Freizeit und Reise

Die Schlossvilla Miralago vom See her gesehen. (Foto: Irgens-Defregger)

16.04.2015

Entschleunigen an der österreichischen Riviera

Die Kärntner Urlaubsregion Wörthersee positioniert sich als Kult(o)ur

Lieben Sie Brahms? Wenn ja, dann kann man seinen Spuren in Pörtschach folgen, wo die Sommerfrische zur romantischen Sehnsucht wird: Eine gemütliche Wanderung führt vom mittelalterlichen Schloss Leonstain (heute Fünfsternehotel mit Brahms-Salon und -Büste im Hotelgarten) vorbei an der Ruine Leonstein hinauf zur „Hohen Gloriette“, einem beliebten Aussichtspavillon am Nordufer des Wörthersees, wo eine breite Wellness-Liege zum Relaxen einlädt. Mit pittoreskem Blick auf See und Alpenpanorama kann man in der Waagrechten der Musik von Brahms lauschen. Der Kulturweg führt zu einem weiteren Aussichtpunkt, der „Kleinen Gloriette“. Am Wegesrand entdecken wir mithilfe unserer ortskundigen Führerin Elke heimische Tiere in Nachbildungen. Im Unterschied zu lebendiger Schleiereule oder Wildsau warten die 3D-Attrappen nur darauf, von Liebhabern des Pfeil- und Bogenschießens erlegt zu werden.
Der Wörthersee war für Brahms „ein jungfräulicher Boden, da fliegen die Melodien, dass man sich hüten muss, keine zu treten…“. Der Komponist verbrachte mehrere, künstlerisch äußerst produktive Sommer in Pörtschach. Gleich bei seinem ersten Aufenthalt 1877 schreibt er an seine Freundin Clara Schuhmann: „Unsere Landschaft gleicht beiläufig der vom Starnberger See, nur haben wir größere Berge im Hintergrund, die Karawanken.“

Gustav Mahler
komponierte hier


Auch Gustav Mahler inspirierte der Wörthersee zu einer Vielzahl seiner symphonischen Werke. In Maiernigg am Südufer des grünen Alpensees wurde er heimisch und ließ sich hier eine Villa und ein „Komponierhäusl“ mitten im Wald erbauen.
Wer mit dem Schiff oder Boot das Nordufer passiert, bekommt eine wage Vorstellung von der scheinbaren Leichtigkeit des Seins an diesem besonderen Ort. Wie Perlen an der Schnur reihen sich private Villen, Hotelanlagen, Boots- und Badehäuser aneinander. Ihre repräsentativen Schauseiten und weitläufigen Parkanlagen sind dabei stets zum Wasser hin ausgerichtet.
Mit der Eröffnung der Wörtherseeschifffahrt 1853 und dem Anschluss der neuen K.&K. Südbahn von Wien nach Italien 1864 wurde der Tourismus am Wörthersee eingeläutet. Unter den Sommerfrischlern, die das milde Klima und das heilsame Seewasser für sich entdeckten, waren auch zahlreiche Wiener, welche sich die Filetgrundstücke direkt am See sicherten und prächtige Zweitwohnsitze für die Sommermonate errichten ließen. Die Harmonie von Architektur in Verbindung zu Wasser und Landschaft, die so genannte Wörthersee-Architektur, war geboren.
Zwar ist vom heutigen Ausverkauf der immer kleinteiliger werdenden Seegrundstücke an Investoren auch der Wörthersee nicht verschont geblieben. Dennoch sind zahlreiche denkmalgeschützte Villen der Jahrhundertwende mit ihren markanten Bootshäusern erhalten geblieben. Die „Wörthersee-Architektur“ – eine Hybridarchitektur aus englischem Landhausstil, Historismus und Heimatstil, unterscheidbar in drei Phasen von 1870 bis 1930 – ist ein Alleinstellungsmerkmal des größten Binnensees Kärntens.
Für den Versicherungsmakler Johann Muchitsch war es Liebe auf den ersten Blick, als er einem Relikt dieser Baukultur begegnete, das in einem einzigartig noch erhaltenen Denkmäler-Ensemble in der Ostbucht von Pörtschach eingebettet ist. Noch heute erstrahlt die „Schlossvilla Miralago“ (vormals Villa „Lugg in See“) im satten Kaisergelb der Habsburger mit verschatteten Loggien und mit Erkertürmchen, die der Münchner Frauenkirche abgeschaut sein könnten.
Erbaut wurde die Villa 1892 von dem Wiener Architekten Carl Langhammer für den Grazer Bleistiftindustriellen Ludwig Urban. Als das Haus längst zum Hotel geworden war, kam Muchitsch als Gast, blieb als Dauergast und wurde später Pächter und Hotelier des historischen Kleinods, das seinen Charme bis heute dank sensibler Restaurierungen sowohl außen wie innen bewahrt hat.  Muchitsch beherrscht die Gastgeberkunst in Perfektion. Dass er sich einen schützenswerten Restbestand alter Etikette der seligen Monarchie bewahrt hat, zeigt er, indem er Damen nonchalant mit formvollendeten Handkuss begegnet. Nebenbei präsentiert der Allrounder seine Talente auch als exquisiter Chefkoch.
Beim mehrgängigen Frühstück, das ebenso wie das Sechs-Gänge-Menü am Abend auf Etageren am Tisch gereicht wird, zelebriert der feinsinnige Gourmet, der sich sein Handwerk der gehobenen Küche autodidaktisch angeeignet hat, die Kunst des Genusses. Gelegentlich bekommt der Maitre tatkräftige Unterstützung von der sechzehnjährigen Tochter, die dem Vater seine raffinierte Kochkunst bereits abgeschaut hat.
Mit Opernarien als leiser Hintergrundmusik im Licht durchfluteten Speisesaal ist das Gesamtkonzept der Belle Epoque vollkommen. Hier lebt man wie Gott in Frankreich und fühlt sich zugleich familiär aufgenommen. Wer dem Alltagsleben entrücken will und es beschaulich liebt, dem bietet dieser aus der Zeit gefallene Ort, der die historische Authentizität der Region bewahrt, beste Möglichkeit zum Entschleunigen.
Die zwölf luftig leicht und hell gestalteten Zimmer und Suiten sind ausgestattet mit historischen Möbeln und viel weißen Dekostoffen. Selbstverständlich gibt es hier auch eine Brahms-Suite mit Seeblick, aber keinen Flachbildfernseher, kein Telefon und keine Minibar. Als ganz besonderes Juwel erhalten geblieben ist auch das nostalgisch alte Bootshaus, in dem der Gastgeber, der normalerweise das Erdgeschoss der Villa bewohnt, gelegentlich auch sein Nachtlager aufschlägt, um dem Element Wasser (hier mit nachgewiesener Trinkwasserqualität) ganz nah zu sein.
Seinen Namen bekam der See übrigens von dem noch heute beliebten Wallfahrtsort Maria Wörth, wo die Reliquien der römischen Märtyrerbrüder Primus und Felician verwahrt werden. Maria Wörth, einst in Besitz der Freisinger Bischöfe, war ursprünglich eine Insel in einem Binnensee. Als man 1770 durch künstlichen Abfluss der Glanfurt den Wasserspiegel abgesenkte, wurde aus dem noch heute beliebten Wallfahrtsort mit zwei mittelalterlichen Kirchenbauten eine Halbinsel.

Türkisfarbenes
klares Wasser


Nur einen Steinwurf von diesen ehemaligen bayerischen Besitzungen entfernt, gibt es eine kleine, noch unberührte grüne Insel, umgeben von türkisfarbenem klarem Wasser. Aus der Vogelperspektive betrachtet, gleicht sie einem Südsee-Atoll. Mit ihr als plakativem Aushängeschild will die Tourismusgesellschaft Wörthersee jetzt noch mehr Lust auf die Urlaubsregion rund um den Alpensee machen. Und diese nimmt man zur Gänze wahr, steht man auf einer der Plattformen des neu errichteten rund 100 Meter hohen Aussichtsturms auf dem Pyramidenkogel, der sich direkt hinter dem Südufer erhebt.
Von hier aus kann der Blick schweifen über den von den Gletschern der Eiszeit geformten, 16 Kilometer langen See mit seinem markanten Knick und seiner tiefsten Stelle (85 Meter) in der Mitte, seinen abwechslungsreich gestalteten Buchten und weit hinaus reichenden Halbinseln. Bei schönem Wetter bietet sich eine spektakuläre Aussicht bis zu den Landesgrenzen – die majestätische Bergkulisse der Karawanken im Südosten (Grenze zu Slovenien) und die Julianischen Alpen im Südwesten (Grenze zu Italien). Diese idyllische Landschaft wäre im übrigen massiv beeinträchtigt, würde sich das in der Schwebe befindende Projekt, eine Panorama-Seilbahn von Pörtschach quer über den Alpensee bis zum Pyramidenkogel zu bauen, Wirklichkeit.
Wer seinen Adrenalinspiegel erhöhen will, nimmt im Pyramidenkogel statt des Lifts oder der Treppenstiege die 120 Meter lange Serpentinen-Rutsche in Inneren des Turms und wird in nur 20 Sekunden wieder nach unten befördert.
Die Eventkultur mit Halligalli und Rummelplätzen in Zeiten des gelenkten Massentourismus scheint an den Ufern von Pörtschach gemäßigter voranzuschreiten als im ultrachicen Velden am Westufer, das mit einer Share Space Zone (dieses richtungsweisende Mobilitätskonzept der Teilung von gemeinsamen Straßenräumen wurde in München leider verschlafen) als neu ausgerolltem roten Teppich aufwartet – bestens geeignet zum Flanieren zwischen neuem Casino und Renaissance-Schlosshotel, das mit der Fernsehserie Ein Schloss am Wörthersee zur Ikone geworden ist (damals noch ohne seine puristischen Annexbauten). (Angelika Irgens-Defregger)

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