Freizeit und Reise

Die Villa Tissano. (Foto: Ulmer)

03.06.2011

Bei den bayerischen Verbündeten

Ein Besuch in Friaul

Alle sind schon durchgefahren, aber nur wenige halten an. Dabei ist ein Besuch im Friaul gerade für Bayern ein Besuch wie beim Verbündeten. Einem Verbündeten allerdings vor langer Zeit: Das waren damals die Langobarden und der gemeinsame Feind waren die Franken. Der berühmte Agilolfinger-Herzog Tassilo III. heiratete die Tochter des Langobarden-Königs und da war dann die Donau näher am Po als an Weser oder Elbe. Besonders nach Osten hin hatte man gemeinsame Sorgen mit den Karantanen und Awaren, nach Westen mit den Karolingern – heute rutscht man ohne den lästigen Brenner und am kilometerbreiten Tagliamento-Flussbett entlang hinunter nach „Friaul/Julisch-Venetien“, kein Mensch denkt mehr an Herzog Rotgaud und seinen Aufstand gegen Karl den Großen (776), an Ratchis oder Adelchis, sondern an sein Ziel in Grado oder Kroatien.
Dabei könnte man über dieses Friaul, seine Geschichte und Gegenwart, seine Fauna und Flora, besonders über seine Kunstwerke viel erfahren, wenn man einen Stopp in der alten „azienda agricola“ in Tissano einlegt. Die liegt an der schnurgeraden S 352 parallel zur Autostrada, ist ein kleines Bauerndorf zwischen Udine und Palmanova und wird beherrscht von der Villa Tissano, wo ein promovierter Kunsthistoriker mit seiner Familie, wenn auch Schwabe, die bayerisch-langobardische Vergangenheit hochleben lässt.
Und damit man dabei auch gut lebt, hat er die Villa, ein hübsches Landgut, das auch als veritables Schlösschen durchgehen könnte, zum Hotel umgebaut: mit rustikalen Zimmern, einem verwunschenen Garten, Reitpferden und Pool für die Kinder. Aber das alles ist bei Christoph Ulmer eher Nebensache: Der Kunsthistoriker ist Friaul-Spezialist, hat herrliche Bildbände über die Villen und Burgen in Italiens Osten veröffentlicht und lässt ein bildungshungriges Publikum aus ganz Deutschland an seiner Begeisterung teilhaben. Auf Ulmers Plan stehen unter anderem auch die Dorfkirchen des Friaul mit ihren Fresken, Altären und Orgeln. Und wem nach dem großen Überblick ist, für den vergleicht er „Friaul, Slowenien und Istrien“ oder fährt im Juli von Tissano aus zum berühmten Redentore-Fest nach Venedig.

Weinberge und
Hügel mit Obstbäumen


Ein unvergesslicher Höhepunkt seiner Friaul-Fahrten aber ist Cividale. Dazu hätte man von der Autostrada und von Udine aus rund zwanzig Kilometer nach Osten fahren müssen. Auf Ulmers Spuren geht es von Tissano aus aber über die ersten Weinberge und obstbestandenen Hügel des Langobarden-Landes in dessen alte Hauptstadt. Allerdings schon von Julius Cäsar gegründet, in der Völkerwanderung zum „caput Venetiae“ aufgestiegen, als erste Stadt von den Langobarden erobert und zu ihrer Hauptstadt gemacht.
Durchschnitten wird das Städtchen mit dem sehenswerten Dom, dem Museo Cristiano und dem Museo Archeologico durch die romantische Schlucht des Natisone mit seinem klaren, grünen Wasser. In dem kann man vom kleinen Platz vor dem „Tempietto Langobardo“ sogar die Forellen schwimmen sehen. In diesem versteckt liegenden Oratorium fokussiert sich beim Besuch mit Ulmer die ganze Friaul-Geschichte von der römischen, der byzantinischen Spätantike über die Langobarden und Bayern bis zum Hochmittelalter. Faszinierend sind die Vergleiche der Stuckausstattung mit Beispielen auf syrisch-palästinensischem Gebiet und der Blick auf die frühe Karolingerzeit, in der der Tempietto (vielleicht) entstanden ist.
Ulmers kunst- und geschichtssinniges Publikum geht dann gerne noch auf einen Schoppen in eines der Weingüter, die nur er kennt. Und kehrt abends in die Villa zurück: zu einer gemeinsamen Table d’Hote mit regionalen Spezialitäten, den „cialzons“, dem geschmorten Braten oder den habsburgisch geprägten Süßspeisen und den friulanischen Weinen. Dazu brennen im Rokoko-Speisesaal die Kerzen, leuchten die alten Spiegel und man genießt ein Ambiente, wie es „der deutsche Mensch“ in Italien sucht und nur noch selten findet. Man geht besser nicht zu spät ins Bett, denn früh um neun zieht Ulmers Kunst-Karawane wieder los: nach Aquileia, Grado, Triest oder ins kroatische Porec – alles Tagesausflüge von singulärem kunsthistorischen Format.
Wenn er und seine Küche einmal die Woche Pause machen, kann man auf eigene Faust losziehen: ins nahe Festungsbollwerk Palmanova, in die großzügig restaurierte Burganlage von Strassoldo – und danach zu einem sternebekrönten Menü in der Osteria Altran. Wie so vieles im Friaul liegt auch sie verflixt versteckt nicht weit vom Isonzo, der bald danach in die Adria mündet und an die Geschichte des Friaul im Ersten Weltkrieg erinnert.
Wesentlich idyllischer tut das diese Villa Tissano, in der unter barocken Stukkaturen auch ein Bett wartet, in dem schon der Dichter Rilke geschlafen hat – allerdings im Schloss Duino hoch über dem Golf von Triest. Dort ist man von Tissano aus in einer knappen Stunde und wieder ganz nahe an der bayerischen Geschichte: Besitz der Thurn und Taxis. Dort hat Rilke auch seine „Duineser Elegien“ geschrieben – allerdings nicht auf Bairisch. (Uwe Mitsching)
www.villaditissano.it

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