Beruf & Karriere

Nicht nur im Kreis der Familie, sondern auch im Büro kann es zur Weihnachtszeit Konflikte geben. (Foto: dpa)

22.12.2017

Zu viel Harmonie tut nicht gut

Wo Menschen zusammenarbeiten, gibt es Konflikte – wie sie glimpflich ablaufen und sogar positive Auswirkungen haben können

Die Weihnachtszeit wünschen sich die meisten besinnlich, entspannt und ohne lästige Querelen. Die Realität sieht nicht nur im privaten Bereich häufig anders aus. In der Hektik vor dem Jahresende geraten auch Kollegen manchmal aneinander, verdeckte Konflikte kommen plötzlich an die Oberfläche. Kleine Meinungsverschiedenheiten kommen und gehen, regeln sich meist von selbst und sind insofern kein Grund, sich weiter damit zu beschäftigen. Wenn es im Jobumfeld dagegen richtig kracht, es gar zu Beleidigungen kommt und eine inhaltliche Auseinandersetzung ins Persönliche abgleitet, lassen sich die Ursachen häufig nicht mit ein paar gut gemeinten Worten aus der Welt schaffen. Die Entwicklung des zugrundeliegenden Konflikts hat vermutlich bereits mehrere Stufen hinter sich. Soll es nicht zu einer weiteren Eskalation kommen, heißt es erst einmal „zurück auf Los“, um dem emotionalen Sturm den Wind aus den Segeln zu nehmen. Experten sprechen von der Sozialdimension und der Sachdimension, deren Zusammenspiel es zu beachten und nötigenfalls zu entflechten gilt.

Oftmals entstehen Konflikte paradoxerweise um des lieben Friedens willen – statt sich in einer Sachfrage zu streiten, werden unterschiedliche Standpunkte erst gar nicht offen thematisiert. Gerade für Führungskräfte ist es schwierig, das richtige Maß zu finden und von Fall zu Fall in die Auseinandersetzung zu gehen oder eben nicht. Der systemische Pädagoge Rolf Arnold, Inhaber des Lehrstuhls für Berufs- und Erwachsenenpädagogik an der TU Kaiserslautern, warnt vor einer „Harmonisierung“ im Führungsverhalten. Führung stellt aus seiner Sicht grundsätzlich ein konflikthaftes Handeln dar. Wer dies zu vermeiden versucht, produziert ganz automatisch Reibungen, die sich zu handfesten Problemen im Miteinander entwickeln können. Dazu passt, dass in unserer Kultur generell und in vielen Unternehmen im Besonderen Konflikte eher negativ behaftet sind. An der Oberfläche soll bitte der schöne Schein gewahrt werden, auch wenn es unterhalb bereits übel gärt.

Konflikte als Treibstoff für Innovation und Entwicklung

Werden sachliche Auseinandersetzungen im beruflichen Alltag nicht kultiviert, sondern weitgehend ausgespart, kommt es auf der Beziehungsebene zur Verhärtung unterschiedlicher Positionen, weil der offene Dialog fehlt. Auf der Sachebene etabliert sich häufig eine Erstarrung in veralteten Prinzipien, weil eine konstruktive Reibung und die Auseinandersetzung mit unterschiedlichen neuen Lösungsszenarien unterbleiben. Ein „sozialer Teufelskreis“ entsteht, wenn der Streit um die Sache aus Angst vor negativen Effekten vermieden wird. Unterdrückter Ärger und Wut münden schlimmstenfalls in subversive Kräfte – die Folgen sind Resignation, innere Kündigung und manchmal sogar bewusst schädliches Verhalten gegenüber einzelnen Personen oder dem ganzen Unternehmen.

Wird dagegen ein offener Umgang mit unterschiedlichen Meinungen, Standpunkten und fachlichen Ansätzen praktiziert, kann daraus ein neuer Blick auf aktuelle Probleme oder auch Herausforderungen entstehen, der – manchmal über Umwege – zu zielführenden Lösungen verhilft. Besonders wichtig ist dabei, dass unterschiedliche Standpunkte nicht als hinderlich und zeitraubend negiert, sondern im Sinne individueller Qualität respektiert werden. Mit der Haltung „… da könnte was dran sein an der Sicht des Anderen“ eröffnen sich plötzlich ganz neue Optionen, die ein Team oder mehrere Abteilungen voranbringen können.

Theoretisch ist das alles gut und schön, doch wie geht man damit in der Praxis um? Rolf Arnold unterstreicht, dass jeder am besten bei sich selbst anfangen sollte: „Veränderung heißt Selbstveränderung“, so eine seiner Thesen. In der praktischen Umsetzung braucht es im ersten Schritt einzelne Köpfe, die sich bewusst von den praktizierten Mustern lösen wollen und damit Impulse geben. Es geht um Freiräume zur Selbstreflexion ebenso wie um den Mut, offen zu seinem Standpunkt zu stehen und dennoch andere Sichtweisen zuzulassen. Zugegeben: Das kann ziemlich anstrengend sein und erfordert erst einmal eine ständige, bewusste Auseinandersetzung mit sich selbst und den nächsten Kolleginnen und Kollegen. Im Ergebnis jedoch bewirkt diese Haltung, dass persönliche wie gemeinsame Fortschritte an Fahrt gewinnen und sich gegenseitig tragen können.

Kommt es zu Konflikten, die mit Bordmitteln nicht lösbar scheinen, helfen methodisch passende Maßnahmen wie beispielsweise eine Mediation. Das sollte nicht als Scheitern empfunden werden, sondern als Gewinn auf dem Weg zu einer konstruktiven Kultur mit neuen Handlungsoptionen. Erfolgreiche Unternehmen und Organisationen, die diesen Weg gehen, erleben täglich die Vorzüge. Wer lieber in scheinbarer Harmonie erstarrt, wird davon leider nichts mitbekommen. (Frank Beck)

Kommentare (1)

  1. rustyoldguy am 04.01.2018
    Vorsicht!

    Seilschaften gibt es überall! Kommt darauf an, wie viel Rückhalt/Ansehen man bei den Kollegen hat,
    an welcher Stelle der Nahrungskette am Arbeitsplatz man sich befindet.

    Ansonsten gilt:
    Bene vixit, qui bene latuit---->Gut hat der sein Leben geführt, der sich gut verborgen hat.
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