Freizeit und Reise

Das Kloster in Bernried mit der Pfarrkirche St. Martin. (Foto: Angelika Irgens-Defregger)

05.09.2024

Künstlernest und literarischer Bienenstock

Bernried gilt als das schönste Dorf am Starnberger See

Der Blick schweift vom Bernrieder Park über den Starnberger See bis zur Benediktenwand. Bernried ist ein grünes Naturparadies. Entdeckt wurde es von Malern und Dichtern lange bevor im Hirschgartengelände im Ortsteil Höhenried der erste Spatenstich für das Buchheim Museum der Phantasie fiel. Architektur wie Inhalt des von dem Erfolgsautor Lothar-Günther Buchheim initiierten und 2001 eröffneten Museums ziehen heute scharenweise Ausflügler*innen an, die per Schiff, Bahn, Auto oder Fahrrad Bernried ansteuern.

Bereits im September anno 1859 unternahm Carl von Spitzweg noch eine lange Fußwanderung von Starnberg nach Bernried. Bei seinem Kollegen Moritz von Schwindt, der sich als einer der ersten Sommerfrischler in Niederpöcking angesiedelt hatte, machte er einen Hausbesuch.

Das preisgekrönte „Gold-Dorf“ Bernried, erstmals 1122 urkundlich erwähnt, hat sich seine Authentizität bewahrt. Nicht umsonst wurde das maßvoll gewachsene Vorzeigedorf im Wettbewerb „Unser Dorf hat Zukunft – Unser Dorf soll schöner werden“ mehrfach mit Gold- und Silbermedaillen ausgezeichnet. Neben der Hofmarkskirche befindet sich das Rathaus, das die Musiker Johannes Brahms und Franz Lachner einst beherbergte. Letzterer war wiederum befreundet mit Moritz von Schwind.

Der Ort besticht durch ein Ensemble unzähliger denkmalgeschützter Häuser, wie den Gstupperhof, ein 300 Jahre altes Kleinbauernhaus in Blockbauweise. Dieser verbindet sich mit den Künstlernamen der Brüder Ludwig und Josef Willroider, Franz von Defregger sowie dessen Schüler Lovis Corinth. Die Maler schätzten kulturelles Brauchtum und Tradition; sie genossen für eine gewisse Zeit das entschleunigte, einfache Leben auf dem Land.
Teehaus statt Fischerhütte

Im sogenannten Taneraschen Hause, dem Haus des Militärschriftstellers Karl Tanera, gaben sich unter anderem Schriftsteller wie Max Halbe und Korfiz Holm sowie der Kunsthändler und Verleger Paul Cassirer die Klinke in die Hand. Halbe schrieb: „Das Haus hatte also etwas von einem literarischen Bienenstock, nur dass in ihm mit einer einzigen Ausnahme keiner arbeitete. Seine Insassen waren ja auch nicht zum Arbeiten hier, sondern zum Vergnügen. Die einzige Ausnahme war ich selbst. Ich hatte ein dramatisches Manuskript aus München mit herausgenommen und mir das Wort gegeben, nicht eher nach der Stadt zurückzukehren, als bis ich es vollendet hätte. Es war das Tausendjährige Reich.“

In Bernried formierte sich im Sommer 1871 mit Wilhelm Leibl, Wilhelm Trübner und Carl Schuch der berühmte „Leibl-Kreis“. Als Trübner auf einem Landschaftsgemälde von 1871 die Buchen im Park von Bernried festhielt, hatte der bayerische Diplomat in Paris und Großgrundbesitzer August Freiherr von Wendland nicht nur den ehemals klösterlichen Hütepark (die Eichen dieser Wälder waren damals wichtig für die Schweinemast) durch den Hofarchitekten Carl Effner und dessen Sohn Carl Josef zum englischen Landschaftspark verändert, sondern auch das von ihm erworbene ehemalige Augustinerchorherrenstift in ein Schloss verwandelt.

Heute sind hier die Tutzinger Missionsbenediktinerinnen untergebracht, die auch ein Bildungshaus führen. Vermutlich gibt es in dem am Starnberger See einzigartigen Park mit Seezugang unter den Methusalem-Bäumen, noch dieselben Buchen, die einst Trübner so fasziniert hatten; wenngleich die Kronen insbesondere von Buchen und Eichen im Klimastress immer lichter werden. 1914 wurde der südliche Teil des Parks von der Deutsch-Amerikanerin Wilhelmina Busch und ihrem Ehemann August Scharrer erworben, im romantischen Sinne überformt und durch weitere Wegebaumaßnahmen verändert. Das einzige Gebäude im Park, eine Fischerhütte, ließ sie zu einem Teehaus (heute vermietet) umbauen.

Die Dame, die der berühmten Bierbarondynastie Busch-Anheuser in St. Louis entstammte, kaufte sich in Bernried nach und nach flächendeckend ein. Bis ihr etwa ein Drittel des gesamten Gemeindegrundes gehörte. Anfangs frönte die „Dollar-Queen“ ihr exaltiertes Luxusleben in der sogenannten Postvilla. Die Jugendstilvilla von 1910 hatte der Rechtsanwalt Karl Berchtold für sich bauen lassen. Für die Busch-Erbin wurden von dem Architekten und „Platzhirschen“ am Starnberger See Xaver Knittl bauliche Erweiterungen durchgeführt, darunter eine neue repräsentative Gartentreppe, die ihr Anwesen wie die Barkenhoff-Villa des berühmten Worpsweder Künstlers Heinrich Vogeler aussehen ließ.

Weitläufige Schlossanlage

Später vergrößerten sich ihre Wohnverhältnisse noch um einiges. In den 1930er-Jahren ließ sie sich auf der grünen Wiese von Höhenried eine weitläufige Schlossanlage (heute der Klinik Höhenried zugehörig) bauen. Sie besaß das erste Automobil der Gegend, eine Yacht und beschäftigte zwischen 100 und 150 Angestellte. 1950 stiftete Wilhelmina, die dreimal verheiratet war, aber kinderlos blieb, den südlichen Teil ihres Parks der Gemeinde.
Im Foyer des neuen Marina Seerestaurants direkt am Yachthafen begegnen wir der Mäzenin Busch-Wood, wie sich Wilhelmina nach ihrer dritten Ehe nannte, nachdem sie sich von ihrem jüngeren Leibarzt Carl Borchard hatte scheiden lassen, auf einem repräsentativen Gemäldeporträt. Gemalt hat es 1910 die in Lugano beheimatete Künstlerin Clara Wagner-Grosch. Ursprünglich war das Marina-Gebäude ein Segelheim mit Casino aus den 1960er-Jahren.

Nach dem Tod von Wilhelmina 1952 trat die Familie Mayr mit dem Erwerb von Grundstücken in Bernried in ihre großen Fußstapfen. Der Landwirt Lorenz Mayr übernahm das Bernrieder Hofgut mit Nutzungsrechten im Bernrieder Park und pflegte zugleich die Kulturlandschaft. In unmittelbarer Nachbarschaft entstand eine Bootswerft und auf der ehemaligen „Sauwiese“ sukzessive Apartmenthäuser für Segler, heute Hotelanlage Marina. Auch das etwas südlicher gelegene Gut Adelsried ging an die Familie Mayr.

Auf dem Reiterhof wird die Tradition der Pferdezucht weitergeführt, die in der Ära Wood-Scharrer 1914 ihren Anfang nahm. 87 Hotelzimmer verteilt auf sechs Gebäude mit jeweils drei Etagen bespielen die direkt am See gelegene Hotelgrundstücksfläche von 50 000 Quadratmetern. Mayrs Familie hatte auf Vermittlung der Stadt München in Bernried seit 1956 zahlreiche Grundstücke erworben, nachdem der promovierte Agrarwissenschaftler Lorenz Mayr seinerseits Grundstücke an der Hofmannstraße in München abgegeben hatte, damit sich dort die Firma Siemens ansiedeln konnte. Sohn Lorenz Johann, genannt Jolo, gehörte später unter anderem das Hofgut, das Hotel Marina und das Gelände samt Sommerkeller, auf dem sich jetzt der Bernrieder Rathausneubau befindet.

Historisch interessant: Lorenz Mayrs Frau Maria entstammte der Münchner Land- und Gastwirtsfamilie Kaffler. Den Sendlinger Landwirten Kaffler, Stemmer und Berger ist in München nicht nur der Bauplatz für die Kirche St. Margaret zu verdanken. Sie gründeten auch einen Kirchenstiftungsverein und trugen maßgeblich zur Finanzierung des Neubaus bei. Es verwundert daher nicht, dass Maria Mayr der Tradition ihrer Großeltern folgte und in Bernried das ehemalige „Strandcafé am See“ in den 1950er-Jahren wieder zum Leben erweckte. Ihr Café gibt es schon lange nicht mehr. Das historische Gebäude ist allerdings erhalten geblieben.

Mittlerweile betreibt die Familie Mayr in dritter Generation den Gutsbetrieb, Yachthafen und das Viersterne-Marina Resort im echten Vintage-Chic der 1970er-Jahre mit dem Potenzial zum Weiterbau im Bestand. Geschäftsführer der charmanten Hotelanlage mit Zimmern mit Balkon und Seeblick und des neuen Seerestaurants mit der noblen Adresse Am Yachthafen 1-15 ist Lorenz Michael Mayr, genannt Milo. Ihm war es 2023 vergönnt, auf 50 Jahre Marina und Familientradition anzustoßen – in seinem 2017 fertiggestellten Hotelrestaurant, das sich auch im Frühstücksraum unterhalb der Seeterrasse mit viel Glasfläche zum See hin öffnet. By the way: Unübertroffenes Highlight beim Frühstücksbuffet im neuen See-Saal waren die knusprigen Semmeln der ortsansässigen Bäckerei Florian Ziegler – solide Handwerkskunst seit 1878. (Angelika Irgens-Defregger)

 

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