtigen Fragestellungen bezüglich Machbarkeit, Organisation, Strategie und Umsetzung. Und sie lernen die Mehrwerte und Vorteile für ihre eigene Behörde kennen. Kurz: Sie werden fit fürs Social Web.

BSZ: Was sind die häufigsten Reaktionen nach Ihrem Kurs?
Matthes: Erleichterung, Aha-Momente und Motivation. Die Teilnehmenden wissen nun, welche Möglichkeiten sie trotz eventuell eng gesteckter Rahmen haben und was innerhalb dieser Grenzen machbar ist. Zudem fühlen sie sich sicherer im Umgang mit Social Media und diesen neuen Aufgaben gewachsen. Gutes Social-Media-Management ist eine Herausforderung, aber kein Ding der Unmöglichkeit. Im Gegenteil: Social Media zahlt sich für Behörden aus. Und das nehmen die Teilnehmenden auch mit.
(Interview: David Lohmann)

 

INFO: Kurs „Das neue Amtsdeutsch – Social Media für Behörden“

Termine: 16.-18. März 2022 und 29.-31. März 2022.
Einzelbuchung: 1.200,- Euro zzgl. MwSt. - pro Person
Team-Buchung: 3.000,- Euro zzgl. MwSt. - für bis zu drei Personen Buchbar über hello(at)bentematthes.com
Weitere Informationen über https://bentematthes.com/events/social-media-fuer-behoerden/

 

Bild: Bente Matthes ist Online-Strategin und verantwortet u.a. die Social Media-Kurse beim Bayerischen Journalistenverband. In ihrer Beratung hat sie sich auf bestimmte Berufsgruppen, Branchen und Anwendungsbereiche spezialisiert.(Foto: BSZ)

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