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Die Bewegungsübungen sorgen dafür, dass sich die Kinder länger konzentrieren können. (Foto: Regierung von Mittelfranken)

01.09.2023

Wer Schreibschrift kann, lernt besser

Übungen im Unterricht verbessern die motorischen Fertigkeiten von Schulkindern

Von Hand zu schreiben, macht Kindern Spaß. Richtig viel sogar. Das zeigen drei Pilotprojekte in Grundschulen in Niederbayern, Luxemburg und Frankreich. Sie sind die ersten Bildungseinrichtungen Europas, die das Zertifikat Schreibmotorik-Schule erhielten. Andere Schulen können ebenfalls teilnehmen.

„Eine flüssige Handschrift ist elementar dafür, dass Kinder und Jugendliche dem Unterrichtsgeschehen richtig folgen können und bei den Inhalten nicht abgehängt werden. Zudem ist das Erlernen der Handschrift entscheidend für die Lesekompetenz der Kinder“, sagt Marianela Diaz Meyer, Geschäftsführerin des Schreibmotorik Instituts. Das Heroldsberger Institut leitete das Erasmus+ Projekt, an dem sechs Partner beteiligt waren. Ziel des insgesamt drei Jahre andauernden Entwicklungsprojekts der EU war, Schulen in Europa die Möglichkeit zu eröffnen, sich im Bereich Schreibmotorik nachhaltig zu zertifizieren. Die Schreibmotorik von Kindern verbessert sich durch speziell entwickelte Übungen, die in verschiedene Unterrichtsfächer integriert werden. 

Schüler*innen an Grundschulen sollen so Bewegungserfahrungen sammeln und ein Bewusstsein für die nötigen Vorgänge beim Schreiben bekommen sowie ein besseres Gefühl dafür. „Erst eine automatisierte, flüssige Handschrift erlaubt es, sich auf die Inhalte des Geschriebenen zu konzentrieren“, erklärt Diaz Meyer. „Wer beim Schreiben im Unterricht nicht mitkommt, läuft Gefahr, in der Schule abgehängt zu werden.“

Schulen können an dem Programm teilnehmen und sich als Schreibmotorik-Schule zertifizieren lassen. Dafür werden den teilnehmenden Bildungseinrichtungen voll ausgearbeitete, erprobte und wissenschaftlich evaluierte Unterrichtsmaterialien zur Verfügung gestellt. Lehrkräfte erhalten so eine Reihe an Angeboten, die dabei unterstützen, die handschriftlichen Fertigkeiten der Kinder zu verbessern. Dazu zählen etwa eine Online-Fortbildung, Beobachtungsinstrumente, Übungskarten für die Fächer Deutsch, Mathematik, Sport, Musik sowie Werken und Gestalten mit Bezug zu den jeweiligen Lehrplänen.

Die Bewegungsübungen im Deutsch- und Matheunterricht verbesserten aber nicht nur die Schreibmotorik, sondern sorgen auch dafür, dass sich die Kinder länger konzentrieren können. In Sport werden Kräftigung und Koordination trainiert, in Musik Körperhaltung und Rhythmus, in Werken und Gestalten oder in Kunst wird die Wahrnehmung mit verschiedenen Materialien geschult. „Das alles zahlt auf eine bessere Schreibmotorik ein. So geschieht beispielsweise auch flüssiges Schreiben in einem gewissen Rhythmus“, sagt Diaz Meyer. 

Die Konsortialpartner des Erasmus+ Projekts Zertifikat Schreibmotorik-Schule sind neben dem Schreibmotorik Institut, die Regierung von Mittelfranken, die Regierung von Niederbayern, die Ecole de la fontaine (Frankreich), das Centre pour le développement moteur (Luxemburg) sowie das Institut für Lerninnovation (ILI) an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg. Sie hatten die Materialien für dieses Zertifizierungsprogramm gemeinsam seit 2020 entwickelt und evaluiert, die in Deutsch und Französisch erhältlich sind. Ihre kreativen Ideen zum Einbauen der Übungen in den Unterricht stellten die Lehrkräfte der teilnehmenden Länder bei einem Projekttag in Stein (bei Nürnberg) vor. Die Ausgangslage in den beteiligten Ländern ist sehr ähnlich. Diversität, auch durch Migration, nimmt zu, und individualisierte Förderung ist ein gleichermaßen relevantes Thema. 

"Es müssen nicht die riesengroßen Schritte sein, kleine Erfolge reichen"

Die Angebote kommen bei den Kindern gut an, berichteten Vertreter der drei Grundschulen, die Ende Juni als erste die Zertifizierungsurkunden erhielten: die Grundschule Hengersberg aus Niederbayern, die Fielser Schoul aus Luxemburg sowie die Ecole de la fontaine aus Frankreich, die seit Januar 2022 die Entwicklungen als Pilotschulen erprobten. Die Grundschule Stein in Mittelfranken hatte im Frühjahr 2023 mit dem Zertifizierungsprogramm begonnen. Auch hier konnten die Lehrkräfte nach kurzer Zeit deutlich messbare Fortschritte beim Handschreiben ihrer Schulkinder erfahren. 

Die Kinder können sich durch das Zertifizierungsprogramm mit dem Thema Handschreiben auch selbst besser auseinandersetzen, etwa mithilfe eines Lerntagebuchs. Und auch für die Eltern gibt es eine Reihe von Materialien, um das Handschreiben zu unterstützen. Dafür haben die Projektpartner eine Elternbroschüre mit Bewegungsspielen und Ideen zur kreativen Betätigung im Alltag erarbeitet. „Mit dem Zertifikat bieten wir gezielte und vielfältige Angebote zur Wahrnehmung und Bewegung sowie zur Schreibmotorik“, so Diaz Meyer. „Wir wollen damit auch Leichtigkeit in die Hände der Schülerinnen und Schüler bringen. Gerade das Angestrengte, Verkrampfte sorgt oft dafür, dass mittlerweile fast die Hälfte aller Kinder im Primar- und Sekundarbereich nicht einmal mehr 30 Minuten beschwerdefrei schreiben können.“ 

Auch die Erfahrungen und das Feedback der Lehrkräfte auf die Teilnahme am Zertifizierungsprogramm waren durchweg positiv: „Bei Kindern, die zuvor unleserlich geschrieben haben, hat sich die Handschrift verbessert. Es müssen nicht die riesengroßen Schritte sein, sondern kleine Erfolge. Das Bewusstsein dafür ist jetzt da.“ „Kinder merken, dass die Übungen ihnen guttun und übernehmen das. Auch zu Hause achten sie jetzt darauf.“ Oder: „Die Online-Fortbildung und die Übungskarten haben mir immer wieder die Augen geöffnet, was alles beim Schreiben hilft. Davon kann man ganz viel in den Unterricht einbauen.“ 

„Keine andere schulische Aktivität erfordert eine so hohe Synchronisation der Bewegungen wie das Schreiben von Hand. Das macht es auch so wertvoll, denn die Koordination von über 30 Muskeln und 17 Gelenken in Armen und Händen beim Schreiben hilft beim Verstehen, Erinnern oder beim Strukturieren von Gedanken.“ Darauf weist Diaz Meyer hin. „Deswegen ist das Handschreiben auch so wichtig und wertvoll für die kognitive Entwicklung von Kindern.“ (BSZ)

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